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EU-Agrarreform

EU-Flächenprämien, GLÖZe und Preise: Keinen Bock mehr auf Beihilfen?

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am Dienstag, 07.06.2022 - 06:30 (1 Kommentar)

Sinkende Beihilfen, dafür steigende Auflagen und hohe Erzeugerpreise lassen auch bei den Feldsaatenerzeugern Zweifel am EU-Fördersystem aufkommen – auch, weil immer noch nicht klar ist, was ab 2023 konkret gefordert wird.

Berechnungen zur künftigen EU-Förderung lassen sich eigentlich nur auf Betriebsebene anhand der tatsächlichen Kosten berechnen. Dennoch zeigen Beispielrechnungen, wo der Trend hingeht, immer unter der Voraussetzung, dass die Erzeugerpreise auf hohem Niveau bleiben, nämlich dahin, dass es sich kaum noch lohnt, die EU-Prämien zu beantragen, allein wegen der GLÖZe, also der Auflagen für den "guten landwirtschaftlichen und ökologische Zustand".

Warum nimmt der Anteil der EU-Prämien am Betriebseinkommen ab?

Kritische Worten zur EU-Förderpolitik sprachen etwa die bayerischen Feldsaatenerzeuger bei ihrer Mitgliederversammlung in Wolferszell: Mehr leisten, aber weniger Geld bekommen – was Gewerkschaften als Anlass zum Streik sehen, müssten Landwirte hinnehmen. Denn die Pläne zur GAP 2023 sehen genau das vor: Die Beihilfenhöhe nimmt ab, während die Auflagen zunehmen.

Auf diese Situation treffen nun die außergewöhnlich hohen Erzeugerpreise. So nimmt der Anteil der EU-Prämien am gesamten Betriebseinkommen ab – während die Auflagen für zusätzliche Kosten und erheblichen Aufwand sorgen.

Was zeigen Beispielrechnungen für die EU-Beihilfen ab 2023?

„Wenn die Erzeugerpreise noch länger so hoch bleiben, kann es dazu führen, dass viele keinen Bock mehr auf die Beihilfen haben und darauf verzichten“, sagte Niki Karl von Andreae-Saaten. Seine Vermutung untermauerte er anhand eines fiktiven Betriebes, den er

  • in einer bayerischen Gunstlage (Betrieb A) und
  • in einem Trockengebiet (Betrieb B) wirtschaften ließ.

Mit den aktuellen Fördersätzen beträgt der Prämienanteil an einem Hektar Winterweizen für Betrieb A 16 %, für Betrieb B liegt der Anteil schon bei 25 %.

Werden Feldsaaten von der neuen GAP 2023 profitieren?

Anschließend rechnete er den Anteil der Prämie mit den ab 2023 geplanten Fördersätzen; für Betrieb A lag er bei 5 % und für Betrieb B bei 8 %. Die Kosten durch die Auflagen sind hier noch nicht eingerechnet. „Die Produktion wäre also in beiden Gebieten auch ohne Beihilfen wirtschaftlich.“ so Niki.

Auch wenn die Zahlen zur Diskussion anregen, ob man es nicht leichter hat, wenn man auf die Beihilfen verzichtet – allen Auflagen kann man sich dadurch nicht entziehen. So gelten Fachrecht und DüV natürlich weiterhin, wie Karl betonte. Und gerade in Bayern spreche noch ein weiterer Punkt für die Beantragung der Beihilfen: das Kulap. „Darauf werden viele nicht verzichten wollen“, sagte Karl.

Welche Kulturen werden eher zunehmen, welche eher abnehmen?

Als Vertreter der Saatenfirma und Referent beim Landesverband der Feldsaatenerzeuger lenkte Karl den Blick auch auf die Folgen der GAP 2023 auf Feldsaaten. Demnach werden vor allem die großen Kulturen an Anbaufläche verlieren, also Weizen, Gerste, Roggen und Mais. Bei gleichbleibendem Futter- und Substratbedarf müssen andere Kulturen die Lücken schließen.

Konkret denkt Karl dabei an Ackerfutter und Grünlandintensivierung, also Gräser und Fein- sowie Grobleguminosen. Zudem werden die Flächen mit Blühmischungen von Weißklee bis zu den Kulap-Mischungen etwas zunehmen. Daher könne der Anteil von Luzerne, Kleearten, Gräsern und Grobleguminosen unter den Bedingungen der GAP 2023 zunehmen.

Warum eilt es so, den Strategieplan der Bundesregierung rasch festzulegen?

Karl zeigte sich aber sehr vorsichtig mit seiner Aussage: Denn was die GAP 2023 angeht, sei noch nichts in trockenen Tüchern. Brüssel sieht bekanntlich noch Änderungsbedarf beim Strategieplan der Bundesregierung – die entsprechende Stellungnahme der EU kam am 20. Mai 2022.

„Vereinfacht ausgedrückt, ist der EU der Strategieplan zu wenig ökologisch, die Artenvielfalt und das Carbon Farming werden zu wenig beachtet“, sagt Sandra Ostermair von der Bayerischen Futtersaatbau, Vorstandsmitglied im Landesverband der Feldsaatenerzeuger. Sie und gab einen düsteren Ausblick, wie es mit der GAP 2023 weitergeht.

„Wenn wir im Dezember wissen, wie es nächstes Jahr weitergeht, dürfen wir uns glücklich schätzen“, befürchtet sie. Dabei müssen die Landwirte ja schon zur Anbauplanung für den Herbst wissen, welche Auflagen sie ab nächstes Jahr einzuhalten haben.

Warum entscheidet der Weizenpreis mit über das Tempo bei der GAP 2023?

Ob die neuen Vorgaben ab 2023 überhaupt alle gelten, bezweifelt Niki Karl. „Das Gesetzgebungsverfahren ist im Geburtskanal steckengeblieben“, verdeutlichte er. Wie schnell es nun aus diesem herauskommt, hängt nach seinen Worten stark vom Weizenpreis ab.

Je höher der Weizenpreis bleibt, desto höher sei auch die Wahrscheinlichkeit, dass die neue GAP 2023 nicht umgesetzt wird. Eindeutiges politisches Ziel sei nämlich ein niedriger Weizenpreis, denn er hat einen entscheidenden Einfluss auf die Migrationsbewegungen und den Weltfrieden.

Warum sind bezahlbare Lebensmittel global so wichtig?

„Bei allen anderen großen Themen wie Energie kann man immer den Geldbeutel aufmachen, aber das Geld kann man nicht essen“, verdeutlichte er die weltweite Rolle bezahlbarer Lebensmittel. Sollte nun zur Ernte der Weizenpreis sinken – „und das ist das politische Ziel“, betonte er, sei eine Umsetzung der neuen GAP 2023, die unsere Produktion etwas limitiert, wahrscheinlicher.

Zum Thema Ernährungssicherheit verwies Karl auf die Schweiz, die eine nationale Saatgutreserve geschaffen hat. Dabei müssen für die wichtigen Kulturarten immer ausreichende Mengen für eine Jahresaussaat auf Reserve liegen. So solle die eigene Selbstversorgung gesichert werden, um nicht neue Abhängigkeiten zu schaffen und mitzuentscheiden, wo die Produktion künftig stattfinden soll.

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