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EU-Agrarförderung Flächenantrag

Flächenüberwachung mit Satelliten: Diese Strafen drohen bei Verstößen

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am Mittwoch, 13.09.2023 - 06:00 (1 Kommentar)

Bis Ende September lassen sich die EU-Mehrfachanträge noch ändern. Zusätzlich zur Flächenüberwachung mit Satelliten werden rund 3.000 Höfe kontrolliert. Ihnen drohen bei Verstößen womöglich Strafen oder Kürzungen. agrarheute sagt, wieviel Geld in Zweifelsfall gestrichen wird.

In dem seit 2023 geltenden, unübersichtlichen Geflecht unzählig neuer Regeln zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) droht eine Vielzahl an Fehlerquellen, sagt Christian Gaebel, Referent für Agrar- und Förderpolitik im Deutschen Bauernverband (DBV). Da gilt es gut aufzupassen, zumal EU-Fördermittel rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Einnahmen ausmachen.

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Diese Vorschriften und Auflagen gelten für EU-Flächenanträge

Statt Cross Compliance und Greening gelten jetzt die Vorschriften und Auflagen der sogenannten Konditionalität für alle Antragsteller, auch Kleinerzeuger. Sie umfasst

Je nach freiwilliger Teilnahme des Betriebs kommen noch jede Menge weitere Vorschriften und Pflichten zur Bewirtschaftung hinzu. Das sind etwa

Diese Fehler sind bei EU-Flächenanträgen leicht möglich

„In diesem Geflecht von Vorschriften können leicht Fehler passieren“, sagt Christian Gaebel. Dazu kommen typische Antragsfehler, etwa dass die Größen der Flächen nicht mit der Realität übereinstimmen. Grundsätzlich gelte bei der Konditionalität ein gesamtbetrieblicher Ansatz. Danach sind die Anforderungen für die EU-Flächenanträge in allen Betriebsstätten und Produktionsbereichen strikt einzuhalten. 

Insgesamt bestehen für Behörden und Kontrolleure aber gewisse Handlungsspielräume bei der Überwachung. Beispielsweise können bei Verstößen auch niedrigere Kürzungssätze unter 3 Prozent angewandt werden. Zu unterscheiden ist zwischen 

  • Erstverstößen, 
  • Wiederholungsverstößen, 
  • vorsätzlichen Verstößen.

Diese Kürzungen und Strafen drohen bei Erstverstößen

Werden Verstöße gegen Vorschriften und Pflichten festgestellt, kommen gekürzte EU-Zahlungen in Betracht. Das betrifft bei den Direktzahlungen die Basisprämie, die Erste-Hektar-Förderung, die Junglandwirte-Prämie, womöglich noch die Öko-Regelungen, die gekoppelte Tierprämie und gegebenenfalls auch die Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (AUKM) sowie die Ausgleichszulage. 

  • Bei einem fahrlässig begangenen Erstverstoß beträgt die übliche Kürzung 3 Prozent.
  • Bei mehreren fahrlässigen Erstverstößen werden die Kürzungssätze zusammengezählt. Sie dürfen aber insgesamt 5 Prozent nicht überschreiten, wenn keine schwerwiegenden Folgen zu erwarten sind.
  • Bei einem nicht vorsätzlich begangenen Erstverstoß wird die Kürzung auf 1 Prozent reduziert. Das liegt aber im Ermessen der Behörden.

Wann das volle Streichen von Beihilfen möglich ist

Lösen Verstöße schwerwiegende Folgen oder eine direkte Gefahr der öffentlichen Gesundheit oder der Tiergesundheit aus, können die Beihilfen noch weiter gekürzt werden. Die sogenannte Kappungsgrenze einer Gesamtkürzung wird dann von 5 auf 10 Prozent erhöht

Im Falle von wiederholten Verstößen werden in der Regel 10 Prozent einbehalten. Auch bei mehreren fahrlässigen Wiederholungsverstößen werden die Kürzungssätze addiert, dürfen aber in der Summe 20 Prozent nicht überschreiten. 

Ein vorsätzlicher Verstoß liegt vor, wenn derselbe Verstoß ohne stichhaltige Begründung weiter wiederholt auftritt. In solchen Fällen beträgt die Regelkürzung mindestens 15 Prozent. Je nach Häufigkeit, Ausmaß, Schwere und Dauer kann sie auf bis zu 100 Prozent ausgedehnt werden. Das geht zum Beispiel bei mehreren vorsätzlichen Verstößen in einem Kalenderjahr.

Wenn Satellitendaten nicht mit Angaben im Flächenantrag übereinstimmen

Stimmen die Satellitendaten nicht mit den Angaben im Antrag überein, erhalten die Landwirte Rückmeldungen per Mail oder Handy-App. Das funktioniert in einzelnen Bundesländern unterschiedlich schlecht: viele Landwirte wurden zum Teil überflutet mit zu erledigenden Prüfaufträge. 

Unklare Sachverhalte sollen mit dem Versenden von georeferenzierten Fotos geklärt werden. Bei Unstimmigkeiten zur betreffenden Fläche können Landwirte dann in einigen Ländern mit einer App ein Foto aufnehmen, das die Flächenkoordinaten mitspeichert.  Allerdings lässt sich derzeit nicht flächendeckend davon sprechen, dass die Behörden voll dazu in der Lage wären, den Landwirten dafür technisch ausgereifte, einfach nutzbare Handy-Apps anzubieten. 

Warum die Satellitenüberwachung bei vielen Landwirten verhasst ist

Die Interessenorganisation Freie Bauern bezeichnet die Satellitenüberwachung schon als „Sargnagel für das EU-Subventionssystem“. „Die ohnehin geringe Akzeptanz der Agrarsubventionen im Berufsstand sinkt mit diesem Bürokratiemonster auf den Nullpunkt“, sagt Jann-Harro Petersen. In schwierigsten Ernte 2023 verlangten die Ämter vieler Länder, Unstimmigkeiten mit georeferenzierten Fotos zu klären.

Der Milchviehhalter aus Tating in Schleswig-Holstein ärgert sich über Kontrollen aus dem All: „Weil die Datenverarbeitung der EU zu dumm ist, Kleegras von Wiesengras zu unterscheiden, muss ich mir eine App aufs Mobiltelefon laden, Fotos der Fläche machen und diese dem Amt übermitteln. Als hätte ich gerade sonst nichts zu tun.“

Die flächendeckende Satellitenüberwachung sei im Grunde „eine Unverschämtheit, weil damit unterstellt werde, die im Agrarantrag gemachten Angaben würden nicht der Wahrheit entsprechen“. Satellitenfotos und Apps seien „widerwärtige Auswüchse“ eines Systems, das Landwirten schon lange nicht mehr nütze.

Mit Material von AgE, DBV, Freie Bauern
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Mehrfachantrag: So rechnet sich die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)

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