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Züchtungsfortschritt

Getreideaussaat: Warum akzeptieren Landwirte gesunde Sorten nicht?

Gesunde Sorten sind nicht immer die ertragsstärksten. Viele Anbauer vertrauen Fungiziden und dem Pflug mehr als der Sorte. Letztlich ist es eine Kosten-Nutzen-Abwägung.
am Mittwoch, 07.06.2023 - 11:04 (19 Kommentare)

Fusarium und deren Pilzgifte sind ein echtes Problem. Warum vertrauen die Anbauer den fungiziden oft mehr als gesunden Sorten? Darüber diskutieren Landwirte, Wissenschaftler und Berater auf Twitter.

Hoher Ertrag und Resistenz gegen Pflanzenkrankheiten sind in der Pflanzenzüchtung oft gegenläufige Züchtungsziele, die sich nicht leicht vereinbaren lassen. Praktiker diskutieren auf Twitter, warum gesunde Sorten so wenig Akzeptanz in der Praxis haben.

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70 Prozent der Ackerflächen in Deutschland können laut einer Studie der Universität Hohenheim von Fusarium befallen sein. Obwohl Epidemien nur in einigen Jahren und regional auftreten, werden DON und ZEA jedes Jahr in unterschiedlichen Mengen nachgewiesen.

Fusarium: Warum nur ein geringer Züchtungsfortschritt?

Um die strengen Richtwerte von Mykotoxinen wie Deoxynivalenol (DON) und Zearalenon (ZEA) einzuhalten, hat die Züchtung auf Fusariumresistenz bei Weizen und Triticale eine hohe Priorität. Dennoch fällt der Züchtungsfortschritt hier sehr gering aus. Das haben die Wissenschaftler um Prof. Thomas Miedaner untersucht.

Zwei Gründe gibt es dafür: Einerseits ist die Vererbung der Fusariumresistenz besonders kompliziert und andererseits enthalten ertragsstarke Sorten häufig einen Teil Erbgut, der Anfälligkeit fördert.

Aktuell haben 23 von 172 in Deutschland zugelassenen Weizensorten für Ährenfusarium die guten Noten 2 und 3 auf der neunstufigen Skala des Bundessortenamts. Die Bestnote 1 ist nicht vergeben. Diese Topsorten machen aber nur einen Anteil von 11 Prozent der Vermehrungsflächen in Deutschland aus.

Praktiker diskutieren: Warum werden gesunde Sorten nicht angebaut?

Gesunde Sorten werden in der Praxis nicht angenommen, beobachtet Prof. Friedrich Longin von der Universität Hohenheim und fragte bei Twitter nach den Gründen.

Agrarbloggerin Susanne Günther hinterfragt, ob sich die Vorteile resistenter Sorten auch betriebswirtschaftlich darstellen ließen. Gesunde Sorten seien möglicherweise auch nicht für jeden Standort geeignet und hätten besondere Ansprüche an den Boden oder eine nicht ausreichende Winterhärte. Die Frage sei auch, ob die Resistenz ausreichend stabil sei.

„Resistenzschwächen werden hingenommen und mit Fungiziden aufgefangen“

Für Hendrik Hanekamp, Berater der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, sind resistente Sorten die Basis für einen integrierten Pflanzenschutz. Sie trügen dazu bei, den Einsatz von Fungiziden zu reduzieren.

Eine mangelnde Akzeptanz besonders gesunder Sorten hängt für ihn mit Qualitätsparametern wie dem Rohproteingehalt, der Fallzahl und der Fallzahlstabilität zusammen. Für die Mühlen seien das nach wie vor die wesentlichen Vergütungskriterien, für den Anbauer der Absolutertrag in dt/ha entscheidend.

Häufig rentiere sich ein einmaliger Fungizideinsatz, um punktuelle Resistenzlücken zu schließen. Hanekamp stellt fest, dass beispielsweise für Gelbrost und Mehltau das Winterweizensortiment in den letzten Jahren gesünder geworden sei und dieser Züchtungsfortschritt auch bei den Praktikern ankomme.

Dennoch würden häufig die ertragsstärksten Sorten mit punktuellen Resistenzschwächen gewählt, um diese mit Fungiziden aufzufangen. „Es rechnet sich halt“, sagt Hanekamp.

„Vertrauen in Fungizide und Pflug ist groß“

Tim Seyfferth vermutet, dass hinter dem zurückhaltenden Einsatz gesunder Sorten das Vertrauen in Fungizide und Pflug stecke, obwohl beide nur Teillösungen seien und eine punktgenaue Anwendung erforderten. Er hinterfragt, ob auch Resistenzen nur Teillösungen seien, auch weil sich Fusarien schnell anpassten.

Twitter-User Dominik stellt fest, dass Fusarium in vielen Regionen kein Thema sei. Eine Ausnahme seien Süd- und Westdeutschland aufgrund unterschiedlicher Risikofaktoren wie Niederschlag in der Blüte oder Mais als Vorfrucht. Andere Sorteneigenschaften würden bei der Sortenwahl überwiegen, sagt der Landwirt.

Mit Material von Twitter, Universtität Hohenheim, Bundessortenamt

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