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Hafer und Dinkel: Deutlicher Ertragszuwachs, aber Erlöse im Keller

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am Samstag, 02.07.2022 - 06:09 (Jetzt kommentieren)

Beide haben Vorteile auf dem Acker und auf dem Teller - doch die Preisabstände zu den großen Marktfrüchten sind aktuell besonders hoch. Darum warben Züchter und Verarbeiter auf den DLG-Feldtagen für diese „Kulturen mit Zukunft“.

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Hafer als Lebensmittel boomt. Von 2008 bis 2018 ist die Menge an Hafer, der in den deutschen Hafermühlen zu Haferflocken, Haferkleie oder anderen Erzeugnissen verarbeitet wurde, um 70 % auf rund 500 000 t gestiegen. Im gleichen Zeitraum sind aber die Anbauflächen in Deutschland um 22 % und die Haferernte um 27 % gesunken. Der Bedarf der Lebensmittelindustrie kann nicht durch die heimische Produktion gedeckt werden, darum wird jährlich Hafer importiert - vor allem aus Skandinavien. Allein 2018 wurden 557 000 t Hafer nach Deutschland importiert.

Da stellt sich die Frage, warum Deutschlands Landwirte nicht am Haferboom teilhaben haben wollen. Zumal der Hafer auch auf dem Acker Vorteile bringt. Die Gesundungsfrucht kann Fruchtfolgen erweitern und wird weniger intensiv geführt als beispielsweise Weizen. Hinzu kommt ihr guter Vorfruchtwert.

Beim Haferforum der Initative "Hafer, die Alleskörner" waren mit der Rubin-Mühle und Brüggen gleich zwei Haferverarbeitungsunternehmen vertreten. Beide bestätigten die enorm gestiegene Nachfrage an Haferprodukten - und betonten, dass sie die Ausdehnung des heimischen Anbaus befürworten.

Schälhafer braucht ausreichend Wasser

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Wer an Schälmühlen liefern will, muss allerdings auch gewisse Qualitätsanforderungen erfüllen, wie Thomas Staffen von der Rubin-Mühle verdeutlichte. Neben dem Ertrag hat dabei das Hektolitergewicht als Indikator für die Kernausbeute eine wichtigte Rolle. Das Hektolitergewicht sollte bei mindestens 52-54 kg/hl liegen.

Thomas Staffen weiß aber auch, dass Hafer mit weitaus schlechteren, aber auch deutlich besseren Hektorlitergewichten angeliefert werden - die Spanne liege zwischen 35 und 72 kg/hl. Diese Spanne deutet schon darauf hin, dass das Hektolitergewicht stark von äußeren Einflüssen bestimmt wird: Damit der Hafer gute Erträge und gute Qualitäten liefern kann, benötigt er vor allem relativ viel Wasser – zu warm sollte es ihm aber auch nicht werden.

Verglichen mit der Sommergerste reagiert Hafer empfindlicher auf Wassermangel und Hitze. Optimal für den Schälhaferanbau ist eine kühle, milde Witterung sowie eine langsame Abreife. Auf Böden mit schlechter Wasserführung oder in Regionen mit besonderer Neigung zur Frühsommertrockenheit sollte also eher kein Schälhafer angebaut werden.

Beachtet man die ackerbaulichen Vorteile von Hafer, kann auf solchen Standorten der Futterhaferanbau aber trotzdem sinnvoll sein, ist der Getreideexperte der LfL, Lorenz Hartl, überzeugt.

Enorme Zuchtfortschritte beim Dinkel in 25 Jahren

Im Gegensatz zum Hafer unterbricht der Dinkel zwar nicht die typischen Weizenkrankheiten - was die Frühsommertrockenheit angeht, ist er aber robuster. Ebenso wie der Hafer, punktet auch der Dinkel mit seinem Gesundheitsvorteil bezogen auf die menschliche Ernährung.

Aber auch die Dinkel-Züchter können punkten, wie Dr. Norbert Starck, Zuchtleiter Getreide und Soja bei der PZO-Pflanzenzucht Oberlimpurg, weiß: Innerhalb von rund 25 Jahren konnten die Standfestigkeit und Verarbeitungsqualität verbessert werden - und gleichzeitig der der Ertrag um 20 dt/ha durch Zucht und intensivere Bestandesführung angehoben werden. Diese Zahlen ließen die Zuhörer des Dinkelforums der IG Pflanzenzucht bei den DLG-Feldtagen nicht schlecht staunen.

9 Fakten zur Getreidezüchtung

Verarbeiter bestimmen die Sortenwahl

Welche Sorten dann letztendlich verarbeitet werden, entscheiden aber die Mühlen. Sie bestimmen, welche Sorten sie für den Vertragsanbau zulassen. Ulrike Seibold, zuständig für den Getreideeinkauf bei der Schapfenmühle erklärte, dass dazu unter anderem die Mehle der interessanten Sorten in der Mühle verbacken und getestet werden. Sie betonte, dass der Dinkelmarkt stetig wachse - und „hoffentlich auch in Zukunft weiterwächst“.

Neben der Nachfrage nach Dinkel hat aber auch der Anbau zugenommen, wie Wolfgang Nusser, zuständig für die Getreidevermarktung bei der BayWa Dettelbach, erklärte.

Zur Ernte 2021 wurden in Bayern 62 000 ha Dinkel angebaut, in Baden-Württemberg waren es 27 000 ha – und gleichzeitig wurde der Dinkelanbau in Norddeutschland stark ausgedehnt. „Ich will jetzt nicht sagen, dass das zu einer Dinkelschwemme geführt hat, aber es gab einen gewissen Dinkelüberhang“, fasste Nusser zusammen. Trotzdem sein noch eine Vermarktung möglich gewesen.

Preisvergleich: Dinkel kann nicht mithalten

Spannender als der Blick zurück, ist aber der Blick auf die Ernte 2022: Den enormen Preissprung, den der Weizen gemacht hat, konnte der Dinkel nicht nachmachen. Zwar könne man Dinkel mittlerweile auch international verkaufen - rund 80 % der Menge werde aber in Deutschland verkauft.

Da sei es klar, dass der Dinkel nicht mit den Preisen der großen, international gehandelten Kulturen mithalten könne, erklärte Nusser. Die Erzeugerpreise für Bio-Dinkel liegen nach seinen Worten derzeit etwa 100 €/t über dem Preis für konventionelle Ware. Aktuell liege der Dinkelpreis (konv.) für die Ernte 2022 zwischen 270 und 290 €/t - der Weizen bei 380 € und der Raps bei 750 €.

„Derzeit kann also der Dinkel nicht mithalten. Spannend wird es für die Ernte 2023. Wie verhalten wir uns, als Erfassungshandel und in der Verarbeitung, damit auch wieder gewisse Anteile Dinkel ins Feld kommen?“, stellte Nusser die Frage in den Raum, die auch den Anbauern unter den Nägeln brennt.

Langfristig gesehen eine Kultur mit Zukunft

Natürlich appelierten die Branchenvertreter, dem Dinkel trotz der aktuellen Preisabstände zu den großen Marktfrüchten treu zu bleiben - denn der Dinkel als heimisches Produkt für hochwertige Lebensmittel habe Zukunft.

Stephanie Franck von der PZO Pflanzenzucht Oberlimpurg und Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter fügte dem hinzu: „Die Bedeutung von tierischen Produkten in der menschlichen Ernährung wird sinken, während die Bedeutung von hochwertigem pflanzlichen Eiweiß steigen wird - und hier hat der Dinkel eine wichtige Rolle.“

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