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Getreide

Klimawandel: Schub in der Weizenzüchtung ist notwendig

am Dienstag, 17.05.2011 - 10:29 (Jetzt kommentieren)

Berlin - Die Bemühungen um Ertragssteigerungen im Weizen stehen zunehmend unter dem Eindruck von Klimaveränderungen auch in gemäßigten Breiten.

Das ist vergangene Woche beim Pflanzenzüchtungstag des Deutschen Bauernverbandes (DBV) in Berlin deutlich geworden. Prof. Gerhard Wenzel von der TU München bezeichnete dort die zunehmende Frühsommerhitze, vor allem im kontinentalen bayerischen Klima, als zentralen Grund für die Ertragsstagnation seit den neunziger Jahren. Bedingt werde dies durch die extreme Hitzeempfindlichkeit der Weizenblüte. „Temperaturen von über 25 °C führen zu schlechter Kornfüllung und damit zu Mindererträgen“, erläuterte Wenzel. Als Ziel gab er die Vermeidung von Hitzestress während der Kornfüllung durch früheres Blühen aus. „Vom Sommer- einiges in den Winterweizen hinüberziehen, das ist der Weg auf dem wir sind“, so der Wissenschaftler. Da Hitze aber oft mit Trockenheit gekoppelt auftrete und nach den Prognosen des Klimawandels durchaus öfter, müsse auch eine Anpassung an Trockenheit erfolgen.
 
Als Strategien benannte Wenzel in diesem Zusammenhang die Vermehrung der Wurzelmasse und die Erhöhung der Wassernutzungseffizienz. Der Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein und Vorsitzende des DBV-Fachausschusses für Saatgutfragen, Werner Schwarz, sieht für eine zweite „Grüne Revolution“, die er einforderte, die Züchtung am Zug. Düngung, Bodenbearbeitung und Pflanzenschutz seien so gut wie ausgereizt. „Bis 2050 müssen wir die Erträge bei Weizen und Reis mindestens verdoppeln“, sagte Schwarz.

Weizen durch Erhöhung der Wurzelmasse besser an Trockenheit angepasst

Die Ertragsstagnation beim Weizen führte Wenzel ebenfalls darauf zurück, dass der Weizen auch auf Böden gegangen sei, „wo er früher nicht zuhause war“. Gepaart mit den weiteren Faktoren hat dies dazu geführt, dass der Mais beim Ertrag den Weizen zu Beginn des neuen Jahrtausends überholt hat. Fortschritte in der Anpassung des Weizens auf Frühsommertrockenheit sieht Wenzel bereits im Bereich der Wurzelmasseerhöhung. Hier seien die Erfolge schon in Sorten sichtbar, betonte Wenzel mit Blick auf die besondere Leistungsfähigkeit von Hybridweizen.

Modellpflanze Arabidopsis als Vorbild

Die Erhöhung der Wassernutzungseffizienz spiele sich noch auf dem Niveau der Modellpflanze Arabidopsis ab. Bei dieser Pflanze sei aufgeklärt, wie die Wurzel das Signal Wassermangel an die Spaltöffnungen weitergebe, woraufhin sich diese schnell schlössen. Es sollte jetzt gelingen, dieses Signal früher, stärker oder schneller zu machen, so dass sich die Spaltöffnungen früher schlössen und so die Verdunstung reduzierten. Gene auf dem Weizengenom kartiert „Pflanzen gehen in der Regel recht verschwenderisch mit Wasser um, so dass eine leichte Bremsung der Wasserabgabe keine störenden Nebeneffekte haben sollte“, erklärte Wenzel.
 
Auf Nachfrage erläuterte der Freisinger Wissenschaftler, dass neben Arabidopsis nunmehr auch der dem Reis nahen Modellpflanze Brachypodium speziell für Getreide großer Nutzen für die Forschung zugeschrieben wird. Allerdings seien die Kenntnisse dazu noch lückenhaft. An Arabidopsis wurde dem Wissenschaftler zufolge das Zusammenspiel von Licht, Temperatur und Sortengenotyp sehr weitgehend aufgeklärt. Das Wissen werde derzeit auf Getreide übertragen. Für die Feinregulation des Blühzeitpunkts sind laut Wenzel die Eps-Gene verantwortlich, die jetzt auf dem Weizengenom kartiert worden seien.

Landessortenversuche beibehalten

Schwarz ging neben der steigenden Nachfrage für den Lebensmittelbedarf auch auf die Bioenergieproduktion ein. „In den nächsten zehn Jahren muss der Trockenmasseertrag bei Mais auf mindestens 25 Tonnen pro Hektar steigen“, so der Präsident des Landesbauernverbandes Schleswig-Holstein, der sich auch der Kritik am Mais annahm. Die Züchtung sieht er gefordert, an Alternativen zum Mais zu arbeiten. „Unsere Fruchtfolgen müssen vielfältiger werden“, verlangte Schwarz. Laut seiner Einschätzung stehen die Züchtungsziele für die Biogasproduktion in Konflikt mit den Züchtungszielen für die Nahrungsmittelproduktion. Deshalb dürfe die Züchtung neben Klimawandel und Energieproduktion die Ertragssteigerung nicht aus den Augen verlieren.
 
Generell betonte er die Bedeutung regional an den Standort angepasster Sorten. Deshalb seien auch die Landessortenversuche unbedingt beizubehalten, erklärte Schwarz vor dem Hintergrund von Diskussionen in der Europäischen Union, im Zug einer Bündelung von Richtlinien möglicherweise auch die Zertifizierung mit einzubeziehen. Mit Blick auf die Debatten rund um Nachbau und Sortenschutz wandte sich Schwarz „gegen eine Ausspionierung über den Agrarantrag, wie es derzeit die Europäische Züchterorganisation (ESA) fordert“.

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