Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Landwirtschaft und Klimaschutz

Emissionen aus dem Acker: 40 Prozent weniger Treibhausgase als gedacht

Traktor aud dem Acker
am Donnerstag, 16.12.2021 - 13:50 (1 Kommentar)

Die Emissionen von Lachgas aus dem Acker sind in Deutschland viel niedriger als bisher gedacht. Im Nordwesten sind sie nicht einmal halb so hoch und im Nordosten erreichen sie nur reichlich ein Drittel der unterstellten Menge. Auch im Süden und Westen sind die Werte deutlich niedriger.

Traktor auf dem Acker

Für die Berechnungen der Emissionen wurden bisher die Angaben des Weltklimarates IPCC verwendet. Dieser ging davon aus, dass im globalen Mittel 1 % des Stickstoffeintrags durch synthetische Dünger, Wirtschaftsdünger oder Ernterückstände in Lachgas umgewandelt wird.

Dieser Emissionsfaktor kommt bisher auch bei der Berechnung der Treibhausgas-Emissionen aus der deutschen Landwirtschaft zum Einsatz. Es ist jedoch bekannt, dass dieser Wert regional sehr unterschiedlich sein kann. Das Thünen-Institut hat nun exakt gemessen und berechnet, wie hoch der Austrag wirklich ist.

Dazu wurden am Thünen-Institut die Messdaten aus vielen Feldstudien der letzten dreißig Jahre zusammengeführt und ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass die Emissionsfaktoren für Lachgas-Emissionen aus Stickstoffeinträgen auf Mineralböden überall in Deutschland niedriger sind als der bisher verwendete Wert von 1 % des eingetragenen Stickstoffs.

Im Südosten Deutschlands liegen sie bei 0,88 %, im Westen bei 0,72 %. Noch niedriger sind sie im Nordwesten mit 0,49 % und im Nordosten mit 0,39 %. Für Stickstoffeinträge auf organischen Böden (zumeist Moorböden) beträgt der deutschlandweite Emissionsfaktor 1,01 %.

Fast 40 Prozent weniger Emissionen als gedacht

Bodenbearbeitung Emissionen

Zur Berechnung der Lachgas-Emissionen werden die in der Landwirtschaft ausgebrachten Stickstoffmengen mit den neuen, regional geltenden Emissionsfaktoren multipliziert. Dabei zeigte sich, dass die düngungsinduzierten Lachgas-Emissionen im Durchschnitt 38 % niedriger sind als mit der bisherigen Methodik berechnet.

Ein hoher Anteil kommt nach wie vor aus Landkreisen mit viel landwirtschaftlicher Fläche, hohem Anteil an organischen Böden, viel Tierhaltung und/oder sehr hohen Ertragspotenzialen. Solche Landkreise finden sich in Norddeutschland, Bayern und im östlichen Baden-Württemberg.

Die neue Berechnung wird erstmalig für die Berichterstattung gemäß Bundesklimaschutzgesetz für das Jahr 2021 sowie für den Bericht an das UN-Klimasekretariat verwendet. Beide Dokumente werden im Frühjahr 2022 veröffentlicht. Die methodische Änderung führt dazu, dass die berichtete absolute Menge von Treibhausgas-Emissionen geringer sein wird.

Für die Landwirtschaft sind per Gesetz Emissionsobergrenzen festgelegt, die schrittweise absinken – von 70 Mio. t CO2-Äqu. (Kohlendioxid-Äquivalente) in 2020 auf 56 Mio. t CO2-Äqu. in 2030. Wäre die verbesserte Methodik bereits 2020 benutzt worden, hätte die berichtete Höhe der Emissionen 62 statt 66 Mio. t CO2-Äqu. betragen, immerhin 4 Mio. t CO2-Äqu. weniger.

Gesetzgeber könnte „nachjustieren“

Der Leiter der Arbeitsgruppe Emissionsinventare am Thünen-Institut, Dr. Roland Fuß, ordnet die Ergebnisse folgendermaßen ein: „Dass weniger Treibhausgas-Emissionen berichtet werden, bedeutet nicht, dass die Landwirtschaft weniger Anstrengungen unternehmen muss, ihren Anteil an den Gesamtemissionen zu mindern. Eine verbesserte Berechnung von Emissionen ist ja noch kein Beitrag zum Klimaschutz.“

Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber im Licht der neuen Berechnung den Zielwert für 2030 noch einmal nachjustiert. Es ist daher notwendig, weiter Minderungspotenziale umzusetzen. Dazu gehören die Verbesserung der Stickstoffeffizienz, ein optimierter Proteineinsatz in der Tierfütterung sowie Maßnahmen zur Minderung von Methan- und Ammoniakemissionen beim Wirtschaftsdüngermanagement.

Deutschland ist nach Angaben der Thünen-Wissenschaftler der zweitgrößte Verursacher von direkten Lachgas (N2O)-Emissionen aus bewirtschafteten landwirtschaftlichen Böden in Europa. Für 2019 meldete Deutschland direkte N2O-Emissionen von 67,29 kt N2O, was 14,8 % der europäischen N2O-Emissionen entspricht und nur von Frankreichs Beitrag von 19,1 % übertroffen wird (Europäische Umweltagentur, 2021).

Die direkten N2O-Emissionen aus landwirtschaftlich genutzten Böden betragen im Jahr 2019 71,21 % der gesamten N2O-Emissionen der deutschen Landwirtschaft, die die N2O-Emissionen aus der Tierhaltung und der Düngewirtschaft sowie die indirekten N2O-Emissionen aus der Nitratauswaschung und der N-Verflüchtigung umfassen. N2O-Emissionen aus landwirtschaftlich genutzten Böden werden im deutschen nationalen Treibhausgasinventar aufgrund ihres signifikanten Beitrags zu den Gesamtemissionen und der zeitlichen Entwicklung der Emissionen als „Schlüsselkategorie“ eingestuft (Umweltbundesamt, 2021).

Mit Material von Thünen-Institut

Kommentar

agrarheute.comKommentare werden geladen. Bitte kurz warten...