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Reportage

Mut zu weniger chemischem Pflanzenschutz

Ernst-Heinrich Brede_Sonnenblume
am Montag, 05.11.2018 - 06:36 (Jetzt kommentieren)

Von kurzfristigen ökonomischen Vorteilen lässt sich Landwirt Ernst-Heinrich Brede
nicht ablenken. Er konzentriert sich auf die Grundsätze der guten fachlichen Praxis. Vor allem hat er den Mut, Dinge anders zu machen – und den chemischen Pflanzenschutz halbiert.

Eigentlich hatte Ernst-Heinrich Brede keinen Grund zur Klage. Auf den fruchtbaren Lehmlössböden seines 130-ha-Betriebs nahe dem hessischen Fritzlar kam er mit seinen Zuckerrüben regelmäßig auf über 90 t/ha; beim Weizen erzielte er im Schnitt 85 dt/ha. Was ihn aber störte, war der große Aufwand, den er dafür betreiben musste. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass sich der intensive Pflanzenschutz oft gar nicht rechnet“, sagt Brede. „Ich wollte diesen Druck nicht mehr, alles auf maximalen Ertrag ausrichten zu müssen. Ich wollte etwas ändern, auch aus ökologischen Gründen.“ Das war vor mehr als 20 Jahren. Seitdem macht er viele Dinge anders.

Schon damals fiel ihm auf, dass er beim Stoppelweizen wesentlich mehr in den Pflanzenschutz investieren musste, um ­annähernd auf die Erträge des vorange­stellten Weizens zu kommen. Brede kam dabei das Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs in den Sinn. „Irgendwann ist der Aufwand für eine Behandlung einfach größer als der Nutzen. Und dieser Punkt war hier für mich erreicht“, berichtet er.

Brotroggen und Hafer neu in der Fruchtfolge

In seiner früheren klassischen Ackerfruchtfolge Blattfrucht-Weizen-Weizen ersetzte er deshalb den Stoppelweizen durch Brotroggen und nahm später auch noch Hafer mit auf.

Trotz guter Erträge von etwa 9 t/ha reicht der Roggen zwar wirtschaftlich nicht ganz an den Weizen heran, passt aber perfekt in das pflanzenbauliche Konzept von Brede. „Für den anspruchslosen Roggen stecke ich im Schnitt ein Drittel bis die Hälfte weniger in den Pflanzenschutz als beim Weizen.“ Zudem geht bei ihm der hohe Vorfruchtwert des Roggens mit in die Bewertung ein.

Noch deutlicher sind die Effekte von Vorfruchtwert und Pflanzenschutzeinsparung beim Hafer, der bei ihm auf Weizen oder ­
Roggen folgt. Deshalb ist Hafer als Gesundungsfrucht fester Bestandteil seiner Fruchtfolge.

Erbsen für die Fruchtfolge und den Schweinemagen

Für eine zusätzliche Auflockerung der Fruchtfolge sorgen 5 ha Futtererbsen. Die baut Brede als heimisches Eiweißfutter für seine 300 Mastschweine an. Als großes Plus sieht Brede die Stickstoff (N)-Bindung der Leguminose, die er mit etwa 50 kg N/ha ansetzt und bei der Düngung zum Weizen voll anrechnet. Der Pflanzenschutz beschränkt sich auf eine Herbizidanwendung nach der Aussaat.

Sommerungen eröffnen neue Möglichkeiten

Sommerungen fallen zwar ertragsmäßig gegenüber den Winterungen ab, eröffnen Brede aber die Möglichkeit, seine Fruchtfolge um interessante Kulturen zu erweitern. Dies wirkt sich wiederum sehr positiv auf die Gesundheit der bestehenden Fruchtfolgeglieder aus. „Ganz nebenbei kann ich damit auch noch Arbeitsspitzen auf dem Betrieb entzerren“, sagt Brede. Deshalb spielt er zurzeit mit dem Gedanken, Braugerste als weitere Kultur aufzunehmen.

Dank Pflug und Striegel kein Problem mit Ackerfuchsschwanz

Neben der Ausdehnung der Fruchtfolge drehte Brede an seiner Bodenbearbeitung, um den chemischen Pflanzenschutz einzuschränken. „Wir arbeiten vor der Saat fast ausschließlich mit dem Pflug“, betont der Landwirt. Damit senkt er nicht nur den Unkrautdruck, sondern beugt durch das Unterpflügen der Erntereste auch Fuß- und Halmkrankheiten in Weizen vor.

Sein zweiter Trumpf ist der Striegel. Im Weizen, aber auch bei Gerste und Roggen, sind zwei bis drei Einsätze bis zur Ernte die Regel. Damit spart er nicht nur die Hälfte des üblichen Herbizidaufwands, sondern beugt auch Resistenzen gegenüber Problemunkräutern vor.

Auch bei den Aussaatterminen für das Wintergetreide folgt er nicht den Mustern anderer Betriebe im Raum Nordhessen. Ernst-Heinrich Brede ist mit dem Säen meist einen Monat später dran und hat gute Gründe. „Der Unkrautdruck ist durch die späte Saat viel geringer und damit natürlich auch der Bekämpfungsaufwand. Eine Herbstspritzung brauche ich deshalb nie. Und ertragsmäßig macht es gar keinen Unterschied.“ Zudem nutzt er die zusätzlichen Wochen vor der Aussaat, um auflaufende Unkräuter und Gräser wie den Ackerfuchsschwanz durch einen zusätzlichen Bodenbearbeitungsschritt zu entfernen.

Keine routinemäßigen Insektizidspritzungen

Sehr ernst nimmt Brede auch das Thema Schadschwellen. Insbesondere beim Raps behagten ihm die routinemäßigen Insektizidanwendungen, sobald beispielsweise die ersten Rapsglanzkäfer auftauchten, nicht.

Inzwischen kommt er mit einer Insektizidspritzung aus. Damit beginnt er aber erst bei einem Befall, der deutlich über den gängigen Schadschwellen liegt. So verzichtete er in diesem Jahr auf  1 ha Raps komplett auf Insektizide und erzielte dennoch hervorragende Erträge. Auf einem anderen Schlag zeigte sich dagegen massiver Befall, den er aber mit einer späten Spritzung ohne größere Ertragseinbußen in den Griff bekam.

Um die übliche Blatt- und Blütenspritzung kommt er dagegen nicht herum. Dafür verzichtet er im Raps auf Wachstumsregler und baut stattdessen ausschließlich kürzere Sorten an.

Bis zu 50 Prozent weniger Pflanzenschutzmitteleinsatz

Mit seinem Ansatz gelingt es Brede, den Aufwand für den Pflanzenschutz um ein Drittel, zum Teil sogar um die Hälfte zu reduzieren. Dem gegenüber steht ein durchschnittlicher ­Ertragsrückgang von etwa 10 Prozent über alle Kulturen. Nach seiner Erfahrung gleichen sich die Ersparnis bei den Betriebs­mitteln und der entgangene Ertrag auf lange Sicht aus.

Ernst-Heinrich Brede weiß, dass er den Ackerbau nicht neu erfunden hat. Im Grunde wendet er das vorhandene Wissen der guten fachlichen Pflanzenbaupraxis und des integrierten Pflanzenbaus einfach sehr konsequent an. Nach über 20 Jahren Erfahrung mit diesem Ansatz kann er guten Gewissens behaupten, dass es für ihn funktioniert.

Pflanzenschutz mal anders

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