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Parallelhandel

Pflanzenschutzmittel im Ausland kaufen: Was ist erlaubt?

Illegaler Handel mit Pflanzenschutzmitteln in Polen
am Samstag, 12.02.2022 - 15:10 (2 Kommentare)

Auf dem polnischen Straßenmarkt Pflanzenschutzmittel besorgen? Experten aus Brandenburg berichten von Verboten und Ausnahmen. Gefährlich wird es bei gepanschten Mitteln.

Über die Grenze und in Polen oder Tschechien auf dem Straßenmarkt Pflanzenschutzmittel einkaufen – ist das erlaubt? Oder stehe ich mit einem Bein im Gefängnis? Der Pflanzenschutzdienst des Landesamtes für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung (LELF) in Brandenburg bringt Licht ins Dunkel.

Beispiel Polen: Illegale Importe von Pflanzenschutzmitteln

Straßenmarkt in Polen mit illegalem Verkauf von Pflanzenschutzmitteln

Viele Kleingärtner und Bauern, die in Grenznähe wohnen und im Ausland Pflanzenschutzmittel kaufen, kennen die Rechtslage zu wenig. Das zeigen Kontrollen des Zolls, der in Brandenburg intensiv mit dem LELF zusammenarbeitet.

Zugleich ist der Markt mit gefälschten Pflanzenschutzmitteln riesig und birgt Risiken für die Gesundheit von Anwender und Naturhaushalt.

Am Beispiel Polen stellt das LELF die geltenden Regeln vor. Demnach ist die Einfuhr nach Deutschland und die Anwendung polnischer Pflanzenschutzmittel in Deutschland in der Regel illegal. Es gibt nur wenige Ausnahmen.

Eigene Einfuhr und Anwendungen sind grundsätzlich verboten

Zwei Kernfragen und zweimal die gleiche Antwort:

Dürfen Pflanzenschutzmittel aus dem EU-Ausland nach Deutschland mitgebracht werden?

Grundsätzlich nein.

Dürfen sie in Deutschland eingesetzt werden?

Grundsätzlich nein.

Welche Ausnahmen gelten für die Einfuhr von Pflanzenschutzmitteln?

Für beide Fragen und beide „Neins“ gibt es einige wenige Ausnahmen:

  1. Parallelhandel: Wenn Parallelhändler im Ausland zugelassene Pflanzenschutzmittel offiziell einführen, ausreichend umkennzeichnen und die Mittel baugleich, also identisch mit einem in Deutschland zugelassenen Referenzmittel sind, dürfen Landwirte sie auch im deutschen Fachhandel erwerben und legal einsetzen.
    Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) muss die Einfuhr allerdings genehmigen, siehe § 46 bis 48 Pflanzenschutzgesetz (PflSchG). Die Genehmigung für den Parallelhandel ist kostenpflichtig (90 bis 910 Euro). Die Gebühr wird jeweils auf Basis des erforderlichen Arbeitsaufwandes festgesetzt.
  2. Eigenbedarf: Landwirte dürfen Mittel für den Eigenbedarf erwerben und anwenden, wenn sie „baugleich“ zu einem in Deutschland zugelassenen Referenzmittel sind.
    Ähnlich wie Parallelhändler müssen sie sich die Einfuhr allerdings vom BVL genehmigen lassen, siehe § 51 Absatz 1 und 2 PflSchG. Die Behörde stellt nach der Genehmigung einen Vermerk „nur zur Anwendung im Betrieb des Antragstellers“ aus. Der Inhaber der Genehmigung muss über die deutsche Gebrauchsanleitung des Referenzmittels verfügen.
  3. Versuchszwecke: Auch für Versuchszwecke dürfen Pflanzenschutzmittel mitgebracht und verwendet werden (genehmigungspflichtig, §20 PflSchG).

Warum sind Pflanzenschutzmittel nicht automatisch in Nachbarländern zugelassen?

Die Gesetzgebung zu Pflanzenschutzmitteln soll einerseits Kulturpflanzen vor Schäden schützen. Gleichzeitig sind aber Gefahren für die Gesundheit von Mensch, Tier und Natur abzuwenden.

Strenge und zweckmäßige Regelungen zum Einsatz sollen den hohen Schutz von Gesundheit und Naturhaushalt gewährleisten. Das passiert auf zwei Ebenen:

  • Die Genehmigung des Wirkstoffs auf EU-Ebene steckt den Rahmen ab. Nur Mittel mit in der EU genehmigten Wirkstoffen dürfen in den Mitgliedsstaaten zugelassen werden.
  • Jeder Mitgliedsstaat gestaltet die eigentliche Mittelzulassung mit Regeln zum Schutz von Gesundheit und Naturhaushalt. Aufgrund verschiedener Anforderungen in jedem Mitgliedsstaat können diese unterschiedlich aussehen.

Daher ist ein in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassenes Mittel nicht automatisch auch in Deutschland zugelassen.

So funktioniert der legale Parallelhandel von Herbiziden, Fungiziden und Co.

Manche Pflanzenschutzmittel werden „baugleich“ in mehreren EU-Mitgliedsstaaten vertrieben. Die genauen Anwendungsbestimmungen unterscheiden sich jedoch zwischen den Ländern.

Der genehmigungspflichtige sogenannte Parallelhandel eröffnet Möglichkeiten zum Vertrieb solcher Mittel zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Das Genehmigungsverfahren stellt sicher, dass alle deutschen Regelungen zum Produkt nach der Einfuhr beachtet werden (siehe §§ 46 bis 48 PflSchG).

Pflanzenschutzmittel: Beschriftung in deutscher Sprache ist Pflicht

Die erste Säule zum Schutz von Gesundheit und Natur ist der Erlass der Anwendungsbestimmungen. Die zweite Säule ist deren Umsetzung.

Jeder einzelne Anwender muss diese Vorschriften kennen und umsetzen. Deshalb müssen in Deutschland die deutschen Bestimmungen unverwischbar und in deutscher Sprache auf den Endverpackungen der Pflanzenschutzmittel angebracht sein (siehe § 31 Absatz 1 und 2, PflSchG).

Das ist bei mitgebrachten Pflanzenschutzmitteln aus dem Ausland regelmäßig nicht der Fall, weshalb sie in Deutschland nicht zugelassen sind.

Wie erkenne ich Pflanzenschutzmittel aus dem Ausland?

Parallel gehandelte Pflanzenschutzmittel müssen, wie oben beschrieben, auf Deutsch beschriftet sein. Dazu dürfen die Mittel sogar komplett neu etikettiert werden.

Doch wie erkennt man dann, ob ein Pflanzenschutzmittel aus dem Ausland importiert wurde, also aus dem Parallelhandel stammt? Aufschluss gibt die Genehmigungsnummer (GP-Nummer), mit denen die Behälter gekennzeichnet sein müssen.

Die GP-Nummer setzt sich aus der Zulassungsnummer des Referenzmittels, einem Schrägstrich sowie einer dreistelligen Nummer zusammen, beispielsweise 024395-00/001. Mittel mit einer deutschen Zulassung tragen nur die neunstellige Zulassungsnummer, im Beispiel 024395-00.

Kriminell: Gefälschte Pflanzenschutzmittel

Straßenmarkt in Polen mit Pflanzenschutzmittelverkauf

Unter den vom Zoll ans LELF übergebenen Fällen waren auch gefälschte, also illegale Pflanzenschutzmittel, die auch in Polen über keine Zulassung verfügen. Durchgeführte Laboranalysen bestätigten den Verdacht: Die Wirkstoffgehalte entsprachen nicht den Aufdrucken auf den Etiketten.

Neben gefälschten polnischen Etiketten fanden die Behörden auch Etiketten in deutscher Sprache auf gefälschten Mitteln.

Im Rahmen von Kontrollen wurde auch ein Pflanzenschutzmittel aufgefunden, das einen in der EU seit 2020 nicht mehr genehmigten Wirkstoff enthielt.

Der Europäische Pflanzenschutzverband ECPA schätzt, dass bis zu 10 Prozent der in der EU eingesetzten Pflanzenschutzmittel Fälschungen von Markenprodukten sind.

Um originale Behälter zweifelsfrei erkennen zu können, setzen die Hersteller auf Etiketten mit Wasserzeichen und verwenden Verschlusssiegel mit optischen Sicherheitsmerkmalen und QR-Codes. Diese kann der Anwender scannen und sich so beim Hersteller die Echtheit des Pflanzenschutzmittels bestätigen lassen.

Manipulationssichere Verschlüsse sollen das Wiederbefüllen mit gefälschter Ware verhindern.

Probleme machen Heimanwender und Glyphosat

In den meisten Fällen handelte es sich um Totalherbizide und Insektizide gegen Blattläuse. In der Regel sind es Privatpersonen, die diese Mittel für den Eigenbedarf einführen wollen. Oft handeln sie in Unkenntnis der Gesetzeslage.

Es gib jedoch auch Importeure größerer Mengen, diese handeln manchmal auch „auf Bestellung“. Speziell für den Kleingärtner ist es schwierig, den Überblick auf diesem Gebiet zu behalten.

Besonders problematisch ist es, wenn Kleingärtner und Hobbylandwirte Profi-Abpackungen der Pflanzenschutzmittel erwerben.

Werden diese hoch konzentrierten Mittel durch nicht sachkundige Personen angewendet, die außerdem die polnischen Sicherheitshinweise nicht verstehen, ist eine für die eigene und fremde Gesundheit sowie für die Umwelt sichere Anwendung Glückssache.

Zoll und LELF arbeiten aus diesen Gründen in Brandenburg weiter intensiv zusammen. Ziel ist die sichere Anwendung geprüfter Pflanzenschutzmittel.

Mit Material von BVL, LELF Brandenburg, ECPA
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