Sind Pflanzenschützer süchtig nach Chemie? Hängen Sie an der (Feld)Spritze wie der Junkie an der Nadel? Sarah Wiener vermittelt diesen Eindruck. Die Ansicht der einstigen TV-Köchin trifft mich nicht, mögen Sie denken. Auch wenn sie einen Ökobetrieb in Brandenburg leitet und im EU-Parlament sitzt. Aber das ist weit gefehlt.
Die grüne Politikerin fungiert als Berichterstatterin der Brüsseler Volksvertretung für den schwammigen Verordnungsvorschlag zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (SUR) in sogenannten sensiblen Gebieten, den die EU-Kommission vorgelegt hat. Und der trifft fast jeden Ackerbauern.
Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln weiter umstritten
Beim Thema Reduktion von Pflanzenschutzmitteln geht es um Viel: Die chemischen Mittel sollen pauschal um mindestens die Hälfte gesenkt werden. Aber viele EU-Länder fordern dafür nun eine neue Folgenabschätzung. Da fürchtet Sarah Wiener eine Verzögerungstaktik für die umstrittenen Pläne.
Ihr Interview im Pressedienst AgraEurope bringt dabei so richtig auf den Punkt, was die grüne Ideologin von der Arbeit der Bauern und ihren Mühen zum Integrierten Pflanzenschutz wirklich hält, nämlich ganz offensichtlich sehr wenig. Da ist der Sturm der Entrüstung verständlich.
Der schwelende Konflikt zwischen Landwirtschafts- und Umweltausschuss im EU-Parlament ist dabei nicht gerade förderlich. Wer bei der bislang verkorksten SUR-Verordnung federführend ist, das ist eher zweitrangig, solange die Vorschriften wirklich Sinn machen. Aber das ist ganz und gar nicht der Fall.
Pläne zum Totalverbot von Pflanzenschutzmitteln auf der langen Bank?
Nicht nur das völlig überzogene Totalverbot von Pflanzenschutzmitteln in sensiblen Gebieten beweist, wie realitätsfern, aber auch langwierig Brüsseler Politik oft ist. Das Interview mit Wiener belegt, wie abgehoben und in diesem Fall sogar arrogant einzelne Akteure im EU-Parlament dabei offenbar agieren.
Wenn Sarah Wiener den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit einer Sucht vergleicht, dann offenbart das eher, wie inkompetent und ideologisch die Grüne auf die Arbeit konventioneller Ackerbauern blickt. Denn Süchtige sind krank. Sie brauchen Hilfe. Und sie tauschen sich schon gar nicht mehr fachlich aus.
Sie können keine vernünftigen Argumente mehr abwägen. Das gilt aber für konventionelle Ackerbauern definitiv nicht. Wenn eine Politikerin sie trotzdem mit Junkies vergleicht, dann ist die Absicht dahinter verwerflich: Sie diskreditiert den Andersdenkenden. Wer auf Chemie angewiesen ist, um vom Ackerbau leben zu können, wird einfach abgehalftert. Das geht gar nicht.
Eine ideologisch geprägte Sichtweise reicht für Problemlösungen nicht aus
Die Absicht der Interviewten, die gern Schlagzeilen macht, ist schwer zu ertragen. Ihre Ansicht ist zugleich anmaßend. Dass sich eine EU-Abgeordnete mit Gegnern in der Sache kompetent austauscht, sehe ich als eine Grundvoraussetzung der Demokratie. Ebenso, dass der EU-Agrarausschuss beim SUR-Vorschlag ein gleichberechtigtes Mitspracherecht fordert.
Wiener spricht beim Agrarausschuss aber von einer „Sparteninteressengruppe“, der man bei der SUR-Verordnung nicht die Gesetzgebung überlassen dürfe. Das ist an Intoleranz kaum zu überbieten. Da gehen die ideologischen Ideen komplett mit der Abgeordneten durch. Pflanzenschützer sind definitiv nicht süchtig nach Chemie.
Seit der Klimakrise arbeiten Ackerbauern längst an der Transformation
Wenn die grüne EU-Politikerin meint, „große Teile der konventionellen Landwirtschaft würden ohne entsprechende nachgewiesenermaßen toxische Pflanzenschutzmittel implodieren“, dann schlägt das dem Fass den Boden aus. Solche Sprüche offenbaren lediglich, wie weit sich Wiener und mit ihr viele Brüsseler Kollegen, Beamte und Entscheidungsträger vom Leben auf dem Acker und vom Schutz der Kulturen entfernt haben.
Dabei plagen sich Ackerbauern spätestens seit der Klimakrise damit, wie sie die sogenannte „Transformation“ auf ihren Feldern meistern können, und das nicht erst seit der geplanten SUR-Verordnung. Fatal: Wiener nennt beispielsweise „Mikrolandwirtschaft, Agroforstsysteme sowie die Permakultur oder die Mischkultur“ als Ausweg, dabei werden ausgerechnet diese Möglichkeiten in der „grüneren“ Gemeinsamen Agrarpolitik der EU am wenigsten bedacht.
Notfallzulassungen im Pflanzenschutz sind ein unverzichtbares Mittel
Empört haben mich besonders auch die Antworten zu den Notfallzulassungen. Wiener spricht dabei vom leider „üblichen Spiel der Pestizidindustrie“, es werde „etwas mit einigen Studien auf den Markt geworfen, und nach ein paar Jahren oder Jahrzehnten wird von den Prüfbehörden erst nach erfolgter Zulassung festgestellt, dass es nicht nur die Umwelt, sondern auch unsere Gesundheit und Fruchtbarkeit schädigt oder auf das Hormonsystem einwirkt“.
So viel Ahnungslosigkeit über die Zulassungsanforderungen im Pflanzenschutz hätte ich der Parlamentarierin nicht zugetraut. Von den wirtschaftlichen Nöten und berechtigten Sorgen der Betroffenen, die Erträge zu halten und Schädlinge oder Krankheiten in den Griff zu bekommen, ist da nicht die leiseste Spur. Schon gar nicht von den immer neuen Hürden für die Zulassung von Präparaten.
Beim Ringen um das richtige Maß im Pflanzenschutz braucht niemand ideologische Sprüche. Was zählt sind wissenschaftsbasierte Fakten. Laut Sarah Wiener liegt „das gegenwärtige Agrarsystem am Boden“. Der Ansicht bin ich ganz und gar nicht. Kein Ackerbauer hängt wie ein Süchtiger an der (Feld-) Spritze!
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