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Forschung

Weniger düngen: Biostimulanzien helfen bei Extremwetter

AF_Dünger_Kontrolle
am Donnerstag, 31.01.2019 - 05:15

Wissenschaftler arbeiten daran, die Effizienz von Düngern zu verbessern. Kleinstlebewesen und bioaktive Substanzen helfen dabei. Sie werden gezielt getestet, damit die Kulturen mehr Stress vertragen.

Selbst gut entwickelte Wurzeln erreichen oft nur einen Bruchteil der zugedüngten Nährstoffe im Boden. Stress beeinträchtigt beides zusätzlich. Nicht verwertete Nährstoffe werden ausgewaschen und machen ökologische Probleme. Das soll sich mit Biostimulanzien ändern.

Effizienz der Dünger verbessern

Biostimulanzien oder Bioeffektoren sind Mikroorganismen, etwa Bakterien und Pilze, aber auch bioaktive Substanzen, etwa aus Pflanzen-, Algen- oder Kompostextrakten. Die interagieren ohne großen zusätzlichen Nährstoffeintrag mit der Pflanze. So unterstützen sie zum Beispiel die Aufnahme von Nährstoffen aus Boden und Düngern.

Forscher der Uni Hohenheim in Stuttgart arbeiten mit anderen Unis an dem Thema. Die Biostimulanzien sollen über Signalwirkungen das Wurzelwachstum stimulieren, die pflanzliche Stressabwehr stärken und gebundene Nährstoffe pflanzenverfügbar machen.

Lösungsansätze bilden auch Alternativen auf Basis Recycling Kompostierabfall, Klärschlamm, Asche oder Holz-/Biokohle, Stallmist, Gülle, Abfallstoffe aus der Tierverwertung und Gärreste aus Biogasanlagen.Die Nährstoffe darin sind aber oft nicht durchgängig pflanzenverfügbar, sagt Prof. Dr. Günter Neumann vom Fachgebiet Ernährungsphysiologie der Kulturpflanzen. Sie werden durch die Aktivität von Bodenorganismen erst langsam freigesetzt.

Bakterien oder Pilze helfen

Die Bewertungen von Biostimulanzien sind so vielfältig wie ihre Effekte. Das reicht von kompletter Wirkungslosigkeit bis hin zu Ertragssteigerungen im zweistelligen Prozentbereich. Das hängt stark von den Einsatzbedingungen ab.

Neumann sucht nach den besten Kombinationen aus Biostimulanz und Dünger sowie den passenden Einsatzbedingungen. Im EU-Projekt ‚Biofector‘ beschäftigt er sich fünf Jahre mit 21 Partnern damit. Sie testeten diverse Klima- und Bodenbedingungen am Beispiel von Mais, Weizen und Tomaten - in mehr als 150 Versuchen in 11 Ländern mit 38 Produkten.

Lohnend bei Stress, Dürre oder Kälte

Das Ergebnis: Etwa 30 Prozent der über 1.100 getesteten Varianten stimulierten das Wachstum. Je nach Zusammensetzung, Boden, Klima und Kultur gibt es  Unterschiede. Bei Mais und Weizen sind die Effekte oft zu gering, um den wirtschaftlichen Aufwand zu entschädigen.

Allerdings gibt es wichtigen Ausnahmen: „Unter Stress wie Trockenheit, Kälte oder erhöhten Salzgehalten bei der Bewässerung konnten wir stärkende Effekte erkennen“, so Prof. Neumann. „Und zwar besonders bei nicht mikrobiellen Biostimulanzien, wie Pflanzen- und Algenextrakten, bei Siliziumpräparaten und bei Kombinationen mit Mikronährstoffen wie Zink und Mangan.“

Weniger Schäden durch den Klimawandel

So können Biostimulanzien Mais stärken, der in hiesigen Breiten oft unter kühlen Temperaturen im Frühjahr leidet. Aber sie fördern auch Raps oder Wintergetreide gegen Kältestress. Sie unterstützen über Signalfunktionen natürliche Anpassungsreaktionen an Stress.

Das sichert gegen klimawandelbedingte Wetterschwankungen ab. Etliche Züchter setzen inzwischen standardmäßig Saatgutbeizen ein, die das Wurzelwachstum fördern und die Stresstoleranz erhöhen.

Die richtige Kombination zählt

Richtig eingesetzt helfen Biostimulanzien dem konventionellen wie dem ökologischen Anbau . „An der Wurzel platziert können sie den Pflanzen helfen, das Wachstum zu fördern oder leichter an die Düngernährstoffe heranzukommen. So sei weniger Dünger nötig.

Wichtig sei jedoch die Höhe und die Art des Nährstoffangebots. Bei hoher Verfügbarkeit sind bei optimalem Wachstum oft keine zusätzlichen Wirkungen zu erwarten. Bei zu niedrigem Angebot sind die Kulturen oft so stark gestresst, dass sie die Wurzelbesiedelung durch Mikroorganismen nicht mehr ausreichend mit ihren Wurzelabscheidungen unterstützen.

Auch die Art des Düngerangebots ist wichtig: Bei organischen Düngern ist ein hoher pflanzenverfügbarer N-Gehalt förderlich für die Interaktion mit Biostimulanzien auf Basis Mikroorganismen. Bei Mineraldüngern zeigen sich günstige Wirkungen in Kombination mit Ammonium als N-Quelle, besonders auch bei platzierter Anwendung nahe der Wurzel.

Wann sich Biostumlanzien ökonomisch lohnen

Der Einsatz von Biostimulanzien muss sich auch rechnen. Nachdem die anfangs getesteten 32 Produkte auf etwa eine Handvoll reduziert und dann im Feld getestet wurden, berechneten Agrarökonomen die Kosten für den Einsatz – mit abermals sehr unterschiedlichem Ergebnis.

Ein Faktor ist die Frage, wie die Präparate den Pflanzen zugeführt werden können. Weizen fordert eine aufwändigere Behandlung unter ungeschützten Bedingungen im Freiland. Hier müssen deutlich größere Bodenbereiche beimpft werden.

Zudem erreicht Weizen keine üppigen Marktpreise. Das macht mikrobielle Präparate oft ökonomisch unattraktiver. „Hier haben die nicht mikrobiellen Präparate momentan noch klare Vorteile. Sie sind oft preislich günstiger und flexibler in der Anwendung, weil sie im Gegensatz zu den meisten Mikroorganismen zum Beispiel auch über Blattspritzungen wirken.“

Günstiger gesetzlicher Rahmen nötig

Auch wenn weitere Forschung nötig ist, Prof. Neumann sieht großes Potenzial in Biostimulanzien. „Solche Präparate müssen kein Nischenprodukt bleiben." Auch die Industrie zeigt Interesse. Damit sich die Präparate durchsetzen, braucht es aber geeignete gesetzliche Bedingungen.“ Hier könnte sich der oft gleichzeitig wachstums- und gesundheitsfördernde Effekt mancher Bioeffektoren als Nachteil erweisen, befürchtet Neumann.

„Früher galten solche Stoffe in Deutschland als Pflanzenstärkungsmittel mit vereinfachter Zulassung. Nun will die EU aber Regeln vereinheitlichen.“ Sollte sie Biostimulanzien wegen der gesundheitsfördernden Wirkung als Pflanzenschutzmittel einstufen, machte das die Anmeldung teuer und für kleinere Firmen unattraktiv. So gehen womöglich wertvolle Präparate verloren, die sonst die Basis für Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz bieten“, warnt Prof. Dr. Neumann.

Weitere Projekte in Arbeit

Im März 2019 startet überdies das dreijährige Projekt VolCorn. Das soll klären, wie Weizen durch flüchtige organische Substanzen, sogenannte Volatile Organic Compounds, kurz VOCs, bei klimabedingtem Stress besser vor Krankheiten und Schädlingen geschützt werden kann.

Koordiniert wird das vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF). Beteiligt sind vier Institute, neben Leibniz das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv). Die Forscher wollen die natürlichen Abwehrkräfte der Kulturen zusammen mit den an und in der Pflanze lebenden Mikroben verstehen. Nur so lassen sie sich gezielt nutzen.

Im Verbundprojekt DiControl zu Folgen mikrobieller Biokontrollstämme auf die Bodengesundheit geht es ebenfalls um Wechselwirkungen mit Bodenmikroorganismen. Gefördert wird das von der Förderinitiative BonaRes des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). 

Mit Material von Uni Hohenheim, ZALF