Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Biodiversität

Insektensterben: Beizverbot und 20 Prozent Vorrangflächen

Hornisse
am Freitag, 19.10.2018 - 18:00 (Jetzt kommentieren)

Nach dem Umweltministerium melden sich jetzt auch Wissenschaftler zum Insektenschutz. Ihre Forderungen werden der Landwirtschaft kaum gefallen.

Was sind die Gründe für das Artensterben und was lässt sich dagegen tun? Antworten will eine internationale Tagung zum Insektenschutz in Stuttgart liefern. Dazu diskutierten heute europäische Wissenschaftler, Politiker und Vertreter aus Wirtschaft und Naturschutz.

[Lesen Sie dazu auch einen Kommentar von agrarheute-Redakteur Klaus Strotmann: "Landwirt wird zum Erfüllungsgehilfen des Naturschutzes"]

Ein 9-Punkte-Plan soll den dramatischen Rückgang der Insekten bremsen. Dr. Lars Krogmann, künftiger Leiter des Fachgebiets Systematische Entomologie an der Universität Hohenheim, stellt die Forderungen der Wissenschaftler vor:

1. Pflanzenschutz einschränken

Die Forscher fordern eine Änderung des Zulassungsverfahrens und ein Ende des vorbeugenden Pflanzenschutzes. Darunter fiele auch die Saatgutbeizung.

Neonikotinoide und Totalherbizide wie Glyphosat sollten verboten, chemischer Pflanzenschutz insgesamt auf maximal 20 Prozent des bisherigen Einsatzes reduziert werden.

2. Extensivierung der Landwirtschaft

Subventionen sollten an ökologische Leistungen gekoppelt, Brachflächen und Ökolandbau gefördert werden. Ökologische Vorrangflächen müssten von 5 auf 10 bis 20 Prozent erhöht werden.

Nährstoffüberschüsse sollen begrenzt, strukturreiche Flächen und die Vernetzung der Biotope gefördert werden.

3. Mehr Artenvielfalt im Grünland

Den Rückgang der Grünlandflächen wollen die Wissenschaftler aufhalten. Die Bewirtschaftung muss insektenfreundlicher werden, beispielsweise durch Stehenlassen von 10 Prozent des Wiesenbestandes, auch über Winter, oder eine maximale Mahdhöhe von 10 cm.

Der Einsatz von Mulchgeräten und Mähaufbereitern soll begrenzt werden.

4. Pflege von Naturschutzgebieten

Bei der Pflege von Naturschutzgebieten solle mehr auf die Ansprüche von Insekten geachtet werden. besser berücksichtigen.

Die unter Naturschutz stehende Fläche ist zu erhöhen, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln darin untersagt werden. Größere Pufferstreifen sollten entstehen. Die Naturschutzbehörden brauchen dafür einen höheren Etat.

5. Mehr Natur im öffentlichen Raum

Öffentliche Grünflächen sollen insektenfreundlicher gestaltet werden: mehr heimische Blühpflanzen statt mehr Grün in der Stadt. Rasenflächen müssen zu extensiven Mähwiesen umgestaltet werden.

6. Weniger Lichtverschmutzung

Straßenleuchten sind auf LED umzurüsten. Die Farbtemperatur sollte maximal 3000 Kelvin betragen. Dieses Licht ist zieht Insekten weniger stark an als das übliche neutralweiße Licht mit 4000 Kelvin.

Das agrarheute Magazin Die digitale Ausgabe März 2023
agrarheute_magazin_composing

7. Forschungs‐ und Bildungsoffensive

Die Artenkenntnisse der Bevölkerung sei zu gering, beklagen die Forscher. Eine Taxonomie (Bexstimmungs)-Offensive für Experten und Amateur-Entomologen sei daher nötig. Dafür brauche es mehr Geld für Insektenmonitoring und naturkundliche Sammlungen.

8. Förderung von Wildbestäubern

Wildbienen sollen einen höheren Schutzstatus erhalten und in die FFH-Richtlinie aufgenommen werden. Um Krankheitsübertragungen zu vermeiden, ist bei Honigbienen streng auf die Hygiene zu achten.

Eine Nahrungskonkurrenz zu den Wildbienen ist zu vermeiden. Dazu fordern die Wissenschaftler eine Höchstzahl an Bienenvölker pro Lebensraum. In Naturschutzgebieten solle die Bienenhaltung verboten werden.

9. Öffentlichkeitsarbeit

Das Bewusstsein der Bevölkerung für das Problem ist zu schärfen, etwa damit auch Privatgärten insektenfreundlicher gestaltet werden. Mit Rasen oder Kies versiegelte Flächen seien nicht als „aufgeräumt“, sondern als Problem weiterer Verarmung zu sehen.

Fortbildungen für Lehrer und Erzieher können bereits bei den Jüngsten ansetzen.

Lesen Sie dazu auch einen Kommentar von agrarheute-Pflanzenbauredakteur Klaus Strotmann: "Landwirt wird zum Erfüllungsgehilfen des Naturschutzes"

Mit Material von Universität Hohenheim

Kommentare

agrarheute.comKommentare werden geladen. Bitte kurz warten...