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Biodiversität

Kommentar: „Landwirt wird zum Erfüllungsgehilfen des Naturschutzes“

agrarheute-Pflazenbauredakteur Klaus Strotmann
am Freitag, 19.10.2018 - 18:01 (Jetzt kommentieren)

In Stuttgart haben Forscher einen Plan für mehr Insektenschutz vorgelegt. Der sei populistische Stimmungsmache, meint agrarheute-Redakteur Klaus Strotmann.

Mehr Schutz für Insekten – mit dieser Forderung rennen die Wissenschaftler, die heute in Hohenheim zusammenkamen, bei den meisten Bauern offene Türen ein.

Denn jeder Ackerbauer hat ein eigenes Interesse daran, seine Flächen fruchtbar zu erhalten. Dazu gehört ein aktives Bodenleben genauso wie jene Krabbeltiere, die oben im Bestand ganze Arbeit leisten: als Bestäuber oder als Nützlinge, die Krankheiten und Befall regulieren helfen.

Um diese Mechanismen weiß jeder Ackerbauer und er weiß, sie für sich zu nutzen. Damit erfüllt er nebenbei auch eine volkswirtschaftliche Aufgabe.

Und genaus deshalb tun die deutschen Bauern schon jetzt viel für Insektenschutz: Zum Beispiel durch Puffer-, Blüh- und Randstreifen, vielfältige Fruchtfolgen, gezielten Pflanzenschutz, ökologische Vorrangflächen, Steinhaufen und vieles weitere Maßnahmen.

Landwirte denken im ganzen System

So nachvollziehbar der Aufschlag der Hohenheimer Forscher zunächst wirkt, so kurz gedacht entpuppt er sich beim näheren Hinsehen.

Ich habe beim Lesen des Masterplans gemerkt, dass hier Wissenschaftler am Labortisch gegrübelt und einsame Entscheidungen gefällt haben.

Denn während der Landwirt immer schon im ganzen System denken muss (verändere ich hier im Betrieb ein kleines Rädchen, hat es große Auswirkungen am anderen Ende des Betriebs), hat der Entomologe offenbar nur seine Käfer im Blick.

Leistungen müssen bezahlt werden

Mit ihren Forderungen schießen die Forscher massiv über das Ziel hinaus. Sie degradieren den Landbewirtschafter zu einem Erfüllungsgehilfen des Naturschutzes.

Das Gehalt der Wissenschaftler zahlt der Staat. Ein Landwirt muss von dem leben, was auf seinen Flächen und in seinen Ställen wächst. Dass es Pflanze, Boden und Tier dabei gut geht, ist in seinem eigenen Interesse.

20 Prozent ökologische Vorrangflächen

Wenn die Wissenschaftler Forderungen nach einer Vervierfachung der ökologischen Vorrangflächen (20 Prozent), nach einer Begrenzung des Pflanzenschutzes um 80 Prozent oder nach einem Verzicht des Grünlands von 10 Prozent stellen, müssen sie aber bitte auch Konzepte vorlegen, wie solche Leistungen zu honorieren sind! Ein Landwirt muss sich, seine Familie und Mitarbeiter ernähren können!

Warum maßt sich heutzutage Jedermann an, unternehmerische Entscheidungen für unsere Bauern fällen zu können, ohne betriebliche Hintergründe und Abläufe auch nur annähernd zu kennen? Landwirte sind offenbar Freiwild und jeder weiß es besser. Ich möchte mal den Bäcker, den Zahnarzt oder den Fliesenleger von nebenan erleben, wenn ihm Otto Normalverbraucher erklärt, wie er seine Arbeit zu machen hat.

Artenschutz unterschreibt jeder Bauer

Um es nochmal klar zu sagen: Der Schutz des Lebensraums von Tier, Pflanze und damit auch Insekten hat für jeden Landwirt einen hohen Stellenwert. Weniger Lichtverschmutzung, mehr Vielfalt auf dem Acker, mehr Öffentlichkeitsarbeit und gezielter Pflanzenschutz, das unterschreibt jeder Bauer.

Eine Zwangsökologisierung – und nichts Anderes fordern die Wissenschaftler – muss aber bezahlt werden. Vom Verbraucher, vom Staat, also uns allen.

Woher kommt unser Essen künftig und in welcher Qualität?

Haben Sie, liebe Wissenschaftler, auch darüber beraten, welche Qualität unsere Ernte künftig hat, wenn wir den chemischen Pflanzenschutz auf 20 Prozent reduzieren? Oder darüber, woher unser Essen kommt, wenn wir nur noch die Hälfte ernten? Oder welche Qualität die Einfuhren haben, auf die wir dann angewiesen sind?

Der 9-Punkte-Plan ist für mich wieder einmal der Beweis für plakative Stimmungsmache. Schnelle Wahrheiten, laut in die Welt hinausgeworfen, vermeintlich von Jedermann leicht zu verstehen und umzusetzen.

Dabei sollten doch gerade die Wissenschaftler wissen, wie komplex die Zusammenhänge sind und dass es gerade in der Landwirtschaft keine einfachen Wahrheiten gibt. Mehr Insektenschutz wird so jedenfalls sicher nicht erreicht.

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