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Merkel soll in Streit um die Pflanzenschutzmittel-Zulassung eingreifen

Unkrautbekämpfung-Wintergetreide
am Dienstag, 15.12.2020 - 05:00 (Jetzt kommentieren)

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner schaltet wegen der Blockade der Pflanzenschutzmittel-Zulassung durch das Umweltbundesamt (UBA) jetzt das Kanzleramt ein. Streitpunkt sind die Biodiversitätsauflagen.

Umweltministerin Svenja Schulze SPD, Bundeskanzlerin Angela Merkel CDU, Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner CDU

Die Zeit rennt und Landwirtschaftsministerin Klöckner ist bei ihrer Kollegin im Umweltressort, Svenja Schulze, mit ihrem Latein am Ende. Darum soll jetzt Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Dauerkrach um die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eingreifen. „Eine Fortsetzung der Vermittlungsversuche auf Ressortebene erscheint leider nicht erfolgversprechend“, schreibt Klöckner in einem Brief an die Kanzlerin, der agrarheute exklusiv vorliegt.

Erst Ende November hatte Klöckner sich an Merkel gewandt, um im Krach um den Insektenschutz zu schlichten. Auf diesem Gebiet dürfte es am Mittwoch (16.12.) im Kabinett zur Machtprobe kommen, wenn über den Entwurf zum Insektenschutzgesetz beschlossen werden soll.

Worum streiten Klöckner und Schulze diesmal? Das Umweltbundesamt, das Schulze untersteht, fordert bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zusätzliche, illegale Auflagen. Das UBA knüpft seine Zustimmung an die Bedingung, dass 10 % der behandelten Ackerflächen nicht mit dem jeweiligen oder einem ähnlichen Pflanzenschutzmittel behandelt werden. Das bringt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) als federführende Behörde in eine rechtliche Sackgasse.

Rechtswidrige UBA-Auflagen bringen BVL in Zwickmühle

Gegen die sogenannten Biodiversitätsauflagen durch das Umweltbundesamt bestehen laut Klöckner nämlich erhebliche rechtliche und fachliche Bedenken. Zum einen verstoßen sie gegen das EU-Recht, weil sie der Harmonisierung zuwiderlaufen. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht Braunschweig die Zusatzauflagen im September 2019 als rechtswidrig beurteilt.

Mit Stand Mitte Dezember sind beim BVL 113 Zulassungsanträge anhängig, für die das UBA seine Sonderforderungen stellt. Das BVL ist dadurch in einer Zwickmühle: Erteilt das Bundesamt die Zulassung Im Einvernehmen mit dem UBA, handelt es laut Klöckner „materiell rechtswidrig“, erteilt es die Zulassung ohne die Biodiversitätsauflagen, handelt es „formell rechtswidrig“.

Zahlreiche Schadenersatzforderungen absehbar

Falls das BVL sich für den Weg entscheiden sollte, die Zulassung mit den Anwendungsbeschränkungen zu erteilen, rechnet das Landwirtschaftsministerium mit mehr als 100 Widersprüchen und Klagen sowie Schadenersatzansprüchen der Hersteller.

In den meisten Fällen muss über die Anträge bis zum Jahresende entschieden werden. Klöckner fordert darum vom Kanzleramt Klarheit darüber, wie weiter zu verfahren ist. Gravierende zusätzliche Auflagen, wie sie vom Umweltbundesamt verlangt werden, sind nach Auffassung des Landwirtschaftsministeriums nämlich nicht im Rahmen der Pflanzenschutzmittelzulassung, sondern durch den Gesetzgeber zu treffen.

Viel Zeit, um den Gordischen Knoten zu durchschlagen, bleibt der Kanzlerin nicht, wenn die Weichen vor Jahresende gestellt werden sollen.

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