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Bisher war man in der Ökologie davon ausgegangen, dass Populationen einer Pflanzenart, die z.B. durch Berge oder andere geografischen Bedingungen keinen Kontakt zu Nachbarpopulationen haben, vor Schädlingen besser geschützt sind, weil sie keine direkten Nachbarn haben, von denen diese auf sie übergreifen könnten. Jetzt haben Forscher in einer Langzeitstudie herausgefunden, dass unter natürlichen Bedingungen isolierte Pflanzenpopulationen sogar wesentlich anfälliger sind, da sie kaum Möglichkeiten für einen Genaustausch mit anderen Populationen haben.
Von Wind verweht
Um einen Überblick über den Ablauf und die Häufigkeit von Infektionen mit dem Pilz Podosphaera plantaginis, einem Echten Mehltaupilz, zu erhalten, untersuchten die Forscher über 4.000 Populationen des Spitzwegerich (Plantago lanceolata) auf der finnischen Inselgruppe Åland. Die Sporen des Pilzes, der nur den Spitzwegerich befällt, überwintern auf abgestorbenen Blättern, über die sich die Pflanze im Frühjahr erneut infiziert. Der Pilz produziert daraufhin in kurzer Zeit sechs bis acht Sporen-Generationen, die über den Wind auf die Nachbarpflanzen oder benachbarte Populationen übergreifen. Bei günstigen Wetterlagen können die Sporen auch weitere Strecken überwinden und so entfernte Populationen erreichen. Seit dem Jahr 2001 erfassten die Forscher jedes Jahr die Populationen der Inseln und den Befall mit Mehltau. Sie verglichen die Größe der Populationen und die Verbreitung des Pilzes mit den Daten aus den vorhergegangenen Jahren. So konnten sie die Infektionsdynamik des Pilzes über einen Zeitraum von 12 Jahren beobachten.
Überraschendes Ergebnis
Das Ergebnis überraschte die Forscher, da es der bisherigen These widersprach: Isolierte Pflanzenpopulationen, die durch fehlenden direkten Kontakt zu anderen Populationen als vor Ansteckung weitgehend geschützt galten, waren deutlich häufiger befallen als solche, die in engem Austausch mit anderen Populationen standen.
Um die Ergebnisse zu überprüfen, infizierten die Forscher im Labor einzelne Pflanzen von 22 verschiedenen Populationen der Inseln mit dem Pilz. Auch hier zeigte sich das gleiche Ergebnis: Individuen aus Populationen, die im engen Kontakt mit anderen Populationen standen, waren widerstandsfähiger als Pflanzen aus isolierten Populationen.
Wer isoliert ist, ist nicht informiert
Als Grund vermuten die Forscher, dass benachbarte Pflanzenpopulationen über Pollen einen intensiven Genaustausch pflegen. Da der Pilz seine DNA und damit seine "Angriffs-Taktik" stetig verändert, muss auch die Pflanze den Angriffen des Pilzes ständig neue genetische Resistenzen entgegensetzen. Tauschen die Pflanzen ihre genetischen Erfahrungen untereinander aus, sind sie anscheinend besser gerüstet. Jede beteiligte Population ist informiert und genetisch auf dem neuesten Stand. Isolierte Populationen hingegen bekommen von den Entwicklungen nichts mit und müssen im Fall einer Infektion mit ihrem eigenen, begrenzten Genpool versuchen, ihren Gegner zu besiegen. Der Pilz hat dann oftmals leichteres Spiel.
Isolation - der bessere Schutz?
Die Ergebnisse zeigen, dass unter natürlichen Bedingungen zwischen Pflanzen ein reger Informationsaustausch stattfindet. Landschaft und Wetter haben einen maßgeblichen Einfluss auf die Verteilung dieser Informationen, so dass Populationen, die ungünstig liegen und auf diesem Weg vom Informationsfluss abgeschnitten sind, schlechtere Karten haben, wenn sie doch mal ein Schädling erreicht und es darum geht, sich gegen diesen Angreifer zu wehren. Isolation bietet daher keinen so guten Schutz, wie bisher vermutet, sondern eine Gefahr, auf längere Sicht von einem Schädling befallen und besiegt zu werden.
Evolution live
Die Ergebnisse dieser Studie sind ein wichtiger Punkt in der Debatte um die Vernetzung von Biotopen im Hinblick auf die zunehmende Zerschneidung von Landschaften und die damit einhergehende Isolation. Bei der Biotopvernetzung über Korridore und Trittsteinbiotope, die in Deutschland im Naturschutzgesetz verankert ist, wird zuweilen die Befürchtung geäußert, dass die Ausbreitung von Krankheiten durch die Vernetzung gefördert werden könnte. Diese Studie ist ein Hinweis, dass bei bestimmten Arten im Gegenteil die Vernetzung längerfristig von Vorteil sein könnte, da sie die Aufrechterhaltung von überlebenswichtigen evolutiven Mechanismen ermöglicht. Die Erkenntnisse könnten außerdem wichtige Anregungen bei der Erforschung und für die Bekämpfung von Ernteschädlingen geben, betonen die Forscher.
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