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Geringer Schädlingsdruck

Raps ohne Insektizide: Dieser Landwirt hat es wieder geschafft

Er blüht. Der Raps von Andreas Indermühle strahlt in hellgelb.
am Mittwoch, 03.05.2023 - 05:00 (2 Kommentare)

Der Raps von Andreas Indermühle leuchtet hellgelb. Der Schweizer Ackerbauer konnte seinen Raps ohne Insektizide, Fungizide und Wachstumsregulatoren zur Blüte zu bringen. Und zwar so.

Raps in der Blüte: Die Fläche von Andreas Indermühle Mitte April. Hier wurden weder Insektizide, noch Fungizide oder Wachstumregulatoren eingesetzt.

Er blüht, der Raps von Andreas Indermühle leuchtet hellgelb. Der Landwirt und seine Blüten strahlen beinahe um die Wette. Denn nach fünf Jahren ist es dem Schweizer wieder gelungen: Er konnte seinen Raps nach eigenen Angaben ohne den Einsatz von Insektiziden, Fungiziden und Wachstumsregulatoren zur Blüte zu bringen. Ein besonderer Erfolg. Denn die Ölfrucht ist bekanntermaßen anfällig für Schädlinge wie Rapsglanzkäfer, Erdflöhe, Stängelrüssler sowie verschiedene Pilzkrankheiten.

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Anbau ohne Wachstumsregulatoren, Insektizide oder Fungizide: Landwirt Andreas Indermühle zeigt seinen Raps-Bestand von Mitte April.

Ende April stand auf dem Betrieb Indermühle jedoch fest: „Dieses Jahr würde eine Behandlung keinen Mehrertrag bringen.“ So jedenfalls beschrieb der 40-jährige Landwirt einige Fotos von seinen blühenden Rapsfeldern, die er auf Twitter veröffentliche. Im Gespräch mit agrarheute erklärt Andreas Indermühle sein ackerbauliches Vorgehen.

Raps nur alle zehn Jahre in der Fruchtfolge

Landwirt Andreas Indermühle prüft laufend den Raps-Bestand: „Dieses Jahr würde eine Pflanzenschutzmittel-Behandlung keinen Mehrertrag bringen.“

„Raps kommt in meiner Fruchtfolge nur alle zehn Jahre vor“, erklärt der Landwirt. Dass auf seinen Flächen grundsätzlich ein eher niedriger Schädlings- und Krankheitsdruck herrscht, haben wissenschaftliche Untersuchungen ergeben. Die örtliche Fachhochschule führt schon seit mehreren Jahren Forschungsprojekte auf dem Betrieb Indermühle durch. „Diese Zusammenarbeit ist ein großes Glück für mich“, sagt Indermühle.

Bereits seit 30 Jahren wird auf seinem Betrieb weitgehend auf Bodenbearbeitung verzichtet und stattdessen auf Direktsaat gesetzt. „Die Fachstelle in Bern hat in unserer Region da gute Beratungsarbeit geleistet“, lobt Indermühle. Er sei bei Weitem nicht der einzige Direktsaat-Betrieb im Umkreis, entsprechende Maschinen seien vielerorts verfügbar. Wobei der Landwirt mittlerweile eine eigene Direktsaat-Maschine besitzt.

Gegen den Erdfloh hat sich eine Beize bestens bewährt. Der entscheidende Erfolgsfaktor für den Insektizid freien Raps von Andreas Indermühle sei aber ein anderer.

Landwirt arbeitet seit Jahren mit der Kinsey-Bodenanalyse

„Ich habe die Bodenanalyse und Düngung nach Kinsey in den vergangenen Jahren komplett umgesetzt“, erklärt der Schweizer Landwirt. Der Krankheitsdruck habe dadurch noch einmal massiv abgenommen, das Nährstoffverhältnis sei in einem guten Gleichgewicht, der Boden durch reduzierte Bearbeitung und dauerhafte Begrünung mit Zwischenfrüchten gesund. „Eine Behandlung ist schlicht nicht notwendig“, sagt Indermühle. 

Auf der Fläche wuchs zunächst Mais, dann Soja, bevor vergangenes Jahr eine winterharte Zwischenfrucht stehenblieb und im Frühjahr der Raps hochkam. Ein frostig-nasses Frühjahr in einer Region mit etwa 1000 Litern Niederschlag pro Jahr und starke Nerven beim Betriebsleiter, der keine Präventivmaßnahmen traf, führten schließlich zum Erfolgs-Raps. „Ich wage aber nicht zu glauben, dass das die nächsten Jahre wieder so funktioniert“, sagt Andreas Indermühle.

Fünf Jahre lang ohne Insektizide keine Chance

Trotz aller Bemühungen funktionierte sein Rapsanbau in den vergangenen fünf Jahren nicht ohne Insektizide, Fungizide und Wachstumsregulatoren. Wetter, Zeitpunkte und Fruchtfolge waren offenbar nicht ideal. Aber: „Auf ein negatives Ereignis folgen nach meiner Erfahrung oft zwei bis drei positive“, sagt der Schweizer Ackerbauer. „In der Landwirtschaft ist eine gewisse Wellenbewegung ganz normal. Das höre ich auch von anderen Betrieben, für die ich als Lohunternehmer unterwegs bin.“ Man dürfe nur den Mut nicht verlieren. Jeder Landwirt müsse für seinen Betreib den richtigen Weg erarbeiten. „Das ist ein dynamischer Prozess.“

Andreas Indermühle bewirtschaftet einen 40 Hektar großen Ackerbaubetrieb. „Das ist für Schweizer Verhältnisse eher viel“, erklärt der Landwirt. Der Hof befindet sich etwa 20 Kilometer östlich von Bern. Die Kulturen: Verschiedene Getreidesorten, Zuckerrüben, Raps, Soja und Mais sowie Zwischenfrüchte. Dazu führt Andreas Indermühle ein kleines Lohnunternehmen und hat 60 Bullenmastplätze.

Beim Nachbarn massiver Schädlingsbefall - nur 300 Meter entfernt

Auf einer Nachbarparzelle nur 300 Meter von seinem Rapsbestand entfernt, musste ein Kollege bereits mehrmals Insektizide ausbringen, weil der Rapsglanzkäfer zu präsent war. Auch bei Landwirt Franz Winkelhofer aus Niederösterreich, der eine ähnlich Ackerbaustrategie verfolgt wie Andreas Indermühle, waren die Gelbschalen Ende März voll. „Praktisch auf jeder Pflanze massiver Druck. Ein Totalausfall, wenn man nicht behandelt“, schrieb der Ackerbauer am 25. März auf Twitter und sprach sich im selben Post gegen das Verbot weiterer Wirkstoffe aus. Eine breite Auswahl bedeute nicht, dass auch viel eingesetzt werden müsse, sondern im Notfall gezielt das richtige „Medikament“, twitterte er weiter.

Franz Winkelhofer ist nach eigenen Angaben in den vier Jahren zuvor wiederum vollkommen ohne Insektizide im Raps ausgekommen. Bei ihm in Rodingersdorf ist es mit durchschnittlich 300 Litern pro Jahr deutlich trockener als bei Kollege Indermühle. „Eine gute Pflanzenernährung, Spurennährstoffe aufs Blatt und ein paar Kniffe aus der Trickkiste - Steinmehl, Phosphit… - machten die Rapspflanzen für Insekten scheinbar unsichtbar. Heuer: keine Chance“, schreibt Winkelhofer auf Twitter. Die beiden Ackerbauern aus Österreich und der Schweiz tauschen sich regelmäßig aus.

Austausch mit Direktsaat-Kollegen im DACH-Gebiet "sehr wertvoll"

Es gibt mehrere digitale Foren, Gruppen und diverse Chaträume, in denen überzeugte Direktsäer im deutschsprachigen Raum ihre Erfahrungen teilen. „Das hilft mir sehr“, sagt Andreas Indermühle. 

Wie vielen anderen dort liegt das Thema Glyphosat auch Andreas Indermühle im Magen. Zwar spricht man in der Schweiz momentan noch nicht von einem Verbot des Wirkstoffs. „Ich denke aber, man wartet jetzt ab, was Deutschland beziehungsweise die EU macht und zieht dann nach“, sagt der Schweizer Landwirt.

Landwirt gegen Glyphosat-Verbot: "Mittel sollte im Ernstfall verfügbar sein"

Indermühle konnte den Glyphosat-Einsatz in den vergangenen Jahren zwar massiv reduzieren und kam in mancher Saison sogar ganz ohne das Mittel zurecht. Man komme aber trotz aller Bemühungen zwangsläufig wieder an den Punkt, an dem man es doch braucht. „Und dann sollte es verfügbar sein“, sagt Indermühle. „Wir müssen im Ernstfall agieren können.“

Weniger Input, gleichbleibend hohe Erträge – das ist das Ziel des Schweizer Landwirts. Gemeint sind sowohl reduzierter Einsatz von chemischem Pflanzenschutz als auch geringerer Arbeitsaufwand und mechanische Bearbeitung. „Ich will meinen Betrieb bodentechnisch in einem noch besseren Zustand an einen Nachfolger übergeben können“, beschreibt Indermühle seine Pläne.

Um mehr Aufmerksamkeit auf „seine“ Themen Direktsaat, Bodenleben und konservierende Landwirtschaft zu lenken, kommuniziert er seine ackerbaulichen Projekte regelmäßig über Twitter und andere öffentliche Kanäle.

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