Die polnischen Rapsanbauer dürfen auch in diesem Jahr mit Cruiser gebeiztes Saatgut aussäen. Das macht eine eigene Sondergenehmigung von Landwirtschaftsminister Jan Krzysztof Ardanowski möglich. Danach darf der neonicotinoide Wirkstoff vom 1. Juni bis zum 28. September 2020 ans Rapssaatgut gebeizt werden. Das verschafft den polnischen Berufskollegen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil.
In Deutschland wie in der gesamten EU ist das Produkt mit dem Wirkstoff Thiamethoxam aus der Gruppe der Neonicotinoide nämlich seit 2013 nicht mehr zugelassen, nur im Gewächshaus gelten Ausnahmen. Wenn es auch dieses Jahr für die Rapssaat in Polen wieder zum Einsatz kommen darf, fühlt sich jeder andere EU-Rapsanbauer benachteiligt – und das zu Recht.
Polen setzt sich über gemeinsame EU-Beschlüsse hinweg
Auch wenn heimisches Saatgut aus Deutschland womöglich über die Grenze gefahren wird, um in Polen gebeizt und anschließend hier ausgesät zu werden, ist diese Situation wenig erträglich. Die gefühlte Ungerechtigkeit setzt sich seit Jahren fort. Sie untergräbt die Autorität der EU-Zulassungsbehörden für Pflanzenschutzwirkstoffe.
Deutsche und andere europäische Anbauer haben das Nachsehen. Sie halten sich an die gemeinsamen Spielregeln, während Polen sie immer häufiger verletzt, und das in ganz verschiedenen Bereichen. Das scheint Methode zu haben: Die östlichen Nachbarn scheren sich wenig um die EU-Vorschriften. Von hier aus betrachtet sieht es so aus, als legten sie es vielmehr geradezu darauf an, aus Brüssel wohl das Geld zu nehmen, aber keine Gemeinsamkeiten zu leben und vereinbarte Regeln zu akzeptieren.
Neonicotinoide in Polen für rund 250.000 ha
Nach Medienberichten soll die Saatgutbeizung in Polen dieses für rund 250.000 ha Raps erlaubt sein. Wie kann das sein? Warum kann sich Polen ungestraft über gemeinsame EU-Beschlüsse hinwegsetzen? Der polnische Minister reagierte mit seiner Sondergenehmigung auf die Forderungen des Nationalen Verbands der Raps- und Eiweißpflanzenerzeuger. Der hatte wegen der nicht erfolgten Notfallzulassung vor erheblichen Einbußen durch Schadinsekten gewarnt.
Das hat die Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP) bei uns mindestens genau so drastisch gemacht – wurde aber von der deutschen Politik schlicht und einfach überhört. Dabei zählen gerade Beizmittel zu den vergleichsweise sichersten chemischen Pflanzenschutzmitteln überhaupt. Sie schützen die Saat im Boden sehr gezielt.
Der polnische Verband hatte wie der deutsche dargelegt: In den vergangenen Jahren nahmen in unbehandelten Beständen die Zahl der Schädlinge rasant zu, etwa der Erdfloh. 2018 hätten polnische Versuche gezeigt, dass auf Rapsschlägen zwischen 50 und 80 Prozent der Wurzeln geschädigt gewesen seien.
Ein ähnliches Schadbild sei auch 2019 zu finden gewesen. Die entstandenen Blattschäden hätten die Anfälligkeit der Bestände für weitere Rapskrankheiten potenziert und das Ertragspotential stark begrenzt – als wenn das in Deutschland oder anderen EU-Ländern weniger schlimm gewesen wäre.
Mit Notfallzulassungen gehen andere EU-Länder großzügiger um
Notfallzulassungen hatte Polen für neonicotinoide Beizmittel auch in den Vorjahren schon erteilt. Doch die sind meist nur auf einen kurzen Zeitraum begrenzt. Wenn jetzt sogar der Agrarminister mit einer Sondergenehmigung eingreift, zeigt das: Die drohenden Strafen der EU-Kommission dürfen sich nicht nur gegen leichtfertig erteilte Notfallgenehmigungen richten, sondern gegen die polnischen Eigenmächtigkeiten überhaupt.
Die EU hatte 2018 Thiamethoxam genauso wie die beiden weiteren Neonicotinoide Imidacloprid und Clothianidin komplett für den Einsatz im Freiland verboten, also auch für die Saatgutbehandlung von Raps und Rübensaatgut. Für absolute Notfälle mögen Ausnahmegenehmigung sinnvoll sein, wie sie auch in anderen EU-Ländern erteilt wurden. Aber wenn davon immer mehr Staaten Gebrauch machen, ist das gemeinsame Recht für die Katz.
Deutschland gehörte bei Neonicotinoiden übrigens nie zu den Ländern mit Ausnahmen. Rumänien oder Litauen hat die EU-Kommission solche Genehmigungen außer der Reihe bereits untersagt. Warum klappt das bei Polen nicht? Meines Erachtens muss die EU-Kommission hier mehr Durchsetzungskraft zeigen – notfalls die Fördergelder aus Brüssel zielgerichtet kürzen.
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