Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat heute (14.12.2020) dem Pflanzenschutzdienst Nordrhein-Westfalen eine Notfallzulassung zur begrenzten Saatgutbehandlung und Aussaat von Zuckerrübensaatgut mit dem Wirkstoff Thiamethoxam erteilt.
Die Zulassung gilt vom 1. Januar bis 30. April 2021. Sie ist auf eine Fläche von 40.000 ha ausschließlich für Hotspots in den westlichen Landesteilen beschränkt, im Wesentlichen die Anbaugebiete der Zuckerfabriken Euskirchen, Jülich und Appeldorn.
Zusätzliche Auflagen zum Schutz der Insekten
Um bestäubende Insekten vor Schäden zu schützen, wurde die Notfallzulassung zusätzlich mit Auflagen vor allem zum Insektenschutz verbunden:
- Die Saatgutbehandlung darf nur in zertifizierten Einrichtungen erfolgen.
- Die durch die Aussaat ausgebrachte Dosis wurde durch eine verringerte Aussaatstärke und geringeren Mittelaufwand je Saatguteinheit deutlich reduziert auf 49,5 g Wirkstoff je Hektar (gegenüber 78 g/ha bei früheren Zulassungen).
- Ein anbaubegleitendes Monitoring zur Beobachtung möglicher Umwelteffekte ist durchzuführen.
- Blühende Zwischenfrüchte dürfen auf der Fläche nicht ausgesät werden.
- Als Folgekultur dürfen nur Pflanzen angebaut werden, die für Bienen nicht attraktiv sind.
- Imker oder Bienensachverständige im Umkreis der Aussaatflächen sind vor der Aussaat zu informieren.
NRW muss den Einsatz kontrollieren
Außerdem hat sich Nordrhein-Westfalen verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass mit Cruiser 600 FS behandeltes Saatgut nur dort eingesetzt wird, wo dies zur Abwehr großer Schäden im Rübenanbau notwendig ist.
Dafür wird das Bundesland rechtlich verbindliche Maßnahmen erlassen, um die Risikominderung ab der Aussaat und über den 30. April 2021 der Notfallzulassung hinaus zu gewährleisten. Durch diese ergänzenden Maßnahmen in der Verantwortung des Landes war es dem BVL möglich, die Notfallzulassung zu genehmigen.
Ohne Blattlausbekämpfung wird das Virus nicht einzudämmen sein
Die Saatgutbehandlung schützt die Pflanzen gegen Blattläuse, die verschiedene Vergilbungsviren übertragen. Sie ist nur im geschlossenen System in zertifizierten Beizanlagen zulässig.
Das Virus hatte sich zuletzt in vielen Anbaugebieten der EU von Westen her ausgebreitet und auch in Deutschland regional zu gravierenden Pflanzenschäden und Ertragsverlusten geführt. Nach Angaben des BVL muss ohne wirksame Blattlaus-Bekämpfung in Hotspot-Gebieten von einer starken Ausbreitung der Rüben-Krankheit ausgegangen werden. Die Zulassung sei daher aus pflanzenepidemiologischer Sicht notwendig, so das BVL. Nur so könne die Ausbreitung der Viren bei Rüben eingedämmt werden.
Züchtung arbeitet an virustoleranten Zuckerrüben
Das BVL erwartet, dass weitere Bundesländer mit starkem Virusbefall ähnliche Anträge stellen werden. Das Risiko für Nichtzielorganismen durch die Aussaat des behandelten Zuckerrübensaatgutes schätzt die Behörde als gering ein, da Zuckerrüben im Anbaujahr nicht blühen und daher wenig attraktiv für Bestäuber sind.
Die Pflanzenzüchtung in Deutschland arbeitet – auch mit Förderung durch das BMEL – an der Entwicklung virustoleranter Zuckerrüben-Sorten, die einen Virusbefall ohne wesentliche Ertragseinbußen verkraften. Diese Sorten stehen allerdings derzeit noch nicht zur Verfügung. Auch deshalb ist die Notfallzulassung von Cruiser 600 FS durch das BVL nötig.
Zuckerindustrie fordert weitere Notfallzulassungen
Die Zuckerindustrie forderte in einer Stellungnahme weitere Zulassungen von Mitteln gegen Vergilbungsviren. "Wir appellieren an die Bundesregierung und an alle Länder, auch für alle anderen besonders stark betroffenen Anbaugebiete eine Notfallzulassung zu erwirken und damit Erträge zu sichern", erklärte Günter Tissen, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WVZ). Die Zulassung für den Anbau im Rheinland könne nur ein erster, begrüßenswerter Schritt sein. Vergilbungsviren würden nicht an Ländergrenzen stoppen.
Der WVZ-Hauptgeschäftsführer versicherte, die Zuckerbranche werde mit den anspruchsvollen Auflagen, die mit dem BVL-Bescheid verbunden sind, verantwortungsvoll umgehen.
Klöckner sieht die Länder in der Verantwortung
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hatte sich noch vor wenigen Tagen gegen bundesweite Notfallzulassungen für Neonicotinoide ausgesprochen und auf die Zuständigkeit der Länder verwiesen, für ihren Zuständigkeitsbereich entsprechende Anträge beim BVL zu stellen.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat eine Überprüfung der inzwischen 21 Notfallzulassungen in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten angekündigt:
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