Schädlinge werden im Ackerbau zunehmend zum Problem. Ein Beispiel ist die Schilf-Glasflügelzikade in Zuckerrüben. Der Klimawandel fördert die Einwanderung derlei neuer Schädlinge. Wegen fehlender natürlicher Feinde können sie sich ungebremst vermehren.
SBR: Mit Bakterien beladene Zikaden aus Südeuropa eingewandert
Hinzu kommt: Manche Insekten bringen neue Viren oder Bakterien mit. Die Schilf-Glasflügelzikade kam aus dem Mittelmeerraum und wanderte mit einem pflanzenschädigenden Bakterium infiziert nach Südwestdeutschland ein.
Die Bakterien lösen bei den Zuckerrüben die Krankheit SBR (Syndrom Basses Richesses) auslösen. Übersetzt bedeutet das „Syndrom der niedrigen Zuckergehalte“. Der Zuckergehalt infizierter Rüben sinkt im Vergleich zu gesunden um 2 bis 7 Prozent. Französische Landwirte erlitten dadurch Einkommensverluste von bis zu 50 Prozent.
Fachbeitrag agrarheute 5/2019: Syndrome Basses Richesses (SBR)
Nematoden sollen die Zikaden biologisch bekämpfen
Ausgehend vom Schilf an Flüssen, hat sich die Zikade an Zuckerrüben und Weizen angepasst. Dort kann sie sich fast ungebremst vermehren und hunderttausende von Zikaden entwickeln. So wurde aus der eigentlich ungefährlichen Zikade aus dem Schilf einer der gefährlichsten Schädlinge für den Zuckerrübenanbau weltweit.
Ein Forscherteam des Projekts NIKIZ („Nachhaltiges Insekten-und Krankheitsmanagement im Zuckerrübenanbau der Zukunft“) entwickelt derzeit natürliche Gegenspieler gegen die Zikade.
Und sie verzeichnen erste Erfolge: Die Experten haben Pilze, Bakterien und Nematoden isoliert, die gegen die Schilf-Glasflügelzikade wirken.
Erste Praxisversuche: Nematoden fressen die Zikaden-Nymphen
„Wir erfinden keine neuen Organismen“, sagt NIKIZ-Projektleiter Dr. Christian Lang, der auch Geschäftsführer der ARGE Zuckerrübe Südwest ist. „Wir nutzen die Natur und wollen dafür sorgen, dass die Zikaden nicht explosionsartig die Felder erobern, wie es in den letzten Jahren in großen Teilen Baden-Württembergs passiert ist“.
Die nützlichen Nematoden kommen bereits in diesem Jahr in Feldversuchen zum Einsatz. Die verwendete Nematodenart stürzt sich mit besonderem Eifer auf die Nymphen der Zikaden. Vergleichbare Erfolge mit Nematoden gibt es schon seit einiger Zeit bei der Bekämpfung des Maiswurzelbohrers und im Gartenbau gegen Engerlinge und Dickmaulrüsslerlarven.
„Jeder Schädling hat einen Gegenspieler“
Im NIKIZ-Projekt stehen neben der Schilf-Glasflügelzikade auch weitere Insekten im Fokus, die die Rübe schädigen können. Der Ansatz: Sich bei der umweltverträglichen Regulierung auf nicht nur eine Methode verlassen.
„Die Natur hat für alle Insekten auch Gegenspieler parat“, sagt Dr. Kwang-Zin Lee vom Fraunhofer-Institut in Gießen. „Wir müssen diese natürlichen Gegenspieler finden, isolieren, vermehren und dann einsetzen.“
Mit Blick auf immer größere Probleme mit Schädlingen, fordern die NIKIZ-Projektpartner mehr politische Unterstützung für innovative Forschung. „Biologische oder biotechnologische Bekämpfung kann nur mit staatlicher Hilfe schneller die Chemie ersetzen. Die Politik ist hier gefordert, endlich deutlich mehr zu tun!“ erklärt Walter Manz, Vorsitzender des Verbandes der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer.
NIKIZ-Projekt
In dem Projekt NIKIZ engagieren sich neben 15 landwirtschaftlichen Betrieben die Uni Gießen, das Dienstleistungszentrum ländlicher Raum (DLR) Rheinland-Pfalz, die Zentralstelle für Entscheidungshilfen ZEPP, die ARGE Zuckerrübe Südwest, der Maschinenring Südpfalz, die Südzucker AG und die Stiftung Südwestdeutscher Zuckerrübenanbau.
Weitere Partner sind die Firma e-nema, die Vereinigung der Zuckerrübenanbauer e.V., die Universität Hohenheim und die Technische Hochschule Bingen. Der Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer e.V. in Worms koordiniert das Projekt.
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