In welchem Spannungsfeld sich die (grüne) Agrarpolitik bewegt, wird besonders in Zeiten wie diesen deutlich. Die Kräfte, die auf den Bundeslandwirtschaftsminister einwirken, reichen von höchsten Ansprüchen an Tierwohl und Umweltschutz bis hin zu Forderungen nach Produktionssteigerungen, um in der Krise einen größeren Beitrag zur Ernährung der Weltbevölkerung zu leisten.
Von Naturland erhielt Cem Özdemir während der Jubiläumsveranstaltung des Verbands viel Zuspruch und nur wenige Forderungen. Die Unwägbarkeiten, die sich aus dem Krieg in der Ukraine ergeben haben, scheinen an den grünen Pfeilern der Agrarpolitik kaum zu rütteln.
Heigl: Unterstützung nach Jahren politischen Gegenwinds
Naturland-Präsident Hubert Heigl eröffnete den Kongress ohne Wegschauen von den Sorgen, die die Klimaerwärmung und der Krieg in der Ukraine der Welt momentan bereiten. „Die Welt ist aus den Fugen geraten. „Extrem“ scheint das neue Normal zu sein“, sagte Heigl. Es sei frustrierend, dass die Ursachen für die Auswirkungen des Klimawandels bekannt seien – doch sie zu bekämpfen, setze eine Veränderungsbereitschaft voraus.
Heigl zeigte sich optimistisch, dass Minister Cem Özdemir die Veränderungen anstoßen wird. Nach Jahren des politischen Gegenwinds sei Özdemir Unterstützer der Biobranche. Für das Gelingen der Agrarwende müssten nun alle zusammenhalten, so Heigl – auch wenn es vor allem die grünen Agrarpolitiker gewesen seien, die der Einladung zum Jubiläumskongress unter dem Motto „Bio ist die Antwort!“ gefolgt sind.
In Frage gestellt wurden das System und die Ziele des Ökolandbaus mit Blick auf die Folgen des Ukraine-Kriegs nicht. Weil der Ökolandbau für den Wasserschutz stehe und kaum Energie für die Pflanzenschutz- und Düngemittelproduktion benötige, sei er für die Probleme gut gerüstet. „Ökolandwirtschaft ist Freiheitslandwirtschaft, bekräftige der Verbandspräsident.
Ankündigungen für Ökolandbau aus Koalitionsvertrag umsetzen
Die agrarpolitischen Ziele im Koalitionsvertrag der Ampelregierung lobte Heigl. So sei das 30-Prozent-Ziel für den Ökolandbau ein wichtiger Meilenstein. Heigl forderte Cem Özdemir aber auch dazu auf, nun Taten folgen zu lassen.
Für den Umbau der Nutztierhaltung müsse ein Finanzierungskonzept erarbeitet und eingeführt werden. Von der FDP forderte der Naturland-Chef, den Widerstand gegen eine Tierwohlabgabe aufzugeben. Die europäische Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) solle ökologisches Wirtschaften honorieren. Darüber hinaus erinnerte Heigl an die alte Forderung nach einer Pestizid- und Stickstoffsteuer nach dänischem Vorbild. Weiter sprach er sich für ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Biolebensmittel aus.
Özdemir: Regeln in der Agrarpolitik müssen Bestand haben
Auf die vielen Gemeinsamkeiten zwischen den Grünen und Naturland ging Cem Özdemir in seinem folgenden Grußwort ein. Naturland stehe für Fairness und Gerechtigkeit. Wie der internationale Verband wolle auch das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) die kleinen Bauern im globalen Süden stärken. Ein Beitrag dazu leiste das geplante Exportverbot „für bestimmte, gesundheitsschädliche Pflanzenschutzmittel“, so der Minister. Das Exportverbot räume außerdem Wettbewerbsnachteile für die deutschen Landwirte aus.
Zu den Forderungen nach einer schnelleren Umsetzung der agrarpolitischen Ziele erwiderte Özdemir, dass die Regelungen Bestand haben müssten, damit sie nicht gleich weggeht würden. Jede Maßnahme müsse daraufhin überprüft werden, ob sie nicht eine andere Krise weiter verschärft.
Insbesondere das Aussetzen der GLÖZ-Regeln zur Fruchtfolge und zu den Brachflächen sei dem Grünen-Politiker nicht leicht gefallen. Der Krieg verschärfe die Krisen, die bereits da sind. Bestrebungen, etwas gegen den Welthunger zu unternehmen, stammen laut Özdemir oft von Akteuren, die ohnehin schon gut verdienen.
Beim Naturland-Jubiläum bekannte Özdemir sich erneut zur Tierhaltung in Deutschland. „Wer in Kreisläufen denkt, braucht Wirtschaftsdünger“, erklärte er. Gleichzeitig müssten die Menschen weniger Fleisch konsumieren. Auch bestätigte der Minister, dass die im Agrarhaushalt vorgesehenen 150 Mio. Euro für die Zukunft der Tierhaltung noch keine Lösung zur Deckung der laufenden Kosten böten. Um den Landwirten Planungssicherheit zu geben, werde er alles tun.
Hier ist Ihre Meinung gefragt
Werden Sie Teil unserer Community und diskutieren Sie mit! Dazu benötigen Sie ein myDLV-Nutzerkonto.