„Sommermärchen“, „Syltapokalypse“ oder die „Bevölkerungsentlastung“ – das ab dem 1. Juni erhältliche neue 9-Euro-Ticket hat viele umschreibende Namenszusätze. Passend für die Bevölkerung auf dem Land ist allerdings keine davon.
Dort, wo man höchstens im Schulbus drei Mal täglich und mit einer Fahrzeit von 1,5 Stunden in die 5 km weit entfernte größere Ortschaft oder zum 10 km weit entfernten Bahnhof kommt, fällt dieser entlastende Plan, eher in die Kategorie „am Kunden vorbei“.
Das Land fällt durch
Es ist klar, dass für die aktuellen Entwicklungen und die in diesem Ausmaß nicht zu erwartenden Preisanstiege, nicht mal eben das Bus- und Bahnnetz ausgebaut werden kann. Doch einen differenzierten Plan, um jede Ecke Deutschlands unterstützend unter die Arme zu greifen, hätte ich von den politischen Damen und Herren erwartet.
Das Problem der schlechten Infrastruktur ist nichts Neues. Allerdings ist es für nur einen geringen Teil der Menschen in Deutschland sichtbar. Denn 77 Prozent der Bevölkerung leben in dicht besiedelten Gebieten und sind gut mit den ÖPNVs vernetzt. Für sie das 9-Euro Ticket ab Juni eine gute Sache. 15 Prozent der Deutschen hingegen haben ihren Lebensmittelpunkt in Dörfern mit einer Einwohneranzahl von unter 5.000 ohne gute Anbindung und ohne Chance das Ticket den Geldbeutel entlastend nutzen zu können.
Ja, wir lieben unsere Autos. Müssen wir aber auch.
Eine von ihnen bin ich. In meinem Dorf knacken wir noch nicht mal die 1.000. Schon vor Ende unsrer Schulzeit sind wir in keinen Bus mehr gestiegen. Sobald es möglich war, machten wir unseren Führerschein, egal ob für zwei oder vier Räder. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Was vom Städter oftmals als typisch Dorfkind abgestempelt wird, war und ist unsere einzige Möglichkeit den eigenen Dunstkreis und damit reden wir vom eigenen Dorf, selbstbestimmt verlassen zu können. Ohne ein Vehikel, das in irgendeiner Art und Weise mit Diesel oder Benzin angetrieben wird, geht hier schon immer vor allem auf den etwas längeren Wegen gar nichts. Ja, wir lieben unsere Autos. Allerdings geht es auch nicht anders.
Mobilität ist eine Frage der Postleitzahl
Eine Tatsache, die es schon immer gab und selbst im Jahr 2022 unfassbar schleppend den Weg in höhere politische Diskussion schafft. Anhand des 9-Tickets und seinen Nutzerzugängen wird wieder einmal deutlich, dass die Landbevölkerung in den einzelnen Bundesländern und in Berlin nur bedingt im Ideenraster hängen bleibt.
Und wer mir jetzt erzählt, dass es da doch Pläne und Ideen gibt, werfe ich noch mal die Jahreszahl 2022 in den Raum. Es ist traurig, dass es auch heute noch keine flächendeckenden guten Wege der Mobilität für die Landbevölkerung gibt. Das 9-Euro-Ticket ist er auf jeden Fall schon mal nicht.
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