Agrarhandel: So stoppt Russland einen neutralen Frachter für Getreide

Auf dem Schwarzen Meer wird die Lage für Frachtschiffe zunehmend volatil. Erstmals stoppte die russische Marine den Getreidefrachter eines neutralen Staates auf dem Weg in einen ukrainischen Hafen. Nach einer Durchsuchung konnte das Schiff seinen Weg fortsetzen, lief aber zunächst nicht wie geplant den Hafen von Ismaijl an.

Das Video zeigt den türkischen Frachter Sukru Okran, der unter Flagge Palaus im Schwarzen Meer unterwegs ist. Dort wurde er vom russischen Kriegsschiff Vasily Bykov mit Warnschüssen gestoppt. Laut russischen Angaben habe das Schiff eine Aufforderung ignoriert, zur Inspektion anzuhalten. Mittels eines KA-29-Militärhubschraubers hätten russische Soldaten anschließend das Schiff betreten, untersucht und dann zur Weiterfahrt freigegeben. Laut russischen Behörden sei die Sukru Okran auf dem Weg zum ukrainischen Hafen Ismajil gewesen. Das türkische Verteidigungsministerium erklärte, das Schiff sei auf dem Weg nach Rumänien gewesen. Ein Sprecher des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nannte den Vorfall einen "eindeutigen Verstoß gegen internationales Seerecht, einen Akt der Piraterie und ein Verbrechen gegen zivile Schiffe eines Drittstaates in den Hoheitsgewässern anderer Staaten".
Reagierten die Getreidepreise auf den Vorfall?
Bei den internationalen Getreidepreisen machte sich die Untersuchung des Frachters Sukru Okran nicht bemerkbar. Der dreimonatige Mais-Kontrakt an der Matif in Paris (Lieferdatum November 2023) rutschte im Preis von 222,75 €/Tonne am Freitag, den 11. August auf 216,50 €/Tonne am Montag, den 14. August. Der Matif-Kontrakt für Mahlweizen (September 2023) verlor ebenfalls und sank von 236,50 €/Tonne auf 230,50 €/Tonne.
Wesentlich stärkere Auswirkungen auf die Getreidepreise dürfte die Veröffentlichung des jüngsten Berichts des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums USDA vom Wochenende gehabt haben. Dieser geht unter anderem von einer US-Getreideernte aus, die höher als erwartet ausfallen soll. Lesen Sie dazu auch: Getreideernte mit massiven Qualitäts-Problemen: fehlt bald Brotweizen?
So lief die Untersuchung der Sukru Okan
Wie der amerikanische Nachrichtensender CNN unter Berufung auf die türkische Reederei berichtet, sei die Sukru Okan auf dem Weg zum Hafen von Ismajil gewesen, um dort Getreide an Bord zu nehmen, das für Europa und die Türkei bestimmt sei. Auf dem Weg dorthin wurde das Schiff von der russischen Marine per Funk aufgefordert, zur Inspektion zu stoppen. Die zwölfköpfige Besatzung habe daraufhin versucht, mit dem Frachter türkische Hoheitsgewässer zu erreichen. Anschließend sei ein Hubschrauber von der Vasily Bykov gestartet und habe weitere Warnschüsse abgefeuert. Ein von der Besatzung des Schiffes aufgenommenes Video zeigt den Hubschrauber, der knapp über dem Deck schwebt. Russische Soldaten hätten dann den Frachter rund eine Stunde lang durchsucht. Danach habe man den Kapitän aufgefordert, ein Schriftstück in russischer Sprache zu unterzeichnen, laut dem bei der Durchsuchung keine Verletzungen oder Schäden entstanden seien. Schließlich habe man der Besatzung gestattet, die Reise fortzusetzen.
Wie ist die Vorgeschichte zum Vorfall?
Bereits vor knapp zwei Wochen haben sich, wie Focus Online auf das US-Wirtschaftsmagazin Forbes berichtet, Frachter der russischen Aufforderung widersetzt, die Durchfahrt des Schwarzen Meers mit Ziel auf ukrainische Häfen zu unterlassen. Die russische Marine habe darauf jedoch nicht reagiert. Wie Focus Online auf Berufung unter das amerikanische Insitute for the Study of War weiter berichtet, habe dies daran liegen können, dass russische Streitkräfte die Schiffe entweder nicht habe aufhalten können oder wollen. Die Schiffe seien außerdem von mehreren Aufklärungsflugzeugen der NATO begleitet worden.
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