Die Debatte zum Agrarhaushalt hatte am Donnerstag (8.9.) kaum begonnen, da musste Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas sie am Abend unterbrechen. Wegen der Nachricht vom Tod der britischen Königin Elizabeth II hielten die Abgeordneten kurzfristig eine Gedenkminute zu Ehren der Queen ab.
Zuvor hatte Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) vor allem an den Koalitionspartner FDP appelliert, endlich einem Kompromiss bei der Finanzierung einer Tierwohlabgabe zuzustimmen. Im Haushalt stünden für 2023 rund 150 Mio. € für den Umbau der Tierhaltung für Investitionen in Stallgebäude zur Verfügung. „Aber die Politik ist gefordert, die laufenden Kosten für mehr Tierwohl zu finanzieren“, mahnte er an. Gutes Fleisch soll laut Özdemir weiter aus Deutschland kommen. „Auch Gemüse und Getreide brauchen Wirtschaftsdünger“, so Özdemir. Damit wollte er sein Bekenntnis zur Tierhaltung in Deutschland unter Beweis stellen. „Ein Weiter so darf es aber nicht geben, der Haushalt treibt den Wandel in der Landwirtschaft voran“, versicherte er gegenüber dem Plenum.
Auernhammer: Gekürzter Zuschuss für Berufsgenossenschaft ein Fehler
In die offene Flanke der fehlenden Finanzierung von mehr Tierwohl stieß natürlich die Opposition. CSU-Abgeordneter Artur Auernhammer forderte Özdemir auf, endlich die Empfehlungen der Borchert-Kommission umzusetzen, um Tierhaltern Planungssicherheit zu bieten. „Oder wollen Sie die Tierbestände doch halbieren?", fragte er Özdemir.
Zudem verlangte Auernhammer, dass die Ampelkoalition zügig die Verbraucher bei den Energiekosten entlasten müsse. Viele könnten sich höhere Lebensmittelpreise nicht mehr leisten. „Hofläden und Direktvermarkter stehen vor dem Aus. Viele mobile Hühnerställe stehen leer, weil Verbraucher die höheren Eierpreise nicht mehr bezahlen können“, warnte der CSU-Abgeordnete. Als falsch bezeichnete er, dass der Zuschuss für die Berufsgenossenschaft nicht wieder erhöht werde, um Landwirte zu entlasten. Bereits in diesem Jahr hatte der Bund den Zuschuss von 175 auf 100 Mio. € gesenkt.
Bilger: Anwalt der Landwirte ist ein Totalausfall
Noch härter ins Gericht mit Özdemir ging Steffen Bilger, stellvertretender CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender. „Herr Özdemir, in der aktuellen Krise sind Sie als Anwalt der Landwirte ein Totalausfall“. Bilger monierte, dass im Haushalt keine Mittel vorgesehen sind, um Landwirte von den hohen Energiekosten zu entlasten. Ebenso warf er Özdemir vor, für den Umbau der Tierhaltung „kein frisches Geld“ für Stallinvestitionen bereit zu stellen. Unter anderem kürzt der Bund die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK). Laut Ina Latendorf, Die Linke, sind im Haushaltsentwurf 41 Mio. € weniger GAK-Mittel vorgesehen.
Zudem fehle der Regierung der Mut, sich neuen Züchtungstechnologien zu öffnen, und mehr Geld für die Forschung auszugeben, kritisierte die Union.
FDP: Grüne müssen vom ideologischen Baum runter
FDP-Agrarsprecher Gero Hocker betonte, die Liberalen reichten bei der Tierwohlfinanzierung SPD und Grünen die Hand. „Das ist ein großer Schritt auf die Koalitionspartner zu. Wir befürworten eine Kompensation von beispielsweise 40 ct/kg Fleisch für Tierhalter“, formulierte er das Angebot. Gleichzeitig nannte er aber die Bedingungen: Die Kompensation ist für die Finanzierung von Investitionen und der laufenden Kosten. Und für die Abschreibungsdauer von 20 Jahren müssen Landwirte die Sicherheit haben, dass keine neuen Auflagen auf sie zukommen. „Die Grünen müssen nun von ihrem ideologischen Baum herunterkommen“, meinte Hocker.
Nach Auffassung der Linken ist der Agrarhaushalt „ein Trauerspiel“. So stünden weniger als ein Prozent der Mittel für den notwendigen Umbau der Landwirtschaft und des Waldes zur Verfügung, dagegen gebe der Bund mit 100 Mrd. € zu viel Geld für Rüstung statt für Nahrungsmittel aus, beklagte Ina Latendorf. Auch sie vermisst wirksame Entlastungen für Landwirte.
Noch keine Klarheit für Waldbauern
„Die Landwirte kommen im 65 Mrd. € schweren Entlastungspaket nicht vor“, monierte Peter Felser, AfD. Dabei haben auch sie unter steigenden Energie- und Düngerkosten schwer zu leiden. Zudem müssen sie ab Herbst auch mit höheren Tierarztgebühren rechnen. Schwere Vorwürfe erhob er gegen Özdemir, weil bisher immer noch nicht bekannt sei, welche Kriterien Waldbauern erfüllen müssen, um die 200 Mio. € für Ökosystemleistungen zu bekommen. Erst für Ende September habe der Bund die Verordnung angekündigt. „Kleinwaldbesitzer gehen dann leer aus“, prognostizierte Felser. „Die können so schnell die Auflagen nicht erfüllen.“ Er warnte daher vor Mitnahmeeffekten bei den „großen Waldbesitzern“.
Waldbrandbekämpfung bei Ökosystemleistungen mitdenken
Esther Dilcher (SPD) kam die schwere Aufgabe zu, nach der Gedenkminute für die verstorbene britische Königin, wieder zur Tagesordnung überzugehen. Ihr lagen vor allem die Walbrände am Herzen, wie aktuell im Harz am Brocken. Sie forderte, dass bei der Honorierung von Ökosystemleitungen die Waldbrandbekämpfung eine Rolle spielen sollte. Zudem ärgerte sie sich, weil Özdemir im Haushaltsentwurf für 2023 erneut keine Mittel für die Rehkitzrettung und Tierheime vorgesehen hat. „Aber das werden wir wie im vergangenen Jahr in den Beratungen im Haushaltsausschuss klären“, gab sie sich zuversichtlich. Beim Haushalt 2022 wurde in diesen Punkten in den Ausschussberatungen nachgebessert.
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