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Gentechnikrecht

Aktualisiert: Debatte bei den Grünen zur neuen Gentechnik

Schere teilt DNA-Strang
am Donnerstag, 11.06.2020 - 15:45 (Jetzt kommentieren)

Ein Thesenpapier von 22 Grünen-Mitgliedern über ihre Positionierung zur neuen Gentechnik, das in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, löste in der Bundestagsfraktion eine Debatte aus. Die Fraktion kam zu dem Entschluss, sich für die bestehende strenge Gentechnik-Regulierung in Europa auszusprechen. Damit ziehen die Grünen eine sich nach Jahrzehnten aufzeigende veränderte Haltung zur Gentechnik zurück.

Eine deutliche Mehrheit der Bundestagsfraktion habe entschieden, für die neue Gentechnik einschließlich der CRISPR/Cas-Methode die Beibehaltung der strengen Regelungen und der Kennzeichnung zu fordern. Auf EU-Ebene und nationaler Ebene solle das geltende Recht weiterhin als Mindeststandard im offenen System und bei Freisetzungen angewandt werden, heißt es im Beschluss der Fraktion.

In der letzten Woche hatten die Unterzeichner des Thesenpapiers bessere Rahmenbedingungen für die Forschung an gentechnisch veränderten Organismen (GVO) gefordert, um die Herausforderungen in der Landwirtschaft bewältigen zu können. Die bisherigen Strategien einer nachhaltigen Landwirtschaft reichten nicht mehr aus, um den Planeten zu retten, warnen die Unterzeichner.

Für die 22 Parteimitglieder, darunter namhafte Politiker der europäischen sowie bundes- und landesweiten Ebene, verlangt das noch für dieses Jahr geplante neue Grundsatzprogramm der Grünen eine Neubewertung der Gentechnik-Verfahren. Ökolandbau, Sortenvielfalt, angepasste Anbaumethoden und Fruchtfolgen leisteten bereits einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit, betonen die Autoren. Doch selbst bei einer vollen Ausnutzung dieser Potenziale seien Klimawandel und Flächenfraß, die globale Ernährungsfrage sowie der Erhalt der Artenvielfalt nicht mehr im notwendigen Tempo zu bewältigen.

Daher müsse der gesetzliche Rahmen zum Umgang mit GVO überarbeitet und den wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden, heißt es im Thesenpapier. Entscheidend sei bei der Gentechnik nicht das jeweilige Verfahren, sondern das Ergebnis und die Folgen für Mensch und Umwelt.

Der Zweck heiligt die Mittel

Der Debattenbeitrag der Grünen stellt klar, dass die neue Gentechnik Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft sowohl fördern als auch schädigen kann. Wenn neue, resistente Pflanzenzüchtungen von Großkonzernen zu einem erhöhten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf den Flächen führen, stehe dies nicht im Einklang mit der parteipolitischen Zielsetzung.

Dagegen seien ein geringerer Pflanzenschutz- und Düngemitteleinsatz sowie höhere Erträge Ziele, die den Einsatz neuer Verfahren in der Gentechnik rechtfertigten, äußern die Parteimitglieder. 130 EU-weite Forschungsprojekte hätten im Zeitraum von 1985 bis 2010 gezeigt, dass GVO und Biotechnologie nicht mehr Risiken in sich bergen würden als konventionelle Züchtungsmethoden. Auch in den letzten Jahren seien bei der Gentechnik zahlreiche Erfolge verzeichnet worden.

Die gegenwärtige Rechtslage beim Patentschutz und in der Biotechnologie sorge allerdings für Monopolstellungen großer Konzerne. Die Zulassungsverfahren seien teuer und mit hohem Aufwand verbunden und könnten daher im Moment „nur von wenigen Großunternehmen geleistet werden“, kritisieren die Unterzeichner des Papiers.
Es müssten deshalb rechtliche Regelungen geschaffen werden, um die Forschung an GVO durch öffentliche Einrichtungen und mittelständische Unternehmen zu fördern. Auch müssten in Deutschland Feldversuche mit GVO durchgeführt werden, um eine Forschung überhaupt zu ermöglichen.

Beispielhaft für eine zielgerichtete Anwendung neuer biotechnologischer Verfahren sei die Rote Gentechnik in der Humanmedizin: Ca. 280 gentechnisch erzeugte Arzneimittel hätten sich in Deutschland erfolgreich auf dem Markt etabliert.

CRISPR/Cas widerspricht dem Vorsorgeprinzip nicht

Als „große Chance für eine nachhaltige Landwirtschaft“ bezeichnet das Thesenpapier die umstrittene CRISPR/Cas-Methode. So sei es für den Großteil der Wissenschaftlicher hinsichtlich möglicher Risiken nicht entscheidend, „ob ein Organismus durch radioaktive Strahlung, Chemikalien, oder der Natur entlehnter CRISPR/Cas9-Verfahren genetisch verändert wurde“. Die umfassende Risikoabschätzung in Europa müsse weiter durchgeführt werden, jedoch bedürfe es dazu einer einheitlichen Anwendung des Vorsorgeprinzips. Um dieses zu stärken, sei die Partei gefordert, nachprüfbare Kriterien in der Technikfolgenabschätzung aufzustellen.


„Konkrete Fakten“ und „naturwissenschaftlich nachvollziehbare Argumente“ müssten laut Thesenpapier die Grundlage für die Bewertung einer Technologie bilden. So gelte die sogenannte ungerichtete Mutagenese als sicher und unterliege nicht den GVO-Regelungen. Dass die Vorschriften jedoch die zielgerichtete Mutagenesen wie CRISPR/Cas einschließen, sei nicht hinreichend begründet.

(Anmerkung d. Red.: Der Artikel wurde aktualisiert am 18. Juni 2020, 18:00 Uhr.)

Mit Material von dpa
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