Nun hatten sie wieder alle ihren Auftritt auf der Grünen Woche. Landwirte brachten ihren Frust auf die Straße, ob sie nun eher rechtsdrehend (also konventionell, marktorientiert, konservativ) oder linksdrehend (also ökologisch orientiert, umweltverliebt, bunt) waren. Das lief alles recht zivil ab (bis auf ein paar Blödiane, die in Nürnberg rechtsnationale Parolen herumfuhren). Man besuchte sich sogar artig auf der jeweils anderen Demonstration.
Von Schulterklopfern und Schlagzeilenmachern
Bauernpräsident Joachim Rukwied hatte die glorreiche Idee, die Grüne Woche als das „Davos“ der Landwirtschaft zu bezeichnen und sich in einer Pressekonferenz selbst auf die Schulter zu klopfen, für die vielen erzielten Kompromisse. Macht ja sonst keiner.
Nebenan stellten Bioland-Präsident Jan Plagge („Politik hat Probleme jahrzehntelang verschleppt“) und Felix Prinz zu Löwenstein vom Bund ökologischer Lebensmittelwirtschaft („Aus der Agrarwende wird eine Zeitenwende, wir müssen uns darauf einstellen, künftig ganz anders zu leben”) öffentlich wieder einmal die Systemfrage.
Und Greenpeace schaffte es tatsächlich, mit einer “Studie” Schlagzeilen zu machen, wie sich die Landwirtschaft mit zehn Euro pro Monat reformieren ließe. Und das, ohne auch nur im Ansatz darüber nachzudenken, wie sich dies mit gängigen weltweiten Handelsbeziehungen vertragen würde.
Bullerbü ist tot, es lebe Bullerbü
Eine Frau war natürlich überall, Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner.
Sie erklärte den Agrarjournalisten, dass Bullerbü-Romantik in der modernen Landwirtschaft nicht angebracht sei, führte diese dann Minuten später durch die Messehalle ihres Ministeriums, wo Landwirtschaft den Verbrauchern während der Grünen Woche in einem sehr aufwändigen Parcours als digitaler Reinraum präsentiert wird – so etwas wie Bullerbü 4.0.
Auch sie klopfte sich vor der Presse selbst auf die Schulter, weil sie 71 Agrarminister in Berlin versammelt hatte, beim Global Forum für Food and Agriculture. Mit ihren Amtskollegen sang sie kurz danach das Hohelied des Welt-Agrarhandels: „Wir werden deshalb den Handel fördern, da er Wohlstandsgewinne erzeugt, indem er zu ressourcen- und kosteneffizienter Erzeugung anregt und Produktivität und Qualität verbessert” stand in der Abschlusserklärung. Dass genau das die Sorge der inländischen Landwirte ist, nämlich dass globale Lebensmittelströme kleine Betriebe und deren hochwertige, teure Lebensmittel vom Markt fegen, stand da hingegen mit keinem Wort.
Und dann kam noch der persönliche Höhepunkt für Frau Klöckner: Die Rekordzahl von 150 Produktköniginnen (also Milch-, Wein-, Wald- etc.) lächelten mit ihrer berühmtesten Ehemaligen gemeinsam in die Kamera. Schöner kann Bullerbü wirklich nicht sein.
Charmant sein ist nicht genug
Das wäre alles lustig, wenn es nicht so bitter wäre. Fatalerweise hat Rukwied recht. Die Grüne Woche ist wie Davos, wo jeder – von Trump bis Thunberg, respektive von Klöckner bis Greenpeace – von der jeweiligen Echokammer genau den Beifall erhält, den er oder sie für sich braucht.
Und genauso wenig, wie es in Davos ein gemeinsames Verständnis von Weltproblemen gibt, gab es dies in Berlin für die Probleme der Landwirtschaft. Daran änderte auch das erste Dialogforum nichts, auf dem Frau Klöckner in der Reinraum-Halle ihres #Lebensministeriums mit den versammelten Experten zu der großartigen Erkenntnis kam, dass landwirtschaftliche Fachsprache das Verständnis der Bevölkerung für die Branche erschwere.
Einen Grund zu Hoffnung gab es auf der Grünen Woche dennoch: Mehr Verständnis für die jeweils anderen Standpunkte innerhalb der Bauernschaft. Mehr gemeinsame Wut darüber, dass die zuständige Bundesministerin kein eigenes Zukunftskonzept für die Landwirtschaft hat und auch nicht daran arbeitet, sondern schlicht mit Charmeoffensiven versucht, die Gemüter zu beruhigen. Und vielleicht auch etwas mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit für die Sorgen und Nöte der Branche. Letzteres birgt die Chance, dass die Zukunft der Landwirtschaft zum Wahlkampfthema wird. Diese einfache Sprache werden auch Berufspolitiker wie Julia Klöckner verstehen.
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