Ab 2024 soll der Jahreswirtschaftsbericht (JWB) des Bundes durch einen Indikator zur Biodiversität ergänzt werden. Das geht aus dem aktuellen JWB hervor, den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gestern (25.1.) in Berlin vorgestellt hat.
Mit dem Jahreswirtschaftsbericht legt die Bundesregierung alljährlich eine Übersicht über die wirtschaftliche Entwicklung in der Republik vor. So rechnet Habeck für 2023 beispielsweise mit einer Inflationsrate von 6 Prozent nach 7,9 Prozent im vergangenen Jahr.
Um die Entwicklung „im komplexen Teilbereich der ökologischen Grenzen noch besser durch geeignete Indikatoren abzudecken“, soll die Wohlfahrtsmessung künftig um einen Indikator zur Artenvielfalt ergänzt werden.
Artenvielfalt wird durch den Indikator einseitig interpretiert

Das Konzept, das Wirtschaftsminister Habeck vorschlägt, wirft allerdings eine Reihe von Fragen auf. Als Maßstab soll im Jahreswirtschaftsbericht künftig nämlich der bereits in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) verwendete Indikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ genutzt werden. Dieses Barometer der Biodiversität wird vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) und dem Umweltbundesamt (UBA) ausgewiesen.
Zurzeit wird der Indikator überarbeitet, und das aus gutem Grund:
- Die „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ wird ausschließlich anhand des Bestandes ausgewählter Vogelarten gemessen. Andere Arten, zum Beispiel aus dem Bereich der Säugetiere oder Insekten, werden nicht berücksichtigt.
- Der Indikator wurde zuletzt für 2016 ausgewiesen. Die Zeitreihe wird also einen Bruch aufweisen, wenn sie ab 2023 fortgeschrieben wird.
- Die Datenbasis für den Indikator liefert bisher keine unabhängige wissenschaftliche Organisation, sondern der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA). Das ist ein Zusammenschluss ornithologischer Organisationen auf Landes-, regionaler und lokaler Ebene. Die Kerntätigkeit der DDA ist nach eigenen Angaben die Vogelzählung durch mehr als 50.000 ehrenamtliche Vogelfreunde.
- Laut Angaben des UBA ist dieser Vogelbestandsindex ausgehend von einem Wert von 107 Indexpunkten in 1970 zunächst steil gefallen und betrug 2016 nur noch 71. Der Schwachpunkt: Für 1970 wurde der Index „rekonstruiert“, weil er damals nicht erhoben wurde.
- Für den Zeitraum 2000 bis 2016, für den die Daten erhoben und ausgewiesen wurden, schwankt der Bestandsindex in einer relativ engen Bandbreite. Das Minimum wurde 2011 mit 66,2 Punkten erreicht, der Maximalwert 2004 mit 72,5. In den Teilindizes für unterschiedliche Lebensräume kommen allerdings Einbrüche in der Größenordnung von 8 Prozent von einem auf das andere Jahr vor, die im Jahr darauf wieder aufgeholt werden. Das weckt Zweifel an der Datenqualität.
- Der Zielwert von 100 Punkten im Jahr 2030 scheint – ausgehend von der Entwicklung der Jahre 2000 bis 2016 – unerreichbar. Der Bund hatte dieses Problem schon einmal, als der Index 2002 als Schlüsselindikator für die nachhaltige Landnutzung entwickelt wurde. Damals sollte der Zielwert 100 bis zum Jahr 2015 erreicht werden. Weil dies nicht gelang, wurde die Frist kurzerhand bis 2030 verlängert.
Lebensraum Agrarland schneidet im Vergleich schlecht ab
Der Bund kündigt nun im Jahreswirtschaftsbericht an, den Biodiversitätsindikator ab 2023 mit überarbeiteten und aktuelleren Daten regelmäßig fortzuschreiben. Für die Landwirtschaft könnten daraus zusätzliche Diskussionen über den Erhalt der Artenvielfalt in der Kulturlandschaft resultieren. Der Teilindex des Vogelbestandes auf Agrarland ist mit einem Wert von 60,6 für 2016 nämlich deutlich niedriger als die Teilindizes für Wald und Siedlungsraum oder auch als der Gesamtindex. Nur der Teilindex für den Vogelbestand entlang der Küsten und Meere bewegt sich auf ähnlich niedrigem Niveau.
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