Im Interview mit agrarheute bezieht der womöglich nächste agrarpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag klar Position. Auernhammer wirft dem Bundesagrarressort "Vertragsbruch" vor, wenn jetzt der Beschluss der Agrarministerkonferenz vom April umgangen werden sollte.
Der gelernte Landwirt fürchtet, das Agrarressort lasse sich mit dem SPD-geführten Umweltministerium auf einen Kuhhandel ein, bei dem die Bauern gleich dreimal über den Tisch gezogen würden.
Das Interview
Herr Auernhammer, noch im April haben Bund und Länder auf der Agrarminsterkonferenz in Landau bekräftigt, dass es in der laufenden Förderperiode bei einer Umschichtung von 4,5 Prozent der Direktzahlungen in die 2. Säule bleibt. Jetzt will dass Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) offenbar eine höhere Umschichtung vorschlagen, um die Zustimmung der SPD zum Gesetz über das Tierwohllabel zu sichern. Spielt die Unionsfraktion da mit?
Ich halte nichts von politischen Koppel- beziehungsweise Tauschgeschäften. Hierbei gewinnt niemand. Feilschen wie auf einem Markt schließt sich in der Politik aus. Einer wird dabei häufig über den Tisch gezogen.
Meine Befürchtung ist, dass die Bäuerinnen und Bauern in Deutschland dreimal über den Tisch gezogen werden:
- mit einer spürbaren Kürzung der Direktzahlungen durch eine erhöhte Umschichtung,
- mit unerfüllbaren Kriterien eines umstrittenen Tierwohllabels und
- beim Aktionsprogramm Insektenschutz mit unter anderem einer Biodiversitätsauflage für eine verpflichtende Flächenstilllegung, wenn Pflanzenschutzmittel im Betrieb eingesetzt werden.
Der Beschluss der Agrarministerkonferenz in Landau vom 12. April 2019 bekräftigt die Münchner Beschlüsse der Agrarministerkonferenz vom 4. November 2013: „In der ersten Säule erfolgt ab 2015 eine Umschichtung von Mitteln in die zweite Säule in Höhe von 4,5 % des Direktzahlungsvolumens.“
Die Länder sprechen sich also auch heute noch für Verlässlichkeit und Vertragstreue aus. Eine Erhöhung des Umschichtungssatzes von 4,5 Prozent auf ein höheres Niveau ist Vertragsbruch. Politische Verlässlichkeit und Stabilität sehen anders aus.
Stimmt es, dass das Agrarressort bis zu 6 Prozent umschichten will?
Die Verhandlungspositionen des Bundesumweltministeriums (BMU) und des BMEL liegen mir nicht vor. Verhandelt wird auf höchster politischer Beamtenebene.
Ich gehe davon aus, dass für das BMEL der Beschluss der Agrarministerkonferenz in Landau die Verhandlungslinie vorgibt: Umschichtung im Umfang von 4,5 Prozent, wie bisher.
Was sind Ihre Forderungen, falls das BMEL den AMK-Beschluss von Landau bricht?
Jeder Prozentpunkt, um den der Umschichtungssatz erhöht wird, kostet die deutschen Bäuerinnen und Bauern derzeit rund 50 Millionen Euro jährlich in der ersten Säule. Meine Forderung lautet: Die Umschichtung von 4,5 Prozent ist auch im Jahr 2020 fortzuschreiben. Hierfür braucht es im Gesetz die Änderung einer Jahreszahl. Mehr nicht.
Zeitdruck besteht für die Bundesregierung und die Länder. Wenn bis zum 31. Dezember gegenüber der Europäischen Kommission der vorgesehene Umschichtungssatz für 2020 nicht fristgerecht gemeldet ist, gibt es im Jahr 2021 keine Umschichtung, auch nicht im bisherigen Umfang von 4,5 Prozent. Das Förderchaos in den Bundesländern in den Programmen der 2. Säule wäre vorprogrammiert. Im Ergebnis würden im Jahr 2020 mehr Mittel für Direktzahlungen zur Verfügung stehen. Damit kann ich sehr gut leben.
Beschlüsse von Agrarministerkonferenzen, die einstimmig gefasst werden und gerade einmal vier Monate Bestand haben, braucht niemand. Weder die Bäuerinnen und Bauern noch die Politik. Das kann man dann auch lassen.
Intern geht das BMEL davon aus, dass die nächste EU-Agrarreform nicht vor 2023 greifen wird. Erleben wir gerade den Versuch, wegen der längeren Laufzeit die Umweltanforderungen an die Direktzahlungen jetzt auf nationaler Ebene vorgezogen zu erhöhen?
Kluges politisches Handeln sorgt in bewegten Zeiten – ich nenne hier nur stichpunktartig Brexit, wirtschaftliche Depression, Bewältigung der Auswirkungen eines sich ändernden Klimas etc. – für Stabilität. Es geht um die ländlichen Räume, um Existenzen, um Familien, um Bäuerinnen und Bauern.
Ideologisch geführte Debatten über erhöhte Umweltanforderungen helfen jedenfalls nicht, Perspektive, Planungssicherheit und Stabilität zu geben.
Eine Reform des politischen und finanziellen Herzstücks der Europäischen Union halte ich daher in der jetzigen Situation für nicht vertretbar. Wir sollten offen diskutieren, ob es nicht besser wäre, die vorliegenden Kommissionsvorschläge bei Seite zu legen, um einen ziel- und lösungsorientierten Dialogprozess starten und auch über Instrumente wie Kappung und Degression zu diskutieren.
Offenbar plant das BMEL weitere Zugeständnisse gegenüber dem SPD-geführten Umweltministerium. So sollen die vom Umweltbundesamt geforderte Biodiversitätsauflage für den Pflanzenschutz Teil der Zulassungsanforderungen werden. Ist das aus Ihrer Sicht akzeptabel?
Für die geforderte Biodiversitätsauflage gibt es derzeit keine rechtliche Grundlage. „Die Schaffung von Ausgleichsflächen sehe das EU-Pflanzenschutzmittel-Zulassungsrecht nicht vor“, lautet die Aussage des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz in einem Besprechungsprotokoll der Bundesregierung. Ob das dem Bundesumweltministerium nun gefällt oder nicht: auch für ein SPD-geführtes Haus und seine nachgeordneten Behörden gilt das EU-Recht.
Ich kann die Bundesumweltministerin nur davor warnen, Klagen der Pflanzenschutzmittelhersteller zu provozieren. Ein Urteil, dass die Unvereinbarkeit mit geltendem EU-Recht feststellt, verknüpft mit Schadenersatzforderungen insbesondere der Hersteller, hat die Bundesumweltministerin politisch zu verantworten und aus ihrem Haushalt zu begleichen. Billig wird dies sicher nicht.
Beim Aktionsprogramm Insektenschutz sucht das BMEL ebenfalls den Kompromiss mit dem BMU. Was ist hier zu erwarten?
Das Aktionsprogramm Insektenschutz ist im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Angesichts der aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussion zum Erhalt der Arten ist ein zielgerichtetes und alle Bereiche umfassendes Vorgehen zu wählen. Einseitige Belastungen für die Bäuerinnen und Bauern lehne ich ab. Details zum aktuellen Verhandlungsstand liegen mir bisher allerdings nicht vor.
Auch beim Tierwohllabel soll das BMU künftig im Einvernehmen mitentscheiden, nämlich über die Tierwohlkriterien für die Schweinehaltung. Tragen CDU/CSU das mit?
Eine umfängliche Einvernehmensregelung für das Bundesumweltministerium stellt eine Abkehr vom Ressortprinzip dar. Eine Kompetenzverteilung bei Fragen zum Tierschutz auf zwei Ministerien hat zwei zentrale Nachteile: Effizienzverlust und höhere Kosten. Die Einvernehmensregelung aus der Pflanzenschutzmittelzulassung sollte uns allen hier eine mahnende Lehre sein.
Der Beweggrund der Bundesumweltministerin liegt auf der Hand: Immer mehr Aufgaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums reinholen, damit irgendwann die Frage gestellt wird: Braucht es ein eigenes Bundeslandwirtschaftsministerium noch?
Die Agrarwirtschaft hat mehrfach eine verpflichtende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung statt eines freiwilligen Labels gefordert. Welches Modell favorisieren Sie?
Wir brauchen einen Dreiklang, um den Tierschutz in der Nutztierhaltung europaweit zu verbessern. Auf den Weg zu bringen sind:
- die Novelle der EU-Tierschutz-Transport-Verordnung,
- die Novelle der EU-Tierschutz-Schlacht-Verordnung und
- die Schaffung einer Rechtsgrundlage in der Europäischen Union zur Einführung einer EU-weit verpflichtenden Haltungs- und Herkunftskennzeichnung von Fleisch sämtlicher Tierarten.
Am kommenden Mittwoch (21.8.) soll das Gesetzespaket vom Bundeskabinett beschlossen werden. Wird dieser Ausverkauf der landwirtschaftlichen Interessen noch aufzuhalten sein?
Nach den mir vorliegenden Kenntnissen ist für den 21. August keines der drei Vorhaben auf der Tagesordnung der Kabinettsitzung.
Zeitlicher Druck besteht für keines der drei Vorhaben. Für die Wahrung der Interessen der Bäuerinnen und Bauern in Deutschland werde ich mit Nachdruck eintreten.
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