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Bauern in den Bergen: Warum Veganer Heidi hassen

Heidi
am Samstag, 30.07.2022 - 06:30 (5 Kommentare)

Eine Alm bietet nur noch vegetarische und vegane Erfrischungen an. Doch so verkommen die Alpen zur reinen Freizeitkulisse. Zudem schadet es dem Naturschutz.

Erinnern Sie sich noch an Heidi? Die kleine Göre, die zu ihrem Großvater Almöhi in die Berge abgeschoben wird und dort die Freude des einfachen Lebens kennenlernt? Nicht zu vergessen den sympathischen Geißenpeter, seines Zeichens Ziegenhirt. Heidi und der Liebhaber der Geschichten lernen zweierlei: Das Leben dort oben ist hart, aber schön. Das ist die offensichtliche Lehre. Und dann im Subtext: Schön ist es nur, weil Almöhi und Geißenpeter Teil einer jahrhundertealten Landwirtschaft sind, die die Kulturlandschaft der Alpen geschaffen hat.

Eine Alm nur für fleischlose Küche

Die Franz-Fischer-Hütte in den österreichischen Alpen geht einen neuen Weg. Sie liegt sehr malerisch auf 2.020 Metern Höhe, Bergidylle aus dem Bilderbuch, mit Mosermandl, Faulkogel und Rothorn im Hintergrund und einigen pittoresken Badeseen. Die Speisekarte bietet allerlei: Veggiebrot in groß und klein, Käferbohnenknödel, falsches Rührei ... Alles sieht sehr lecker aus und schmeckt bestimmt auch so.

Nur Speck, Würstel und Klassiker wie Spaghetti Bolognese sucht man vergeblich. Denn die Alm bietet nur vegane und vegetarische Spezialitäten an. Sei es drum; die hungrigen Bergwanderer nehmen es dankend an.

Almbauern haben keinen Platz

Doch ein flaues Gefühl bleibt. Denn folgt man der Philosophie der veganen oder vegetarischen Lebensform konsequent, ist die ganze Almwirtschaft im Grunde überholt. Warum noch mühsam Tiere halten, ihre Milch und ihr Fleisch verwenden? In einer Welt, die behauptet, Tiere zu nutzen sei grundsätzlich falsch, haben Almbauern wie unser Almöhi oder der Geißenpeter und die vielen, die heute noch dort oben wirtschaften keinen Platz.

Ja, klar: Almöhi könnte die Kohle, die er für seine Kate in den Bergen bekommen hat, in einem Yoga-Retreat in Kerala verjubeln. Und der Geißen-Peter fände bestimmt ein Start-up in Berlin, wo er ein Sojalatte trinken und die zehnte Dating-App erfinden kann. Aber für die Natur ist der Verlust der Vielfalt der Kulturlandschaft eine Katastrophe.

Gut 4.000 Jahre lang war die Weidewirtschaft in den Alpen die menschliche Antwort auf das Leben in der Schräge. Ohne die Bergbauern und ihre Viehwirtschaft verschwinden die Almen und damit viele der hübschen Blumenwiesen. Der Wald holt sich die Berge zurück. Schon heute ist das zu beobachten.

Wald erobert die Berge zurück

Viele Hänge, die früher Wiese waren, sind jetzt wieder von Fichten, Bergahorn und Tannen besiedelt. Im Heidi-Land Schweiz etwa nahm die Waldfläche in den Alpen nach der letzten Waldinventur 2006 um 5 Prozent oder 210 Quadratkilometer zu. Das ist im Prinzip schön, schützt vor Lawinen etc. und würde Heidi bestimmt auch gefallen, aber an die Artenvielfalt einer Bergwiese kommt der Wald nicht heran.

Der Verzicht auf die ganze Bandbreite menschlicher Ernährung blendet solche Folgen gerne aus. Natürlich essen wir zu viel Fleisch. Und natürlich vernichtet eine Modeernährung die Alpenflora nicht allein; da spielt auch der menschengemachte Klimawandel eine wichtige Rolle. Aber ein Statement zu setzen, indem man regionale Produkte vom Tier in höchster Qualität nicht nutzt, ist zumindest schwierig. Und ein weiterer Schritt, die Alpen und die ganze Landschaft zu einer reinen Freizeitkulisse verkommen zu lassen.

Hauptsache, der Wanderer kann sein gutes Gewissen bei einem Stück Tofu-Taler behalten, läuft nicht Gefahr, in Kuhfladen zu treten, und bekommt obendrein ein cooles Foto für Instagram. Almöhi würde kotzen.

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