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Niederlande

Bauernpartei: Warum Landwirt Hennie Korten von der BBB überzeugt ist

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am Freitag, 24.03.2023 - 07:47 (Jetzt kommentieren)

Bauernproteste in den Niederlanden, umgedrehte Landesflagge und Gummistiefel auf Zaunpfählen, dazu der historische Wahlsieg der BBB und Caroline van der Plas: Viel los im Nachbarland. Aber wie sehen es eigentlich die Landwirte selbst? Wie stehen sie zur den Stickstoffreduktionsplänen? Wie haben exklusiv bei Sauenhalter Hennie Korten nachgefragt.

Der niederländische Sauenhalter Hennie Korten ist überzeugt, dass die Bauernproteste richtig waren. Er will auch der BBB rund um Caroline van der Plas eine Chance geben, mitzuregieren.

Der niederländische Sauenhalter Hennie Korten ist dafür, Stickstoff zu reduzieren, aber die Bauernproteste findet er trotzdem wichtig und richtig. Die Art und Weise, wie die derzeitige Regierung mit der Brechstange die Reduktion durchsetzen wolle, gehe gar nicht. „Wir sind nicht dagegen, aber wir brauchen Zeit und einen vernünftigen Ausgleich.“

Der Sauenbetrieb von Hennie Korten liegt in Heibloem in der Nähe von Venlo. Der 51-Jährige hält 1.200 Sauen, bewirtschaftet 20 ha Ackerland und beschäftigt drei Mitarbeiter. „Wenn ich ehrlich bin, habe ich Glück. Wir liegen hier in der Provinz Limburg, bei uns sind Baugenehmigungen zwar sehr schwierig, aber nicht komplett unmöglich“, sagt Hennie Korten. Zehn Kilometer weiter, in der Provinz Nordbrabant, sähe es ganz anderes aus. Dort sei aufgrund der Reduktionspläne alles komplett auf Stopp gesetzt.

Stickstoffreduzierung in den Niederlanden: Vorgehensweise nicht korrekt

Die Lage und die Pläne zur Umsetzung seien je nach Viehdichte in den Provinzen und der politischen Einstellung der Provinzverwaltung unterschiedlich. In Nordbrabant müssten Landwirte zum Beispiel schon bis 2025 alle technischen Möglichkeiten zur Stickstoffreduzierung nachrüsten, die derzeit verfügbar sind, zum Beispiel Luftwäscher.

„Das ist für viele unmöglich. Es ist normal, dass wir regelmäßig investieren müssen, aber der Zeithorizont ist jetzt einfach zu knapp. Die Vorgehensweise der Politik ist nicht korrekt. Man kann Landwirte nicht quasi enteignen, indem man sie zwingt, ihren Betrieb aufzugeben“ Es gäbe viele Landwirte, die in den letzten fünf Jahren neue Ställe gebaut hätten. Diese könnten nicht jetzt schon wieder alles umrüsten, zumal die Baukosten im letzten Jahr stark gestiegen seien.

„Wir müssen was tun, um die Ammoniakbelastung zu senken, dass sehen wohl alle Landwirte so. Aber es muss auch ökonomisch passen und umsetzbar sein“, sagt der Sauenhalter. Was derzeit passiere, sei, dass viele Landwirte aufgeben und aussteigen.

Niederländische Linke und Grüne fordern verschärfte Reduktion schon bis 2030

Und der Druck habe in den letzten Monaten trotz der Proteste nicht abgenommen, im Gegenteil, Naturschutzorganisationen gehe die Reduktion immer noch nicht schnell genug. Linke und grüne Parteien pochen auf die Reduktion bis 2030.

„Diese weitere Verschärfung ist noch nicht durchs Parlament gekommen, aber es wird darüber diskutiert.“ Laut Hennie Korten seien die Proteste und die daraus entstandene BoerBurgerBeweging (BBB) rund um Caroline van der Plas deshalb genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen. „Das hat zu 100 Prozent geholfen.“

BBB und FDF größtenteils friedlich

In den Medien seien die Proteste und auch die BBB seiner Meinung nach nicht immer richtig rübergekommen. „Wenigstens 95 Prozent der Demonstranten und des BBB sind friedlich und politisch eher in der Mitte zu sehen.“ Ähnlich sei es mit der Bewegung Farmers Defence Force (FDF). Auch die seien in den Medien als extremer dargestellt worden, als sie seien.

Man müsse genauer hinsehen, die Medien hätten das Thema etwas aufgebauscht. So hätte die FDF zum Beispiel nach dem Wahlerfolg der BBB seine Mitglieder und Sympathisanten aufgerufen, die aus Protest umgedrehten Landesflaggen wieder normal aufzuhängen. Jetzt müsse die Politik ihre Arbeit machen, inklusive der BBB.

Sie habe das Thema Stickstoffreduktion gut aufgegriffen und der Bevölkerung die Fakten erklärt. Zum Beispiel hat die Bauern- und Bürgerpartei klar gemacht, dass die Reduktion gerne schneller passieren könnte, aber vorher müssten gute Regelungen und Entschädigungsmaßnahmen für die Landwirte gefunden werden, die sich vorstellen können, freiwillig auszusteigen. „Die Regierung hat bislang 23 Mio. Euro zugesagt, aber das soll für alles reichen: für die Naturschützer, für den Aufkauf von Land und für die Ausstiegsprämie für Landwirte. Das ist viel zu wenig“, sagt Hennie Korten.

Landwirte haben Ammoniakemission in letzten 30 Jahren schon um 70 Prozent reduziert

Der Wahlsieg der BBB habe die jetzige Regierung sehr stark unter Druck gesetzt. Sie habe die Berechnungen und die Grundlagen des Reduktionsziel genau unter die Lupe genommen. Sie kritisiert, dass die 50 Prozent aus der Luft gegriffen sei und zu wenig wissenschaftlich belegt. Es sei zum Beispiel nicht ausreichend untersucht worden, welche negativen Einflüsse auf die Natur wirklich durch die Stickstoffemissionen vor Ort kämen und welche Rolle der generelle Klimawandel spiele.

Dadurch konnte die BBB - so denkt Hennie Korten - viele Menschen, auch in den Dörfern und Städten, davon überzeugen, dass der Weg der aktuellen Regierung nicht der beste ist. Sie hätten zum Beispiel als einzige Partei darauf hingewiesen, dass die Landwirte schon viel bei der Ammoniakreduktion erreicht hätten. „Die Landwirtschaft hat ihre Emissionen in den letzten 30 Jahren bereits um 70 Prozent reduziert.“

Viele haben BBB aus Protest gewählt

Nach dem Wahlsieg von Caroline van der Plas gehen die Meinungen über sie und die BBB auseinander. agrarheute hat einen niederländischen Landwirt nach seiner Meinung gefragt.

Es gäbe noch andere Themen, bei denen viele Bürger, die nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben, mit der Regierung unzufrieden seien. „Diese Menschen haben jetzt, teilweise sicher auch aus Protest, die BBB gewählt“, sagt der Sauenhalter. Die Regierung habe auch in anderen Bereichen Entschlüsse gefasst, die viele Bürger nicht umsetzen können, weil ihnen schlicht das Geld fehle. Ein Stichwort sei die Verpflichtung zu Wärmepumpen.

Mit dem Riesenerfolg, damit das 90 Prozent der Landwirte und viele unzufriedenen Bürger die BBB zur stärksten Kraft in allen Provinzen macht, hat aber auch Hennie Korten nicht gerechnet. „So etwas ist noch nie vorgekommen.“ Er selbst gehöre der christdemokratische Partei CDA an und habe diese auch gewählt. „Meine Frau und meine Kinder haben aber bereits für die BBB gestimmt. Und ganz ehrlich, wenn sie jetzt die erste richtige Stressphase überstehen, wenn sie zeigen, dass sie auch regieren können, dann werde ich wohl auch umschwenken.“

Herausforderungen wie Ammoniakreduktion gemeinsam lösen

Wenn er sehe, wie die BBB organisiert sind, habe er Vertrauen, dass sie langfristig Erfolg haben könne. „Aber wirklich wissen tun wir es erst später.“ Die Partei sei auch bei den anderen politischen Themen gut aufgestellt. In den Medien werde nur über die Ansichten zur Stickstoffreduktion berichtet, aber das Parteiprogramm befasse sich zum Beispiel genauso intensiv mit anderen sozialen Themen.

„Jetzt müssen Caroline van der Plas und ihre Leute zeigen, dass sie auch regieren können. Das Vertrauen in sie wächst jeden Tag, aber jetzt stehe erst mal der Stresstest an, wenn es um die ersten politischen Kompromisse geht“, sagt Hennie Korten. Derzeit sei es doch so, dass sich in der Politik die verschiedenen Parteien unversöhnlich gegenüberstehen. „Das macht mir große Sorgen, wir müssen die Herausforderungen, wie die Stickstoffreduktion, zusammen lösen, ehrlich und auf Fakten basierend.“

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