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Kommentar

Bauernsieg in Holland: Welche Lehren für die deutsche Agrarpolitik?

Caroline-van-der-Plas-Chefin-BoerBurgerBeweging
am Dienstag, 21.03.2023 - 10:05 (12 Kommentare)

In Holland ist die BoerBurgerBeweging großer Sieger der Provinzwahlen geworden. Lässt sich diese Erfolgsgeschichte angesichts der Umsetzung der Düngeverordnung in Deutschland auch auf die Agrarpolitik in Deutschland übertragen? Ein Kommentar.

Caroline van der Plas, Gründerin der niederländischen BoerBurgerBeweging (BBB) nannte es einen „Monstersieg“. Aus dem Stand ihre Partei bei den Provinzwahlen in Holland rund 19 % der Stimmen. Das entspricht 17 Mandaten in der ersten Kammer des nationalen Parlaments. Genauso viele Mandate gewannen die gemeinsam angetretenen Sozialdemokraten und Grünen. Schon kurze Zeit später regten sich Stimmen in Deutschland, die das Ergebnis als Sieg von Neokonservativen und Rechtspopulisten abtaten.

Warum hat die BBB bei der Wahl so gut abgeschnitten?

Porträt von Simon Michel-Berger

Den Erfolg der BBB als Sieg platter Parolen abzutun, hieße aber, die Kraft der Partei zu verkennen. Die Rechtspopulisten, Gert Wilders PVV, schnitt bei der Wahl etwas schlechter ab, als noch vor vier Jahren - obwohl auch Wilders Unterstützung für die Bauern geäußert hatte. Die Geschichte, welche die BBB erzählt, hat zwei Teile. Erstens: Die da in den Städten gegen uns vom Land schränken uns beim Umweltschutz ein, damit sie selbst sich weniger anstrengen müssen. Zweitens: Klare Pläne haben die anderen nicht, aber unser Eigentum ist ihnen in jedem Fall egal. Dieses mächtige Narrativ entstand zunächst rund um die Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie, konnte aber letztlich auch Gruppen jenseits der klassischen Landwirtschaft überzeugen.

Lässt sich der Sieg der BBB auf Deutschland übertragen?

Schon gibt es auch Kräfte in der deutschen Landwirtschaft, die mit der Gründung einer ähnlichen Partei liebäugeln. Die wiederholt verpatzte Umsetzung der Düngeverordnung (Lesen Sie dazu auch: Düngeverordnung: Rote Gebiete in Baden-Württemberg unwirksam) hierzulande hat bei den Bauern für viel Frust gesorgt, der immer noch nicht bewältigt ist. Doch Frust allein macht noch keine Wahlsiege und sorgt auch nicht für dauerhafte Veränderungen. 2019 gewann das Forum für Demokratie, eine Protestpartei, bei den Provinzwahlen in Holland noch 12 Sitze. Bei der Wahl vor ein paar Tagen errangen letztere nur noch fünf Mandate.

Was Bauern aus der Holland-Wahl lernen können

Landwirte sollten aus der Holland-Wahl lernen, dass kein Weg an beständiger Grundlagenarbeit vorbeiführt. Wählerstromanalysen zeigen, dass der Sieg der BBB zum großen Teil auf Wählern basiert, die bei der letzten Provinzwahl noch für das Forum für Demokratie gestimmt hatten. Protestwähler können eine Partei schnell groß machen, doch nur die bürgerliche Mitte kann ein breites, dauerhaftes Fundament sein. Dass die BBB auch bei Wählern aus dem gemäßigten bürgerlich-liberalen Lager sowie aus anderen Parteien punkten konnte, spricht für sie. Wie genau die Nitratpolitik in den Niederlanden künftig und langfristig aussehen soll, weiß die BBB aber auch noch nicht. Hier muss sie liefern, wenn sie ihren Sieg in dauerhafte politische Kraft übersetzen will.

Was Agrarpolitiker aus der Holland-Wahl lernen können

Agrarpolitiker sollten aus der Holland-Wahl lernen, dass man die Bauern auf eigene Gefahr unterschätzt. Landwirtschaft ist ein emotionales Thema und kann mobilisieren, gerade in Zeiten, in denen Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln wieder an Bedeutung gewinnt. Wie alle anderen gesellschaftlichen Gruppen wollen auch die Bauern in politischen Prozessen mitgenommen werden. Ihnen diesen Wunsch zu versagen, ist gefährlich. Da hilft es auch nicht zu beteuern, dass man selbst gerne anders wollen würde, aber Brüssel/der Koalitionspartner/die Bundesländer/irgendjemand anders das leider nicht zulasse.

Hätte in Deutschland eine Partei für Landwirtschaft und den ländlichen Raum bei Wahlen eine Chance?

Ja, die Zeit ist reif dafür.
69% (4149 Stimmen)
Nein, das denke ich eher nicht.
15% (901 Stimmen)
Eventuell bei Landtagswahlen, aber nicht auf Bundesebene.
16% (994 Stimmen)
Stimmen gesamt: 6044

Was wollen Landwirte?

Landwirte wollen stabile Rahmenbedingungen für ihre Arbeit. Das liefert ihnen die Bundesregierung derzeit nicht. Von der Düngeverordnung über den Umbau der Nutztierhaltung bis zum demnächst erscheinenden Aktionsplan nationaler Klimaschutz, einer Ansammlung von Phrasen, Absichtserklärungen und Wünschen nach Geld, ist die derzeitige Agrarpolitik furchtbar unkonkret. Selbst die Umsetzung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2023 stellt viele Landwirte vor grundlegende Fragen, wie sie ihren Mehrfachantrag am besten ausfüllen sollen. Alte Gewissheiten sind weg, neue sind noch nicht da und bei vielen Themen, vom Insektenschutz bis zum Wolf, wachsen die Ängste der Landwirte, dass für sie alles nur noch schlimmer werden wird.

Ein Fazit aus der Holland-Wahl

Letztlich geht es in der Agrarpolitik wie im Umweltschutz nur dann voran, wenn alle Beteiligten sich an einen Tisch setzen und auf Augenhöhe besprechen, welche Ziele Politik erreichen sollte und wie diese Ziele konkret ausgestaltet werden müssen – Modell „Zukunftskommission Landwirtschaft“ (Lesen Sie dazu auch: Zukunftskommission Landwirtschaft: Was kostet die Agrarwende?). Wird dieser Dialog nicht geführt, oder wird er so allumfassend geführt, dass gar nichts mehr dabei herauskommt, haben am Ende weder Landwirte noch die Umwelt noch die Gesellschaft als Ganzes etwas davon.

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