Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

EU-Nitratrichtlinie

BDEW-Gutachten: Düngeverordnung setzt EU-Recht nicht um

Ausbringung von Flüssigdünger
am Freitag, 09.07.2021 - 12:30 (1 Kommentar)

Ein neues Gutachten des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) kommt zu dem Ergebnis, dass die novellierte Düngeverordnung für die Zielsetzung der EU-Nitratrichtlinie nicht ausreicht. Die daraus resultierenden Kosten für die Umweltschäden beliefen sich jährlich auf 3 Mrd. Euro.

Im Gutachten, das Prof. Dr. Friedhelm Taube von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Auftrag des BDEW erarbeitete, wurde geprüft, ob das deutsche Düngerecht für die Umsetzung der europäischen Vorgaben ausreichend ist. Taube kam zu dem Ergebnis, dass die Düngeverordnung „nicht den Ansprüchen einer konsequenten Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie“ entspreche.

Außerdem geht das Gutachten auf Maßnahmen für einen wirksameren Grundwasserschutz ein und es errechnet die Kosten für die durch Nitratbelastung entstehenden Umweltschäden.

Neue Düngeverordnung ermöglicht weiterhin Grenzwertüberschreitungen

Prof. Friedhelm Taube

Ein wesentlicher Kritikpunkt des Gutachtens besteht darin, dass sich die Grenzwerte in der Düngeverordnung auf nicht bewiesenen Annahmen stützten. Für die Annahmen fehle es an entsprechenden Untersuchungen. Das sei in anderen EU-Mitgliedstaaten nicht der Fall.

Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer im Bereich Wasser/Abwasser, wies darauf hin, dass so „ein künstliches ‚Wegrechnen‘ der tatsächlichen Grenzwertüberschreitungen“ ermöglicht werde.

Auch die rechnerischen Modelle in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Gebietsweisung (AVV GeA) seien unsicher und nicht vollständig nachvollziehbar. Das widerspreche den Anforderungen der EU-Nitratrichtlinie. Taube gewinnt in seinem Gutachten den Eindruck, dass die Vorgaben in der AVV die gefährdeten Gebiete verkleinern und nicht wahrheitsgemäß ausweisen zu wollen. Die Vorschrift sei als „Reaktion auf die umfänglichen Proteste des Berufsstandes zu sehen“, heiß es in dem Gutachten. Mit vorsorgendem Gewässerschutz sei dies nicht vereinbar.

Gesamte landwirtschaftliche Fläche sollte als gefährdetes Gebiet eingestuft werden

Weil die Nitratrichtlinie sämtliche Wasserkörper beziehungsweise die nahezu flächendeckend belasteten Fließgewässer betreffe, empfiehlt das Gutachten, „ganz Deutschland als gefährdetes Gebiet einzustufen“.

Wegen der aus Taubes Sicht bestehenden Mängel in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift sei deren Aufhebung erforderlich.

Stattdessen rät der Nutzpflanzenwissenschaftler dazu, die Stoffstrombilanzverordnung (StoffBilV) zu erneuern, indem dort ambitionierte Grenzwerte festgelegt werden - das gelte insbesondere auch für Phosphor.

Milliardenbetrag für Umweltschäden sei vermeidbar

Nach den Berechnungen des Gutachtens entstehen in Deutschland seit 2010 wegen unsachgemäßer beziehungsweise zu hoher Stickstoffdüngung jährlich Kosten von 3 Mrd. Euro. Somit seien in den letzten 10 Jahren Kosten von 30 Mrd. Euro angefallen.

Dabei beziehe sich das Ergebnis allein auf die vermeidbaren Kosten und die Berechnungsmethode gehe von günstigen Bedingungen aus, sodass das Ergebnis bei anderen Methoden noch höher ausfallen würde.

Um die Umweltschäden so schnell wie möglich zu reduzieren, schlägt Taube eine Sofortmaßnahme vor: Übergangsweise – bevor es also eventuell zu einer erneuten Anpassung der Düngeverordnung von 2020 kommt –, sollte der Düngebedarf bundesweit um 20 Prozent reduziert werden.

Am Dienstag wurde bekannt, dass EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius die Ausweisung von mit Nitrat belasteten Gebieten in Deutschland bemängelt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) muss die Ausweisung nun überprüfen, damit nicht wieder eine Klage beim Europäischen Gerichtshof eingehe.

LBV: Gutachten ist eine pauschale Verdächtigung der Landwirtschaft

Der Landesbauernverband Brandenburg (LBV) zeigt sich über das Gutachten verärgert. Es handele sich um ein „Auftragsgutachten“ des BDEW, dessen Schlussfolgerung im Sinne des Verbands ausfalle und in dem die Landwirtschaft pauschal verdächtigt werde.

Da nach der Novellierung der Düngeverordnung noch keine langfristige Dokumentation erfolgen konnte, seien Zweifel an der Verordnung unangebracht. Die aktuelle Düngeverordnung orientiere sich bereits an dem Zielkonflikt zwischen sauberem Trinkwasser und einer bedarfsgerechten Düngung.

Auch in der Praxis müssten laut LBV Wasserversorgung und Landwirtschaft enger zusammenrücken. Die setze voraus, dass „politisch motivierte Gutachten nicht Grundlage der Zusammenarbeit sind. Wir strecken die Hand aus, wie wir das immer getan haben. Leider blieb es nur allzu oft ungehört“, schreibt der LBV in einer Pressemitteilung.

 

Kommentar

agrarheute.comKommentare werden geladen. Bitte kurz warten...