Tina Andres, Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), will ein EU-Sofortprogramm zur befristeten Abstockung der Tierbestände. Das geht aus einer Pressemitteilung des BÖLW vom 18. März hervor. Tierhalterinnen und Tierhaltern in Europa, inklusive der Bio-Betriebe, sollten ihre Bestände für die nächsten zwölf Monate deutlich reduzieren und einen Ausgleich für den entgangenen Gewinn erhalten. Dafür solle sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir beim EU-Agrarministertreffen am 21. März einsetzen
Sofortmaßnahme soll Umbau der Tierhaltung nicht ersetzen
Wörtlich sagte Andres: "Auch wenn die Abstockung schrittweise greift, wird das Signal an den Märkten sofort wirken. Denn unglaubliche 60 % der Getreideernte geht in Europa in die Futtertröge! Nur 20 % des Getreides werden als Lebensmittel verwendet. Auch rein ökonomisch gibt es derzeit keine günstigere Variante, um dem Hunger von Millionen Menschen vorzubeugen." Die BÖLW-Vorsitzende betont: "Die Sofortmaßnahme soll der aktuellen Not Einhalt gebieten. Sie kann und soll nicht den dringend erforderlichen Umbau der Tierhaltung in Deutschland und Europa ersetzen!“
Tina Andres: "scheinheilige Forderung nach einem Rollback der Agrar-Reform"
Andres erklärt den Schritt wie folgt: "Wer den Ukrainekrieg und seine Folgen für die Getreidemärkte als Vorwand nimmt, die Ökologisierung der Landwirtschaft zurückzudrehen, verdreht die Tatsachen: Erstens hat die Ukrainekrise die anderen zukunftsbedrohenden Krisen von Klima und Biodiversität nicht ersetzt. Sie ist hinzugekommen. An der Notwendigkeit, Landwirtschaft und Ernährung so umzubauen, dass sie nicht länger Brandbeschleuniger dieser Krisen ist, hat sich nicht verändert. Zweitens steigen die Getreidepreise jetzt – und nicht in den kommenden Jahren, wenn die Pläne von EU-Kommission zur Agrarpolitik greifen. Jetzt werden ganz akut Millionen in den Hunger getrieben, vor allem in den Ländern des globalen Südens. Die scheinheilige Forderung nach einem Rollback der Agrar-Reform haben mit der jetzigen Situation nichts zu tun. Und Appelle an die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, ihren Fleischkonsum zu reduzieren, werden nicht wirken!"
Abstockung laut BÖLW einfache Lösung für Hungerproblem
Andres betonte, dass es Maßnahmen brauche, die im März 2022 wirkten. Derzeit gingen die Preise in Erwartung von Ernteausfällen im Sommer 2022 "durch die Decke". Deshalb könnten sich Menschen in Afrika oder Asien, die weit über die Hälfte ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben würden, die nötigsten Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten. Ein EU-Sofortprogramm zur befristeten Abstockung sei eine einfache Lösung.
Wissenschaftler fordern Verringerung der Viehbestände
Abschließend verweist Andres auf eine Erklärung von rund 200 Wissenschaftlern zur Transformation der Land- und Ernährungswirtschaft vom heutigen Tag. Diese fordern eine rasche "Transformation des Lebensmittelsystems", nämlich:
- die Beschleunigung der Umstellung auf eine gesündere Ernährung mit weniger tierischen Produkten in Europa und anderen Ländern mit hohem Einkommen, wodurch sich die für Tierfutter benötigte Getreidemenge verringern würde;
- die Steigerung der Produktion von Hülsenfrüchten und eine weitere Ökologisierung der EU-Agrarpolitik, auch um die Abhängigkeit von Stickstoffdüngern oder Erdgas aus Russland zu verringern;
- die Verringerung der Lebensmittelverschwendung, da beispielsweise die Menge des in der EU verschwendeten Weizens allein etwa der Hälfte der ukrainischen Weizenexporte entspreche.
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