Die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung sind Gold wert. Auf gerade mal 20 Seiten analysiert das Gremium unter Vorsitz des ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert die Lage der Tierhaltung in Deutschland präzise und ungeschönt. Das Papier legt die Konflikte zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft offen. Es zeigt, wo die Politik versagt hat – und was passiert, wenn sie nicht endlich entschlossen umsteuert.
Die Zielvorgaben für den Umbau der Nutztierhaltung sind realistisch. Der Zeitplan passt. Aber der Borchert-Plan hat eine Achillesferse: die Finanzierung.
Das spricht gegen die Verbraucherabgabe
Die vorgeschlagene Verbraucherabgabe auf tierische Produkte sollte und wird aus mehreren Gründen wohl kaum Wirklichkeit werden.
- Die Abgabe würde heftige Diskussionen um eine Verteuerung von Lebensmitteln auslösen. Diese scheut jede Regierung.
- Die Abgabe würde den Wettbewerb verzerren. Für deutsche Schlachter und Molkereien wäre es lukrativer, Steaks und Käse zu einem ähnlichen Verbraucherpreisniveau, aber abgabenfrei, in Frankreich oder den Niederlanden zu verkaufen. Gleichzeitig bliebe Hähnchenbrust aus der Ukraine billiger als aus Deutschland. Daran ändert eine Abgabe nichts.
- Die EU-Kommission würde nicht tatenlos zusehen, wenn jährlich nationale Beihilfen in Milliardenhöhe gezahlt würden zum Ausgleich für Produktionsanforderungen, die schrittweise sogar gesetzlicher Standard werden sollen.
- Und nicht zuletzt wäre die Verbraucherabgabe der Einstieg in die Planwirtschaft für Teile des Ernährungssektors. Dabei sollte uns das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) lehren: Wer staatlich in Märkte eingreift, schafft Abhängigkeiten, verzerrt den Wettbewerb und verteuert die Produktion. Kaum vorstellbar, dass ausgerechnet im Lebensmittelsektor dieser Fehler wiederholt wird.
Der zentrale Widerspruch bleibt unangetastet
Richtig wäre: Die höheren Kosten für mehr Tierwohl müssen über den Marktpreis erwirtschaftet werden können. Das geht nicht mit Freiwilligkeit. Da büchst der Verbraucher aus. Das geht nur über das Ordnungsrecht. Wenn alle Erzeuger in der EU höhere Anforderungen einhalten müssen, werden die Mehrkosten zwangsläufig eingepreist.
Dazu muss aber ein Grundübel der EU-Agrarpolitik abgestellt werden: Man darf die deutsche und europäische Landwirtschaft nicht dem globalen freien Wettbewerb mit Ländern aussetzen, in denen wesentlich niedrigere Standards gelten, und ihr gleichzeitig allerhöchste Anforderungen an Klima-, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz aufhalsen. Das ist und bleibt der zentrale Widerspruch der Agrarpolitik. Das kann keine Branche überleben.
Offene Märkte und Maximalstandards vertragen sich nicht
Offene Märkte sind mit nationalen oder europäischen Maximalanforderungen an die Erzeugung nun einmal nicht vereinbar. Nur wer bereit ist, den Außenschutz entsprechend hochzuziehen, kann erwarten, dass die Landwirtschaft in Deutschland und der EU auf Dauer höchste Anforderungen an die Nachhaltigkeit erfüllt und dabei wirtschaftlich besteht.
Der Borchert-Plan sollte ernstgenommen werden
Trotzdem ist der Borchert-Plan wichtig. Er ist eine einmalige Grundlage für die politische Diskussion. Er beschreibt ungeschminkt, was passiert, wenn die Politik weiter die Hände in den Schoss legt und den Gerichten das Feld überlässt. Der Borchert-Plan verdient, dass Politik, die gesamte Agrarbranche und die Gesellschaft ihn ernst nehmen. Er darf nicht dasselbe Schicksal erleiden wie die Nutztierhaltungsstrategie.
Dranbleiben!
Darum: Bleiben sie dran, Frau Ministerin Klöckner! Das gilt auch für die Verbände der Agrarwirtschaft. Die Diskussion um die Zukunft der Tierhaltung muss mit aller Klarheit und Konsequenz geführt werden, um zu realistischen Maßnahmen zu kommen, ohne in die Planwirtschaft abzugleiten. Dieses dicke Brett muss jetzt endlich gebohrt werden.
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