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Jahreswechsel

Botschafter statt Bauernopfer: Landwirte müssen vorwärts gehen

Maehdrescher-Weizenfeld-Ernte
am Samstag, 31.12.2022 - 05:00 (3 Kommentare)

Zum Jahreswechsel 2022/2023 macht sich agrarheute-Chefredakteur Simon Michel-Berger Gedanken, was im kommenden Jahr für Landwirte im Dialog mit der Gesellschaft wichtig wird, wie sie aus der Rolle als Bauernopfer herauskommen und mehr Wertschätzung erreichen können. Ein Kommentar.

Seit vielen Jahren steht der Wunsch nach „Mehr Wertschätzung für unsere Arbeit“ ganz oben auf der Wunschliste vieler Landwirtinnen und Landwirte. Während einzelne Informationskampagnen in Teilbereichen landwirtschaftlicher Erzeugung durchaus zu Verbesserungen im Image geführt haben, bleibt das Ansehen der Landwirtschaft als Ganzes nach wie vor oft weit hinter dem zurück, was der Berufsstand will. Seien es Kabarettisten, die Landwirte als Einfaltspinsel darstellen oder Schauspieler, die mit ihren Aussagen gegen Bauern hetzen: Die Kritik hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Doch es gibt eine Chance, dies in den kommenden Jahren langsam zu ändern.

Warum können sich Landwirte in Zukunft mehr Wertschätzung erarbeiten?

Porträt von Simon Michel-Berger

Mehr Wertschätzung in der Gesellschaft erarbeiten können sich Landwirte, weil Lebensmittel wieder deutlich teurer werden. Damit steigt automatisch das Interesse daran. Unabhängig davon, wie und wann der Krieg in der Ukraine ausgeht: Ein Zurück zu Zeiten billiger Energie wird auf absehbare Zeit nicht kommen. Alles wird dauerhaft teurer, natürlich auch Nahrung. Gleichzeitig sind manche Güter nicht mehr so verfügbar wie früher: Wer eine Photovoltaik-Anlage mit Batteriespeicher will, muss monatelang darauf warten. Gestörte Lieferketten gab es schon während Corona, doch was wir derzeit erleben, ist eine dauerhafte und tiefergehende Diversifizierung. Nurmehr auf China als „Fabrik der Welt“ zu setzen, ist schwer aus der Mode gekommen. Auch die Landwirtschaft kann profitieren, wenn Menschen hinterfragen, was Versorgungssicherheit eigentlich bedeutet. Aber nur, wenn sie aktiv etwas dafür tut.

Warum Einigkeit in der Landwirtschaft noch wichtiger wird

Am Ende der Amtszeit von Julia Klöckner hat sich gezeigt, wozu Landwirte im Stande sind, wenn sie gemeinsam und mit anderen gesellschaftlichen Gruppen Lösungen für aktuelle Probleme erarbeiten. Die Borchert-Kommission hat detaillierte Vorschläge zum Umbau der Nutztierhaltung präsentiert, die Zukunftskommission Landwirtschaft hat sogar ein Zielbild und einen groben Fahrplan für die Weiterentwicklung der Landwirtschaft vorgelegt. Schade ist nur, dass die Bundesregierung es nicht schafft, diese Vorlagen auch zu verwandeln. Egal in welcher Partei die Bremser möglicherweise sitzen: Wir haben immer noch keine klare Perspektive für die Zukunft der konventionellen Landwirtschaft in Deutschland.

Ökolandbau als Zielbild reicht nicht

Das Bundeslandwirtschaftsministerium umgeht die Frage nach der Zukunft für alle Landwirte, in dem es sich kurzerhand auf den Ökolandbau als Leitbild für die deutsche Landwirtschaft konzentriert. Doch die Botschaft, dass nur Bio-Bauern hierzulande eine Zukunft haben, treibt einen alten Spaltkeil in die Branche, der längst fortgeworfen gehört. Nur die Bäuerinnen und Bauern haben es in der Hand, hier entgegenzuwirken: In dem sie einig sind und sich nicht auseinanderdividieren lassen. Diese Einigkeit braucht es auch im Auftreten gegenüber der Gesellschaft.

Wertschätzung erreichen kostet Geld

Mehr Wertschätzung für die Landwirtschaft zu erreichen, braucht jedoch noch mehr, als Geschlossenheit, es braucht auch Geld. Seit dem Ende der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) gibt es nur noch regionale oder sektorale Programme, um Werbung für die heimische Landwirtschaft und ihre Produkte zu machen - etwa „Unsere Bayerischen Bauern“, das „Forum Moderne Landwirtschaft“ oder die Marketing-Maßnahmen der Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen.

Kosten für Agrarmarketing verteilen

Gerade in unsicheren Zeiten will niemand Geld ausgeben. Doch je mehr Landwirte sich beteiligen, desto kostengünstiger werden solche Initiativen für den einzelnen sein. Wenn erst genügend Personen und Organisationen mitmachen, wird wahrscheinlich auch die Politik zur Seite stehen. Bei den Unionsparteien stand die Schaffung einer neuen CMA bereits in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl. Eine entsprechende Studie zu den Möglichkeiten dafür hat das Bundeslandwirtschaftsministerium noch unter Julia Klöckner in Auftrag gegeben und erhalten.

Landwirte müssen handeln

Viele Landwirte beklagen, dass zu ihrer Branche so viele Negativnachrichten erscheinen. Wer aber positive Nachrichten möchte, muss sich aktiv in Diskussionen einbringen – mit Geschlossenheit, Offenheit und den notwendigen Mitteln, um professionell zu kommunizieren. 2023 wäre ein gutes Jahr für die Landwirtschaft, hier einen Schritt nach vorne zu tun.

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