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+++ Aktualisiert: 17:45 Uhr +++

Branchengespräch Fleisch: Die Ergebnisse des Folgetreffens

Fleisch hängt in einem Schlachthof an Haken und ist fertig zur Verarbeitung
am Freitag, 09.10.2020 - 17:45 (7 Kommentare)

Das Branchengespräch Fleisch bringt keine schnelle Abhilfe gegen den Schweinestau. Aber Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen erleichtern immerhin die Wochenendarbeit. Weitere Themen des Krisentreffens waren die ASP und eine Tierwohlsteuer.

Im Beisein von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sowie den Landwirtschaftsministerinnen der Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, Ursula Heinen-Esser und Barbara Otte-Kinast, fand heute das zweite Branchengespräch Fleisch statt. Die 67 Teilnehmer

  • suchten nach einer Lösung für die aktuellen Schlachtengpässe in der Fleischindustrie,
  • berieten über die Eindämmung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Brandenburg
  • und diskutierten über die Finanzierung einer tierwohlgerechteren Landwirtschaft.

Schnelle Hilfsmaßnahmen, um den akuten Schweinestau aufzulösen, der auch nach Auffassung der Ministerinnen durchaus zu Tierschutzproblemen führen kann, wurden allerdings nicht beschlossen.

Laut Heinen-Esser werden Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen allerdings die Wochenendarbeit in der Fleischindustrie erleichtern, wenn Überhänge in den Schweinehaltungen nachgewiesen werden.

Vorausschauend Einstallen in der Corona-Pandemie

Die Ministerinnen Otte-Kinast, Klöckner und Heinen-Esser (von links nach rechts)

Klöckner gab den Schweinehaltern eine Mitschuld an der verfahrenen Situation. Es sei fatal, wenn Landwirte ihre Schweineställe bis auf den letzten Platz belegten, obwohl seit Monaten eine Corona-Pandemie herrsche. In Zeiten von Corona müsse vorausschauend gewirtschaftet werden, unterstrich Klöckner. Sie hob hervor, dass aus der Wirtschaft keine Forderung nach Zuschüssen zur privaten Lagerhaltung (PLH) erhoben worden sei.

Andere Akzente setzte die niedersächsische Ministerin Otte-Kinast. Sie bezweifelte, dass die ab heute angeordnete Schließung des Schlachtbetriebes in Sögel in Anbetracht der dort festgestellten Zahl an Corona-Fällen verhältnismäßig sei. „Die Zahlen geben es nicht her, den ganzen Betrieb für 22 Tage zu schließen“, sagte Otte-Kinast. Des Weiteren sagte sie: "Mit der vorübergehenden Ausnahmegenehmigung für Sonn- und Feiertagsarbeit wird Niedersachsen ein wichtiges Signal für mehr Flexibilität in den Schlachthöfen setzen." Außerdem unterstützt Otte-Kinast, dass ein Leitfaden mit einem Ampelsystem zum Umgang bei Ausbrüchen von Covid-19 in Schlachtbetrieben erstellt wird.

Nordrhein-Westfalens Agrarministerin Heinen-Esser teilte mit, die Schlachtbetriebe hätten im Branchengespräch versichert, sie könnten unter den strengen Corona-Hygienebedingungen 95 Prozent der Schlachtkapazität halten.

Die Ministerinnen wollen bei einem Folgetermin in 1 bis 1,5 Monaten von den landwirtschaftlichen Verbänden hören, welchen Beitrag die Landwirtschaft zum Management der Corona-Situation leisten werde, denn die Corona-Lage in der Fleischindustrie werde voraussichtlich noch 9 bis 12 Monate andauern.

Schweinehalter sollen sich ASP-Freiheit bescheinigen lassen

Zur ASP-Situation in Brandenburg erläuterte Klöckner, im Verbreitungsgebiet werde eine „weiße Zone“ eingerichtet mit festem Zaun und einer massiven Bejagung der Wildschweine. Wichtig sei, jetzt alle Kadaver zu finden, weil der Zwölfmonatszeitraum bis zur ASP-Freiheit mit jedem neuen Fund neu zu laufen beginne.

Heinen Esser appellierte an alle Jäger, keine Jagdreisen nach Brandenburg zu unternehmen, um das Virus in Deutschland nicht zu verbreiten. Die landwirtschaftlichen Betriebe forderte sie auf, ihre Biosicherheit überprüfen lassen, um sich schon jetzt den Status der ASP-Freiheit bescheinigen zu lassen.

Machbarkeitsstudie zur Tierwohlsteuer im Februar

Im Hinblick auf den langfristigen Umbau der Tierhaltung zu mehr Tierwohl teilte Klöckner mit, in dieser Woche eine Machbarkeitsstudie zu den Empfehlungen der Borchert-Kommission in Auftrag gegeben zu haben. Auch die Finanzierung über eine Verbrauchssteuer auf tierische Produkte wird geprüft. Ergebnisse sollen am 1. Februar 2021 vorgelegt werden. Außerdem wurde eine Folgenabschätzung ausgeschrieben. Der Abschlussbericht der Folgenabschätzung soll spätestens Mitte März vorliegen.

Klöckner zeigte sich bereit, die nur zweijährige Laufzeit des Stallumbauprogramms von 300 Mio. Euro zu verlängern, braucht dafür aber die Zustimmung des Finanzministeriums. Sie bestätigte zudem, dass sich ihr Ressort mit dem Bundesumweltministerium auf einen Kompromiss zur Technischen Anleitung Luft (TA Luft) verständigt habe.

Gemeinsame Verbänderesolution erhebt konkrete Forderungen

Der Landesbauernverband Niedersachsen, der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) und der Rheinische Landwirtschaftsverband (RLV) hatten den Ministerinnen anlässlich des Branchengesprächs eine gemeinsame Resolution übermittelt.

Darin erhoben die Verbände konkrete Forderungen zu diesen Punkten:

  • ASP:
    • Bau eines stabilen Zaunes und eine wildschweinfreie Zone an der polnischen Grenze
    • Gründung einer Bund-Länder Task-Force
  • Schweinestau: Schlacht- und Zerlegekapazitäten kurzfristig ausbauen unter anderem durch die Aufhebung von Obergrenzen und Sonn- und Feiertagsarbeit
  • Stallbauprogramm: Befristung der 300 Mio. Euro Fördermittel bis Ende 2021 aufheben
  • Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung: flexible Umsetzung durch klare Ausführungshinweise
  • Tier- und Umweltschutz: Baurecht muss dringend An-, Um- und Tierwohl-Ersatzbauten ermöglichen
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