Die Gespräche über den Austritt der Briten aus der EU werden schwieriger als bisher gedacht. Großbritannien hat in der vorigen Woche seine Verhandlungsposition für Gespräche mit der Europäischen Union über die neue Beziehung nach dem Brexit ab 2021 veröffentlicht. Dabei wird klar: Die Briten streben weitaus lockerere neue Beziehungen zur EU an, als diese es sich wünscht.
Der EU-Verhandlungsführer für den Brexit, Michel Barnier, sagt, die Europäische Union werde sich an den bisherigen Entwurf der künftigen Beziehungen zu London halten, der im vergangenen Oktober in einer politischen Erklärung zum Brexit vereinbart wurde. Während aber die damalige Premierministerin Theresa May eine enge Partnerschaft mit der EU anstrebte, drängt der neue Premier Boris Johnson auf weitaus lockerere Beziehungen.
Die EU sieht jedoch die Erklärung vom Oktober als Grundlage für die Gespräche an. Allerdings ist diese nicht rechtsverbindlich, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters. London will die künftigen Beziehungen zur EU jedoch auf der Grundlage eines Freihandelsabkommens entwickeln.
Freihandelsabkommen wie mit Kanada
Wie die britische Presse berichtet, liegen die Prioritäten der Regierung Johnson darin, die "politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit" des Vereinigten Königreichs ab dem 1. Januar 2021 zu gewährleisten. Man will die Forderung der EU ablehnen, dass Großbritannien eng an den Brüsseler Regeln und Standards ausgerichtet bleibt, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für den Wettbewerb zu gewährleisten.
Stattdessen will man sich sich auf die Forderung von Boris Johnson nach einem Freihandelsabkommen nach kanadischem Vorbild ohne die von Brüssel angestrebten Bedingungen konzentrieren.
Die britische Regierung wies darauf hin, dass andere Handelsabkommen zwischen Nachbarn wie den USA, Kanada und Mexiko ebenfalls nicht die von Brüssel festgelegten „belastenden Verpflichtungen“ enthielten. Der EU- Unterhändler Barnier sagte, dass es unabhängig vom Ergebnis der Handelsgespräche Kontrollen bei Waren geben werde, die aus Großbritannien in die EU gelangen.
Im Vorfeld der Gespräche warnte Barnier erneut, dass das Vereinigte Königreich gemeinsame Standards mit dem Block akzeptieren muss, wenn es weiterhin einen bevorzugten Zugang zu den europäischen Märkten haben möchte.
Fischereirechte und Finanzmärkte
Vor der Parlamentswahl versprach Boris Johnson seinen Wählern "keine politische Angleichung" an die EU, ein Ende der Rolle des Europäischen Gerichtshofs und "volle Kontrolle" der britischen Fischgewässer.
Der EU-Chefunterhändler, Michel Barnier, besteht hingegen darauf, dass die Fischereirechte für EU-Schiffe in das Abkommen einbezogen werden müssen, da sonst „überhaupt keine Einigung erzielt wird“. Die EU will ihren derzeitigen Zugang zur Fischerei in britischen Gewässern erhalten. London will hingegen ein neues System, das eine jährliche Verhandlung über die Aufteilung des Gesamtfangs beinhaltet, unter der es mehr beanspruchen könnte.
Ein weiterer strittiger Punkt ist die Forderung Großbritanniens über "rechtsverbindliche" Verpflichtungen für den Zugang zum EU-Finanzmarkt, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Die EU hat bisher nur eine "freiwillige" Zusammenarbeit bei der Finanzregulierung angeboten.
Keine Zölle oder WTO-Regeln
Großbritannien strebt erheblich lockere Handelsbeziehungen an, als die Europäische Union dies möchte. London will eigentlich keine Zölle und keine Quoten, ist aber auch bereit, bei Bedarf auf Regeln der Welthandelsorganisation zurückzugreifen, schreibt Reuters.
Die EU fordert von London "Zero Dumping"-Regeln und steht dem Handel mit WTO-Regeln skeptisch gegenüber, von denen sie sagt, dass diese für beide Seiten schädlich wäre. EU-Unterhändler Barnier sagt dazu: "Wir können nicht das Risiko eingehen, dass Großbritannien zu einer Art Montagezentrum für Waren aus aller Welt wird, damit sie als britische Waren in den Binnenmarkt eintreten können."
Außerdem drängt die EU auf angepasste Wettbewerbsbedingungen, einschließlich Garantien für einen fairen Wettbewerb in Bezug auf Arbeit, Umwelt, staatliche Beihilfen und Steuerstandards. Großbritannien weigert sich hingegen, an die Regeln des Blocks gebunden zu werden, einschließlich solcher Vereinbarungen, die die britische Steuerhoheit in irgendeiner Weise einschränken würden. Die Briten wollen sich nur darauf verständigen, den Schutz der bestehenden Arbeitsgesetze und -standards nicht zu schwächen, heißt es bei Reuters.
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Dann eben ohne Abkommen
Die beiden Seiten haben vereinbart, zur Jahresmitte zu prüfen, ob es genügend Fortschritte gibt, um bis Ende des Jahres einen neuen Deal abzuschließen. Wenn nicht, gehen die Pläne auseinander. Die EU würde breitere Ambitionen fallen lassen und sich auf Schlüsselbereiche wie Handel und Fischerei konzentrieren, um so viel Übereinstimmung wie möglich zu erzielen. London sagt, es würde ein grundlegendes WTO-System anstreben, wenn es bis dahin keine "Grundzüge eines Abkommens" gäbe, die bis September abgeschlossen sein sollen.
Der konservative Abgeordnet und Minister Robert Jenrick bekräftigte gegenüber britischen Medien die Haltung der britischen Regierung. Er sagte: "Wenn wir dem nicht zustimmen können, werden wir mit dem Abkommen, das wir Ende letzten Jahres geschlossen haben, abreisen und mit der EU handeln, wie es viele Länder auf der ganzen Welt tun, wie zum Beispiel Australien."
Jenrick sagte außerdem, die Regierung werde "bereit sein" für die Frist zum 31. Dezember und es gebe "keinen Vorschlag", diese Frist zu verlängern.
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