Mit rund 4,5 Mrd. Euro beziehungsweise 7 Prozent der gesamten Agrar- und Nahrungsmittelausfuhren war das Vereinigte Königreich 2015 ein wichtiger Handelspartner für Deutschland. Laut Einschätzung des Thünen-Instituts ist der Handel mit unverarbeiteten Agrarprodukten von einem Brexit jedoch nur geringfügig betroffen.
Für den Bereich der verarbeiteten Nahrungsmittel hingegen werde es einen deutlichen Rückgang im Außenhandel geben, schätzen die Experten. Für Deutschland bedeutet der Brexit einen Rückgang der Nahrungsmittelexporte nach Großbritannien von über 30 Prozent, was einem Rückgang der Ausfuhren an Nahrungsmitteln in das Vereinigte Königreich von 1,2 Mrd. Euro entspricht.
Folgen für den EU-Agrarhaushalt
Auswirkungen auf den EU-Agrarhaushalt seien jedoch gering. Die Briten finanzieren 10 Prozent des EU-Gesamthaushalts. Am Budget für die Landwirtschaft haben sie aber nur einen Anteil von 5 Prozent. Das liegt am "Britenrabatt", der für den Fall des Austritts den Schaden vermindert. In Zahlen ausgedrückt, zahlt das Vereinigte Königreich 14 statt 20 Mrd. Euro in den EU-Agrarhaushalt ein und bekommt 7 Mrd. Euro an Agrarzahlungen heraus. Der Austritt schafft also eine Finanzierungslücke von 7 Mrd. Euro in der EU.
Mögliche Handelsszenarien
Laut der Experten des Thüneninstituts gibt es verschiedene Möglichkeiten, den künftigen Zugang von Großbritannien zum europäischen Binnenmarkt zu gestalten.
- Beispielsweise könnte Großbritannien Mitglied im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) werden. Der EWR ermöglicht derzeit den freien Warenverkehr von Industrieprodukten, Dienstleistungen und Kapital zwischen Norwegen, Island, Liechtenstein und der EU. Für den Handel mit Agrar- und Ernährungsgütern gibt es hier allerdings Sonderregelungen, und es bestehen weiterhin noch Zollbarrieren zwischen den Handelspartnern.
- Denkbar wäre auch ein eigenständiges Freihandelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien, das auch den Agrar- und Ernährungssektor einschließt.
- Ohne diese zusätzlichen Abkommen müsste Großbritannien nach dem Austritt auf Basis der Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) mit der EU handeln.
Extremszenario: WTO-Regeln
Die Experten des Thünen-Instituts für Marktanalyse haben das Handelsszenario nach WTO-Regeln mithilfe ihrer Marktmodelle berechnet. Dabei wurde angenommen, dass beide Parteien, EU wie Großbritannien, im Außenhandel wieder Zölle erheben. Weiterhin, dass die EU Großbritannien bezüglich der Zollhöhe entsprechend der WTO-Regeln genauso behandelt wie derzeit beispielsweise die USA, Brasilien oder China. Im Gegenzug, so wurde angenommen, würde sich Großbritannien ähnlich verhalten und Zollschranken entsprechend der WTO-Regeln erhöhen.
Von einem solchen Vorgehen wären die Zollsätze für verarbeite Nahrungsmittel besonders betroffen. Einfuhren von Rindfleisch in das Vereinigte Königreich würden z.B. mit 28 % belegt. Importe von Milchprodukten würden einem Zoll von über 35 % unterliegen und Zuckerimporte in das Vereinigte Königreich würden mit einem Zoll von über 125 % belegt.
Hier ist Ihre Meinung gefragt
Werden Sie Teil unserer Community und diskutieren Sie mit! Dazu benötigen Sie ein myDLV-Nutzerkonto.