Wie geht es weiter bei der Düngeverordnung?
Im Streit um eine Anpassung der roten und gelben Gebiete im Rahmen der Düngeverordnung kann sich Cem Özdemir weitgehend zurücklehnen und auf die Länder verweisen. Nicht heraus kommt er aber aus der Pflicht, genauere und bundesweit einheitliche Vorgaben zur Modellierung der Nitratbelastung und zum Monitoring der Stickstoffbelastung von Gewässern erarbeiten zu lassen. Hierzu müssen auch die entsprechenden Verordnungen angepasst werden. Wenn das nicht sauber gemacht wird, drohen weitere Klagen von Bauern und Druck aus Brüssel.
Neue Stoffstrombilanz als Teil der Düngeverordnung
Wie geht es weiter bei Klima-, Arten- und Umweltschutz?
Beim Klima-, Arten- und Umweltschutz ist 2021 einiges passiert, unter anderem traten die neue TA Luft und das umstrittene Insektenschutzgesetz in Kraft. Auch sollen durch die Vorgaben des Green Deals, die unter anderem für die Landwirte durch die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) mit den Öko-Regelungen (Eco-Schemes) und der neuen Konditionalität, die ab 2023 gelten, umgesetzt werden, Fortschritte für die Umwelt erreicht werden. Cem Özdemir handelt hier nicht allein. Unter anderem hat die neue Bundesumweltministerin Steffi Lemke bereits angekündigt, im Kampf für den Artenschutz neue Akzente legen zu wollen.
Fraglich ist, was genau an neuen Punkten kommen soll, solange die Auswirkungen der jüngsten Reformen noch nicht absehbar sind. Vor Ende 2023 werden weder für Eco-Schemes, noch TA Luft, noch Insektenschutzgesetz messbare Ergebnisse zu bemerken sein. Geht Cem Özdemir hier voran, noch bevor eine Evaluierung vorliegt? Ein mögliches Betätigungsfeld wären hier die Taxonomie-Regeln der EU, die zwar noch nicht für die Landwirtschaft aber beispielsweise für Biogasanlagen gelten. Ziel der Ampel könnte es sein, über die Kreditwirtschaft Einfluss auf die Realwirtschaft zu nehmen. Im Extremfall bekommen vielleicht irgendwann nur noch Bio-Bauern Kredite. Wie weit das mit der FDP zu machen ist, dürfte spannend werden.
Nutzt Cem Özdemir die Chance von Kohlenstoffbindung bzw. Carbon Farming?
Eigene positive Akzente aus Sicht der Landwirtschaft könnte Cem Özdemir hier legen, wenn er dazu beträgt, dass betriebswirtschaftlich sinnvolle Modelle für Carbon Farming oder andere Methoden klimafreundlichen Wirtschaftens entwickelt werden. Das Interesse aus der Branche ist hier groß. Auch die EU-Kommission will Landwirte für Kohlenstoffbindung belohnen. Wenn Klimagase auch in Deutschland gebunden werden sollen, führt kein Weg an der Land- und Forstwirtschaft vorbei.
Welche Rolle spielt der Moorschutz für Cem Özdemir?
Möglich wäre es auch, dass Cem Özdemir sich auf das Thema Moorschutz konzentriert. Hier wurde 2021 einiges an Vorarbeit gemacht, Bund und Länder haben sich auf über 300 Mio. Euro für den Moorschutz geeinigt. Außerdem gelten Moore als ein Bereich, wo die Landwirtschaft schnell Treibhausgase sparen kann. Am schnellsten lassen sich gute Ergebnisse mit kooperativen Lösungen mit den Bewirtschaftern und Grundeigentümern erzielen. Doch das kostet Geld und außerdem liegen die Regeln Großteils in der Verantwortung der Länder. Niedrig hängende Früchte die leicht zu pflücken sind gibt es also nicht.
Wie geht es weiter bei den Ökoregelungen (Eco-Schemes)?
In der Umsetzung der Ökoregelungen (Eco-Schemes) steuern Bund und Länder auf Chaos zu. Längst ist man noch nicht in allen Bundesländern sicher, wie die eigenen Agrarumweltmaßnahmen und die ländliche Entwicklung für 2023 aussehen sollen. Bis Februar 2022 müssen die Pläne aber nach Brüssel gemeldet sein. Zuletzt hat sich der Bundesrat im Dezember geäußert, wie Prämien und Auflagen bei den Ökoregelungen aussehen werden. Doch die Zeit ist äußerst knapp: Die Landwirte müssen in ihrer Anbauplanung für 2023 die Auswirkungen der Eco-Schemes bereits berücksichtigen, weil Fruchtfolgen eingehalten und die Nutzung mehrjähriger Förderprogramme geplant werden muss. Wenn die freiwilligen Eco-Schemes nicht genutzt werden, lässt Deutschland EU-Fördermittel liegen und blamiert sich damit.
Wie geht es weiter mit der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)?
Cem Özdemir kann hier natürlich sagen, dass der Bund seine Hausaufgaben gemacht hat und nicht schuld ist, wenn die Länder schlafen. Das aber hieße nicht nur, dass der Minister es sich sehr leicht macht. Es wäre auch eine verschenkte Gelegenheit einen Plan zu entwerfen, wohin es mit der Landwirtschaft in den nächsten Jahren gehen soll. Hier ist ein wesentlicher Ansatzpunkt, die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft, wie Bauern künftig Geld verdienen sollen ins Praktische umzusetzen.
Wie geht es weiter mit dem Umbau der Nutztierhaltung?
Der Koalitionsvertrag verspricht, dass ein „durch Marktteilnehmer getragenes finanzielles System“ entwickelt werden soll, dass die laufenden Kosten der Betriebe ausgleicht und Investitionen fördert ohne den Handel bürokratisch zu belasten. Damit setzt die Ampelkoalition stark auf die Initiative Tierwohl (ITW), was durchaus sinnvoll ist. Aber konkret ist das freilich noch nicht. Sollen staatliche Mittel in die ITW fließen? Verdrängt das dann privatwirtschaftliche Gelder? Bezahlen die Verbraucher mehr, weil künftig eine deutsche 5xD-Fahne auf unseren Schweinefleischpackungen klebt? Wie kann verhindert werden, dass ein anderes EU-Land Deutschland dann wegen Wettbewerbsverzerrung verklagt? Was kann Cem Özdemir beim Thema verpflichtende Herkunftskennzeichnung in Brüssel mehr tun, als Wünsche zu äußern, die dann jahrelang in den Mühlen der EU-Kommission verschwinden? Es gibt eindeutig mehr Fragen als Antworten.
Wie wäre es, wenn die gesamte Wertschöpfungskette Fleisch einen umfassenden Vorschlag erarbeitet, der das Borchert-Papier weiterentwickelt und - ähnlich wie die Zukunftskommission Landwirtschaft - auch kritische Organisationen mit einbindet? Einzelne Marktpartner wie Aldi haben schon Vorstöße unternommen. Mit einem breit abgestimmten und konkreten Papier könnte Cem Özdemir möglicherweise unterstützten und die Weiterentwicklung der Nutztierhaltung vorantreiben.
Wie geht es weiter mit der Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest?
Ein weiteres Thema beim Umbau der Nutztierhaltung ist der Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest (ASP). Wird hier zu wenig entschlossen gehandelt, sieht es düster aus für die deutsche Schweinehaltung. Eine Möglichkeit wäre es, eine Lösung zu erarbeiten, wie Frankreich sie im Dezember 2021 bereits vorgestellt hat: Eine Einigung mit China, dass auch nach einem ASP-Ausbruch die eigenen Schweinefleischexporte weitergehen dürfen. Dazu braucht es zum ersten ein striktes Bekämpfungskonzept, bei dem der Bund auch endlich eine koordinierende Rolle der Länder übernehmen muss. Es geht dann auch um massive Bestandsdezimierungen von Wildschweinen. Ein Punkt, der nicht jedem städtischem Grünen-Wähler gefallen dürfte. Zum zweiten braucht es eine Nähe zu China die im Jahr von olympischen Winterspielen in Peking möglich sein wird. Allerdings steht im Koalitionsvertrag auch, dass Menschenrechte die Grundlage der bilateralen Beziehungen sein sollen. Einen Tausch „Uiguren gegen Schweinebäuche“ wird es unter Cem Özdemir höchstwahrscheinlich nicht geben.
Welche Rolle spielt die Landwirtschaft bei der Energiewende?
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass der Ausbau von Windenergie an Land, von Photovoltaik und auch von Bioenergie vorangetrieben werden soll. Abgesehen von allgemeinen Bekenntnissen steht aber nur wenig Konkretes im Papier. Die Landwirtschaft kann nun warten und hoffen, dass Cem Özdemir - in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium und den Ländern - entsprechend günstige Pläne vorlegt. Oder sie kann eigene Pläne vorlegen. Welche Kapitalmengen die Landwirte kurzfristig mobilisieren können, hat das erste EEG gezeigt. Wiederholt sich die Geschichte unter einer neuen Bundesregierung mit Beteiligung der Grünen? Im Kampf gegen den Klimawandel wäre das sinnvoll, erfordert aber verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen.
Welche Themen stehen für Cem Özdemir 2022 noch an?
Von der Klage der EU-Kommission wegen unzureichendem Schutz von artenreichen Wiesen in FFH-Gebieten über die Senkung der Methan-Emissionen aus der Tierhaltung bis zur Frage, ob die Regeln für die Umsatzsteuerpauschalierung in 2022 schon wieder angepasst werden müssen, gibt es zahlreiche weitere Baustellen, an denen Cem Özdemir sich beweisen kann und muss. Wir bei agrarheute werden Sie, liebe Leserinnen und liebe Leser, auch im neuen Jahr natürlich gewohnt konstruktiv und kritisch darüber auf dem Laufenden halten.
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