Auf einer Veranstaltung des Verbands Deutscher Agrarjournalisten am vergangenen Donnerstag kritisierte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in scharfen Worten die vorherige Bundesregierung für die Umsetzung der Düngeverordnung bei der Ausgestaltung der roten Gebiete, also der Gegenden mit hoher Nitratbelastung im Grundwasser. Wörtlich sagte der Grünen-Politiker: „Die Vorgängerregierung hat, wissend wie die Lage ist, es vorgezogen, den Kopf in den Sand zu stecken. [Der Zustand, in dem ich die Dinge vorgefunden habe,] das wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht: Sie wissen, was Brüssel von ihnen will und sie machen einfach genau nichts. Sie liefern denen etwas, was die ja noch in den Wahnsinn treibt und richtig wütend macht. Wir haben Brüssel über Jahre hinweg auf gut deutsch den Mittelfinger gezeigt.“ Die Toleranzschwelle in Brüssel sei bei diesem Thema "genau null-Komma-null".
Was Özdemir bei den roten Gebieten getan hat
Özdemir erklärte, er habe in Brüssel eine "Charme-Offensive" gestartet, um der EU-Kommission klar zu machen, dass Deutschland vertragstreu und ein seriöser Rechtsstaat sei, der "nicht trickse". Er habe gleichzeitig um Verständnis in Brüssel geworben, dass man nicht "Dinge machen können, die nachher Leute unbotmäßig hart treffen". Die Kommission würde nichts anderes bei der Ausweisung der roten Gebiete akzeptieren als das, was man nun gemacht habe. Das System müsse umgebaut und auf die Höfe genau umgerechnet werden können. Die Länder habe Özdemir aufgefordert, das Messstellennetz so auszubauen, dass auch bundesweit vergleichbare Zahlen vorgelegt werden könnten. Sonst sei das neue System nicht gerecht.
Jochen Flasbarth stimmt Özdemir zu
Verhandlungsführer beim Thema Einhaltung der Nitratrichtlinie war und ist das Bundesumweltministerium. Dessen damaliger Staatssekretär Jochen Flasbarth - mittlerweile Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - stimmt, auf Nachfrage von agrarheute, Özdemir zu und erklärt: „Die grundsätzliche Aussage von Cem Özdemir wird geteilt. Es ist allerdings hinlänglich bekannt, dass nicht das Umweltministerium den Kopf in den Sand gesteckt hat, sondern die Amtsvorgängerin von Cem Özdemir im Landwirtschaftsministerium Julia Klöckner eine vollständige Umsetzung des EU-Rechts blockiert hat. Das ist in den Akten der beiden Ministerien gut nachzulesen. Frau Klöckner und die Unionsparteien haben sich schlicht europarechtswidrig verhalten.“
Julia Klöckner: Özdemir noch nicht eingearbeitet
Gegenüber agrarheute erklärte die ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zu den Vorwürfen Cem Özdemirs: „Meinem Nachfolger will ich nicht verübeln, dass er sich noch nicht in alle Themen eingearbeitet hat. Aber seine Äußerungen zur Düngeverordnung zeigen eines - es scheint nicht sein Herzensthema zu sein, und die Vorgänge dazu hat er sich entweder nicht vorlegen lassen oder nicht zu Gemüte geführt. Die Debatte um die Düngeverordnung habe ich aus der Vergangenheit übernommen und unmittelbar gehandelt. Wir haben mit der Neuregelung den Landwirten einiges abverlangt, sonst wären sie wohl kaum zahlreich auf die Straße gegangen und hätten dagegen demonstriert.“
Enge Abstimmungen mit EU, Bund und Ländern - über Parteigrenzen hinweg
Entschieden weist Klöckner den Vorwurf Jochen Flasbarths zurück, europarechtswidrig gehandelt zu haben: „Zur Umsetzung der Brüsseler Vorgaben fanden in meiner Amtszeit zahlreiche Gespräche auf fachlicher und politischer Ebene statt – im Ministerium in Bonn und Berlin, in Brüssel oder auf vielen Agrarministerkonferenzen. Der Stand, der aktuell diskutiert wird, ist dementsprechend in enger Abstimmung mit der EU, dem hier federführenden Bundesumweltministerium und den Agrarministerinnen und Agrarminister der Länder entstanden. Also auch in großer Einigkeit mit den Parteifreundinnen und Parteifreunden von Herrn Özdemir in den Landesministerien. Da das Bundesumweltministerium federführend ist, würde die These von Herrn Flasbarth bedeuten, dass er und seine Ministerin wissentlich eine europarechtswidrige Position geteilt und vertreten haben. Das kann ich mir nicht vorstellen.“
Klöckner: Fehlende Fachlichkeit beim Bundesumweltministerium
Abschließend betont Klöckner: „Was ich dem Bundesumweltministerium nicht habe durchgehen lassen, ist fehlende Fachlichkeit bei der Beurteilung des Anbaus auf dem Acker. Pflanzen benötigen Nahrung. Im Übrigen zeigen die aktuelle Krise und der Krieg in der Ukraine, wie sehr wir auf die Arbeit und die Erträge unserer Landwirte angewiesen sind.“
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