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Demos zur Grünen Woche: Getrennt marschieren, vereint kämpfen?

Traktoren bei Bauerndemo
am Freitag, 10.01.2020 - 09:30 (1 Kommentar)

Nächste Woche geht die Grüne Woche los und mit ihr starten die Bauerndemos. Wichtig wäre, Einigkeit zu demonstrieren und falsche Signale zu vermeiden. Doch daran hapert es. Ein Kommentar.

Nächste Woche öffnet die Grüne Woche in Berlin ihre Tore. Und wie immer beginnt gleichzeitig die Zeit der Agrar- und Ernährungsdemonstrationen. Landwirte, Landwirtschaftsexperten (und die, die sich dafür halten), Landwirtschaftskritiker, Tier-, Umwelt-, Klima- und Verbraucherschützer, Politiker und Verbandsgrößen – sie alle tragen in den nächsten Tagen die Diskussion um die Zukunft unserer Nahrungserzeugung auf die Straße.

Es geht darum, Aufmerksamkeit in der Bevölkerung zu erzielen und politischen Einfluss zu nehmen. Die Ziele sind dabei so vielfältig wie die jeweils mitmarschierenden Organisationen. Veganer und Tierrechtler fordern ein Ende der Tierhaltung, Verbraucherverbände kämpfen gegen vermeintlich schlechtes Essen, Umweltschützer protestieren gegen Gülle und Glyphosat, Politiker marschieren um die Wählergunst. Und die Landwirte? Was wollen die?

Verheerende Schlagzeilen in den großen Medien

Geht man nach den großen Medien, ist die Antwort einfach: Deutsche Bauern wehren sich gegen die neue Düngeverordnung. Oder noch zugespitzter: Sie wollen immer feste weiter Gülle ausbringen und das Grundwasser ruinieren. Eine solche Schlagzeile – so verfälscht sie auch ist – lässt sich gut verkaufen.

Dass das nicht die Botschaft sein kann und darf, die beim Bürger ankommt, ist sicher jedem klar. Die Protestaktionen sollen Landwirte und Verbraucher ins Gespräch bringen und nicht die Gräben tiefer schaufeln. Trotzdem geht noch immer die verheerende Kunde um: "Bauern sind gegen Umweltschutz".

Das liegt an schlechter Recherche und meinungsgetriebenem Journalismus, aber auch daran, dass unbedacht kommuniziert wird. Dirk Andresen von "Land schafft Verbindung – Deutschland" (LsVD) beispielsweise startet seinen Videoaufruf zu deutschlandweiten Protestaktionen am 17. Januar mit der Aussage, die Kundgebungen richteten sich gegen eine neue Düngeverordnung. Sowas bleibt bei flüchtig recherchierenden Journalisten hängen – und nicht die Erläuterungen weiter hinten im Sechs-Minuten-Video.

Keine Totalverweigerung demonstrieren

Ähnlich äußert sich Maike Schulz-Broers von "Land schafft Verbindung – das Original" (LsVO). Man werde am 14. Januar (also vier Tage vor LsVD) deutschlandweite Proteste initiieren, wenn die Bundesregierung die neue Düngeverordnung nicht aussetze. Mit Verlaub: Diese Forderung ist unrealistisch. Die Pläne werden nicht einfach im Papierkorb verschwinden – auch nicht durch den berechtigten Hinweis auf ungeeignete Messstellen und Nitrateinträge aus städtischen Abwässern. Die Strafandrohungen aus Brüssel sind unmissverständlich. Berlin muss reagieren. Die Frage ist nur wie.

Statt also den vielbeschworenen Dialog voranzutreiben und klarzumachen, dass es um vernünftige Anpassungen des vorliegenden Agrarpakets geht, ist die augenscheinliche Hauptbotschaft beider LsV-Gruppenvertreter der Widerstand gegen jegliche Veränderung. Das schnappen die großen Medien, die sich nicht die Zeit nehmen, differenziertere Aussagen und Hintergrundaktivitäten (die es ja gibt!) zu durchleuchten, auf und verbreiten es. Den vielfältigen Bemühungen seitens der Landwirte um einen konstruktiven Dialog wird das nicht gerecht.

Konkurrenten, die keine sein sollten

Das alles tut der hiesigen Landwirtschaftsbewegung nicht gut. Ebensowenig wie das Hickhack um "LsV – Deutschland" versus "LsV – das Original". Diese Querelen werden zwar zum Glück außerhalb der Agrarwelt nicht wahrgenommen, aber zumindest unter den Bauern selbst stiften sie Unruhe und Frustration. Dabei haben doch wirklich alle dasselbe Ziel: der deutschen Landwirtschaft eine Zukunft zu sichern.

Doch nach wie vor beharren beide Seiten auf Vorrang oder gar alleiniges Vertretungsrecht. Jeder startet seine eigenen Aktionen, und der Branche fällt zunehmend schwer durchzusteigen, wann, wo, was und von wem organisiert stattfindet. Folgerichtig hört sich bei LsVD die Videobekanntmachung zur Demo am 17. streckenweise eher wie eine Kampfansage gegen die Konkurrenz – die eigentlich keine sein sollte – an. Und die Tonalität bei LsVO ist vergleichbar.

Zu viel Kraft investieren beide Organisationsführungen in die eigene Nabelschau.

Einigkeit nach innen, Stärke nach außen

Die Demonstrationen in der kommenden Woche wollen wahrgenommen werden. Aber beide LsV-Aktionen werden es schwer haben gegen die laute, große und bunte "Wir haben es satt"-Kundgebung am Samstag, bei der wieder Tausende gegen moderne Landwirtschaft auf die Straße gehen werden – und zwar auch dann, wenn sie in vielerlei Hinsicht unterschiedlicher Meinung sind. Deren Bilder werden durch die Medien gehen. Ob sich Tagesschau und heute-Nachrichten dagegen noch mal bemühen, über Traktoren auf Landstraßen und die Sorgen der dazugehörigen Bauern zu berichten, ist fraglich.

Umso wichtiger ist es, dass auch die Landwirtschaft Einigkeit nach innen und Stärke nach außen zeigt. Und dass den Verkehrsblockaden wieder mehr Gespräche folgen über das, was die großen Nachrichtenmagazine ihren Lesern und Zuschauern nicht erklären.

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