Seit Mai 2020 ist die neue Düngeverordnung in Kraft. Sie verschärfte die Vorgängerfassung vom Mai 2017. Noch sind die meisten Länder mit Hochdruck dabei, bis Jahresende die "roten Gebiete" neu auszuweisen. Und doch wird die Koalition das Düngerecht im kommenden Jahr voraussichtlich schon wieder anpassen. Diesmal geht es um das Düngegesetz und die Verordnung zur Stoffstrombilanz.
Das Düngegesetz muss geändert werden, um das sogenannte Wirkungsmonitoring zur Düngeverordnung durchführen zu können. Das Monitoring der Düngung in den Betrieben als auch der Immissionen in Gewässer ist eine der Forderungen, die die EU-Kommission im Streit mit Deutschland um die Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie durchgesetzt hat.
Vorgezogene Pflicht zur Stoffstrombilanzierung
Außerdem muss das Düngegesetz auch erweitert werden, um eine Änderung der Stoffstrombilanz-Verordnung zu ermöglichen. Der Rechtsrahmen für diese Verordnung zur Erstellung von Stoffstrombilanzen ist in § 11a des Düngegesetzes sehr eng geregelt.
Zurzeit sieht die Verordnung vor, dass Betriebe mit einer Tierbesatzdichte von mehr als 2,5 Großvieheinheiten (GVE) eine Stoffstrombilanz erstellen müssen, wenn sie mehr als 50 GVE oder mehr als 30 Hektar Nutzfläche haben. Eigentlich soll diese Verpflichtung ab 2023 für alle Betriebe mit mehr als 20 Hektar oder 50 GVE gelten. Doch nun soll die Ausweitung der Pflicht zur Stoffstrombilanzierung auf 2021 vorgezogen werden. Außerdem sollen die Obergrenzen für die betrieblichen Stickstoffüberschüsse neu festgelegt und für den Phosphorüberschuss erstmals ein Grenzwert bestimmt werden.
Neues System zur Berechnung der Nährstoffströme
Aktuell wird die Stoffstrombilanz-Verordnung durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe evaluiert. Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber das Bundeslandwirtschaftsministerium dazu verpflichtet hat, bis Ende 2021 einen Bericht über die Auswirkungen der verbindlichen Stoffstrombilanzierung vorzulegen. Aber schon jetzt steht fest, dass es ein neues System zur Berechnung der Nährstoffströme geben wird. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll dazu ein Konzept erarbeiten.
Das Umweltbundesamt (UBA) hat allerdings bereits vorgelegt: In November präsentierte die Behörde eine fachliche Stellungnahme zur Begrenzung der Stickstoff (N)- und Phosphor (P)-Überschüsse. Sie wurde unter anderem von Prof. Friedhelm Taube, Universität Kiel, und Dr. Martin Bach, Universität Gießen, erarbeitet.
Wissenschaftler schlagen 120/120-Modell vor
Nach geltendem Recht beträgt der zulässige Stoffstrombilanzwert für Stickstoff jährlich 175 kg N/ha. Alternativ darf eine betriebsindividuelle Bewertungsgrenze ermittelt werden. Nach Meinung der UBA-Stellungnahme ist diese Bewertungsgrenze nicht wissenschaftlich fundiert.
Die Autoren der Stellungnahme schlagen ein „120/120-Modell“ vor: Für den betrieblichen N-Bilanzüberschuss soll ebenso wie für den N-Anfall aus organischen Düngemitteln ein Grenzwert von 120 kg N/ha gelten.
Der maximal zulässige betriebliche N-Überschuss soll ermittelt werden aus der Summe eines Basiswertes vo 50 kg N/ha plus dem 0,58-fachen des N-Anfalls aus organischer Düngung bis zu einem zulässigen Überschuss von 120 kg N/ha aus organischer Düngung:
Max. zulässiger betrieblicher N-Überschuss (kg N/ha LF) = 50 + 0,58 × kg NorgDg/ha LF
Der Faktor 0,58 soll der geringeren Stickstoffeffizienz von Wirtschaftsdünger im Vergleich zu Mineraldünger Rechnung tragen.
"Eine große Herausforderung" für viehstarke Betriebe
Selbst die Autoren der UBA-Stellungnahme räumen ein, dass die Einhaltung dieses zulässigen betrieblichen N-Überschusses für viehstarke Betriebe „unbestritten eine große Herausforderung darstellt“. Aus Umweltsicht sei dies jedoch „nur die Minimalforderung“, die für beide Seiten einen tragfähigen Kompromiss darstelle.
Für Phosphor sehen die Agrarwissenschaftler eine „eklatante Regelungslücke“ in der Stoffstrombilanzverordnung. Sie schlagen darum vor, das vom VDLUFA etablierte System der P-Gehaltsklassen im Boden und die daraus abgeleiteten gestuften Düngungsempfehlungen für die Festlegung von Obergrenzen des zulässigen P-Überschusses zugrunde zu legen.
Bayerns Agrarressort zweifelt an fachlicher Grundlage
Die Empfehlungen der UBA-Stellungnahme wurden teilweise kritisch aufgenommen. Nach Auffassung des bayerischen Landwirtschaftsministeriums muss eine Neubewertung der Stoffstrombilanz für alle Betriebsformen anwendbar sein. Sie muss außerdem ein realistisches und fachlich vertretbares Verbesserungspotenzial für die Nährstoffeffizienz aufzeigen. Das sei beim UBA-Vorschlag aber weder für Stickstoff noch für Phosphor der Fall, heißt es aus dem bayerischen Agrarressort auf Anfrage von agrarheute.
Kritik kommt auch aus Mecklenburg-Vorpommern
Aus dem Schweriner Landwirtschaftsministerium verlautete, aus fachlicher Sicht sollte kein pauschaler und einheitlicher Wert für die Beurteilung des Stickstoffeinsatzes über alle Landwirtschaftsbetriebe genutzt werden. Vielmehr sollten die natürlichen Standortfaktoren einbezogen werden, um betriebs- und standortindividuell zulässige N-Überschüsse abzuleiten.
Bei der Ermittlung des P-Düngebedarfs bewertet das Ministerium die Verwendung von Faktoren für Zu- und Abschläge als problematisch. Fachlich korrekter wären feste Zu- und Abschläge zu den P-Gehaltsklassen im Boden, wie sie seit Jahren in einigen Bundesländern verwendet werden, so das Schweriner Agrarressort.
Düngerecht als Streitobjekt im Superwahljahr 2021
Noch liegen keine Regierungsentwürfe für ein überarbeitetes Düngegesetz und eine angepasste Stoffstrombilanz-Verordnung vor. Der zähe Streit zwischen dem CDU-geführten Bundeslandwirtschafts- und dem SPD-geführten Bundesumweltministerium in praktisch allen aktuellen agrarpolitischen Fragen lässt keine leichten Verhandlungen erwarten.
Das gilt umso mehr, als im kommenden Superwahljahr gleich in vier Bundesländern Landtagswahlen und die Bundestagswahl anstehen.
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