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Düngeverordnung: Wer braucht noch ein Bundeskabinett?

Güllefass mit Schleppschuhgestänge auf einer Wiese.
am Montag, 24.02.2020 - 09:20 (Jetzt kommentieren)

Bis vor 14 Tagen ging das politische Berlin fest davon aus, dass die zum wiederholten Male nachgeschärfte Düngeverordnung noch einmal ins Bundeskabinett muss. Doch auf einmal war keine Rede mehr davon. Was war passiert?

Simon Michel-Berger, Chefredakteur agrarheute

Bundesinnenminister Horst Seehofer – getrieben vielleicht vom Wunsch, Markus Söder eins auszuwischen – hatte sich auf die Hinterbeine gestellt und ein Veto angedroht, sollte die neue Düngeverordnung wie eigentlich geplant am 19. Februar im Kabinett aufschlagen. Das hätte in jedem Fall bedeutet, dass die Düngeverordnung nicht mehr am 3. April im Bundesrat behandelt werden könnte. Die EU-Kommission hätte dann ihre Drohung wahrmachen und den Europäischen Gerichtshof dazu aufrufen müssen, die vielfach angekündigten Sanktionen gegen Deutschland zu verhängen.

Um dem zu entgehen, griff man im BMEL zu einem Verfahrenstrick: Man besann sich darauf, dass die Düngeverordnung eine Ministerverordnung ist, die keine Zustimmung im Kabinett braucht. Außer man liest die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien genau. Denn dort steht, dass auch solche Verordnungen ins Kabinett müssen, wenn sie von „politisch allgemeinem Interesse“ sind. Was aber ist an sauberem Grundwasser und Bauerndemonstrationen im ganzen Land nicht von politisch allgemeinem Interesse?

Das Bundesinnenministerium scheint mit diesem Vorgehen dennoch zufrieden zu sein. Jedenfalls erklärte eine Sprecherin gegenüber agrarheute, dass eine Kabinettsbefassung nicht zwingend notwendig sei.

Den Ländern hin gekippt

Was aber sind die Folgen? Die aktuelle Version der Düngeverordnung wurde ohne Mitsprache der CSU nur von CDU- und SPD-geführten Ministerien beschlossen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) kippt den Ländern jetzt die Verordnung hin und betont, dass diese schuld wären, falls es zu keiner Annahme im Bundesrat kommt. Sie müssten demnach für Strafen geradestehen. Die Länder können damit eigentlich nur noch zustimmen – und hoffen, dass der Bund bald die Rahmenbedingungen zur Binnendifferenzierung roter bzw. Neuausweisung phosphatbelasteter Gebiete vorlegt. Denn wenn die Länder hier mehr als ein halbes Jahr brauchen, werden jede Menge grüner Gebiete rot. Das Bundesumweltministerium (BMU) wäre darüber wahrscheinlich nicht traurig.

Ich werde den Verdacht nicht los, dass hier das BMU ein sehr erfolgreiches Spiel über Brüssel gespielt hat, um seine eigenen Forderungen gegenüber dem BMEL durchzudrücken. Die Bauern sollten sich jetzt überlegen, was sie in Zukunft gegen so ein Vorgehen tun wollen. Denn die Klage gegen die Umsatzsteuerpauschalierung läuft schon und die nächste Klage wegen mangelhafter Erhaltungsziele in den FFH-Gebieten zeichnet sich bereits ab.

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