Die letzten Verhandlungen zwischen den Bundesministerien für Umwelt und Landwirtschaft dauerten mehrere Tage. Nachdem ein Kompromiss zwischen beiden Ressorts im Grundsatz bereits Ende vergangener Woche gefunden wurde, wurden die verbliebenen offenen Punkte bei einem Treffen der Staatssekretäre am Montag geklärt.
Damit wird das Aktionsprogramm Insektenschutz (API), wie es im September 2019 auf Vorschlag von Bundesumweltministerin Svenja Schulze ins Bundeskabinett eingebracht und dort beschlossen wurde, größtenteils unverändert am Mittwoch zum Beschluss ins Bundeskabinett gehen. Weder gab es deutliche Verschärfungen noch größere Erleichterungen für die betroffenen Landwirte gegenüber dem ursprünglichen API.
Die hauptsächliche Veränderung ist kosmetischer Natur: Ein eigenes Insektenschutzgesetz ist vom Tisch, stattdessen beschränkt man sich auf eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. Ebenfalls einigte man sich auf eine Änderung der Pflanzenschutzanwendungsverordnung. Darin geregelt sind die neuen Vorschriften zu Gewässerrandstreifen und zum Einsatz von Glyphosat.
Neue Unsicherheit im Ackerbau
In FFH-Gebieten soll wie geplant ein Anwendungsverbot von Insektiziden und Herbiziden auf Grünland kommen. Im Ackerbau soll es zunächst eine Beobachtungsphase von drei Jahren geben. Danach können – müssen aber nicht – auch hier Anwendungsverbote erlassen werden. Verlässlichkeit für Ackerbauern, was ab 2024 erlaubt sein wird, gibt es also nicht.
Der Anbau von Sonderkulturen wie Hopfen, Wein, Obst und Gemüse sowie Saatgut soll vom Verbot ausgenommen werden. In Vogelschutzgebieten (Natura 2000-Gebiete) soll es keine Verbote des Pflanzenschutzmitteleinsatzes auf Bundesebene geben. Hierzu gibt es in zahlreichen Bundesländern jedoch bereits Regelungen.
Gewässerrandstreifen: Weniger Fördermöglichkeiten
An den Rändern von Gewässern erster und zweiter Ordnung sollen Randstreifen von mindestens fünf Metern (bei dauerhafter Begrünung) oder zehn Metern (ohne Begrünung) vorgeschrieben werden. Mehrere Bundesländer haben solche Vorschriften bereits.

Eine Kompensation für die Landwirte für die Anlage der Randstreifen wird nach Verabschiedung der neuen gesetzlichen Regelung erschwert, weil die Einhaltung gesetzlicher Mindeststandards nicht gefördert werden darf. So kann der Verzicht auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in den von Verboten betroffenen Gebieten künftig nicht mehr finanziell vom Staat unterstützt werden. Förderung für andere Maßnahmen, die mit der Anlage von Gewässerrandstreifen zu tun haben und die sich nicht explizit auf einen Verzicht von Pflanzenschutz beziehen, bleibt hingegen möglich.
Explizit erlaubt das Gesetz den Ländern, abweichende Regelungen für Randstreifen zu treffen. Wie weit diese Ausnahmen gehen, ist noch nicht klar. Bestehende Länderregeln sollen unberührt bleiben. Ausnahmen vom Verbot, etwa zur Bekämpfung von Neophyten, sollen möglich sein.
Glyphosateinsatz bis 2022 nur noch in Ausnahmen
Der Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft wird bis 2022, dem Ende der aktuellen Zulassung, nur noch in verschiedenen Ausnahmefällen erlaubt. Ab 1. Januar 2024 soll ein absolutes Verbot des Glyphosateinsatzes kommen – sofern die Zulassung des Wirkstoffes nicht noch einmal auf EU-Ebene verlängert wird.
Biotopschutz: Pflege von Streuobstwiesen soll möglich bleiben
Der Biotopschutz wird auf Streuobstwiesen, Steinriegel und Trockenmauern sowie artenreiches Grünland erweitert. Als artenreiches Grünland gelten die Biotoptypen Bergwiese und „Flachland-Mähwiese“, die bereits unter der FFH-Richtlinie erhalten werden müssen.
Die Pflege von Streuobstwiesen und artenreichem Grünland, beispielsweise durch Vertragsnaturschutz, soll weiterhin möglich bleiben. Auch bleiben bestehende oder künftige Regelungen der Länder unberührt. Als Streuobstwiesen gelten extensiv genutzte Obstbaumbestände auf Wiesen mit mindestens 1500 Quadratmetern, auf denen 25 oder mehr lebende Bäumen mit einer überwiegenden Stammhöhe von mindestens 1,60 Metern stehen. Erwerbsobstbauquartiere sollen von Einschränkungen ausgenommen bleiben.
Sonstiges: Von Landschaftsplanung bis Lichtverschmutzung
Die Änderung des Naturschutzgesetzes betrifft auch einige weitere Punkt: So soll die Lichtverschmutzung unter anderem dadurch reduziert werden, dass in Naturschutzgebieten die Neuerrichtung von beleuchteten Werbetafeln verboten wird. Außerdem soll das Bundesumweltministerium ermächtigt werden, den Einsatz von Insektenfallen außerhalb geschlossener Räume – mit Zustimmung des Bundesrates – einzuschränken. Der Einsatz von Holzschutzmitteln und Bioziden zur Bekämpfung von Gliederfüßern in Naturschutzgebieten und geschützten Biotopen wird verboten.
Zur Landschaftsplanung werden neue Zielvorgaben eingefügt, um den Insektenschutz in Planungsverfahren intensiver zu berücksichtigen. Explizit im Gesetzestext genannt wird schließlich auch der Grundsatz, dass nach Teilnahme an Maßnahmen, welche die Bewirtschaftung einer Fläche einschränken, die Fläche auch wieder in eine wirtschaftliche Nutzung überführt werden kann („Naturschutz auf Zeit“).
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