Mit dem Wahlsieg des Demokraten Joe Biden in den US-Präsidentschaftswahlen dürften sich die Agrarpolitik und die Außenhandelspolitik der Vereinigten Staaten in den nächsten vier Jahren deutlich verändern. Sowohl die Farmer als auch Handelspartner hoffen auf mehr Verlässlichkeit.
Der noch amtierende Präsident Donald Trump hat in der Landwirtschaft und dem ländlichen Amerika zwar besonders viele Anhänger. Laut einer Wahlanalyse durch Edison Research lag Trump auch bei der Präsidentschaftswahl 2020 außerhalb der großen Städte mit 54 Prozent der Stimmen klar vor seinem Herausforderer.
Insgesamt hat Biden jedoch – nach einem tagelangen Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Auszählung – die nötige Mehrheit der Wahlmännerstimmen hinter sich scharen können. Am Wochenende haben daher auch Verbände der Landwirtschaft dem Demokraten Biden zur Wahl gratuliert – und ihre Forderungen an den nächsten US-Präsidenten formuliert.
Trump hat die US-Agrarexporte in Gefahr gebracht

Der größte Bauernverband des Landes, die American Farm Bureau Federation (AFBF), sieht die Landwirte vor nie zuvor gekannten Herausforderungen. AFBF-Präsident Zippy Duval sagte, die globale Pandemie, Handelskonflikte und Unwetter hätten von der Landwirtschaft einen gewaltigen Tribut gefordert.
Als erste Priorität nannte Duval eine Ausweitung des Handels und verbesserten Zugang der Farmer zu den Exportmärkten. Unter Trump verlor die exportorientierte US-Agrarwirtschaft vor allem in China erheblich an Absatzmärkten. Ursache waren die Handelsstreitigkeiten, die Trump eröffnete, um die US-Industrie vor chinesischen Importen zu schützen. Als Ausgleich für die rückläufigen Erlöse im Agrarexport zahlte die US-Regierung den Landwirten rekordhohe Milliardensummen an Entschädigungen.
Biden dürfte gegenüber China hart bleiben
Politische Beobachter erwarten, dass auch Biden gegenüber Peking einen harten Kurs in der Handelspolitik fahren wird. Denn der künftige Präsident steht vor der großen Herausforderung, die Corona-gebeutelte US-Wirtschaft zu stabilisieren. Allerdings dürfte Biden den Handelskonflikt mit China weniger chaotisch und nicht vor allem über Twitter-Äußerungen führen.
Vor allem rechnen politische Weggefährten damit, dass Biden das Verhältnis zu den Handelspartnern in Europa wieder pflegen will, um gemeinsam gegen China vorzugehen. Dabei werden die heute (10.11.) neu in Kraft tretenden EU-Strafzölle von 15 bis 25 Prozent auf bestimmte Agrarprodukte wie Wein, Nüsse und Tomatenketchup sowie Traktoren und Flugzeuge aus den USA eine erste Gelegenheit geben, lange schwelende Auseinandersetzungen wie den transatlantischen Airbus-Boeing-Streit beizulegen. Die USA erheben bekanntlich bereits seit Oktober 2019 Sonderzölle unter anderem auf Parmesan, Wein und Schweinefleisch aus der EU. Die Strafzölle beider Seiten wurden von der Welthandelsorganisation (WTO) genehmigt.
Teil von Bidens Strategie dürfte sein, die WTO als multilaterales Schiedsorgan bei Handelsstreitigkeiten zu reformieren und dadurch zu stärken, statt sie – wie Trump es tat – zu demontieren.
Klimaschutz durch technischen Fortschritt
Das Farm Bureau forderte Biden auf, die Lücken im Breitbandnetz im ländlichen Raum zu schließen und eine faire Lösung für den Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft zu finden. Außerdem setzt AFBF-Präsident Duval auf die Förderung des technischen Fortschritts, wenn es um die Umsetzung einer klimaschonenderen Landwirtschaft geht.
Für den National Farmers Union (NFU), der eher kleinere Familienbetriebe vertritt, steht die Teilnahme der USA am Pariser Klimaschutzabkommen sogar an vorderster Stelle. Biden will als eine sehr ersten Amtshandlungen mit den Vereinigten Staaten dem Abkommen wieder beitreten.
Familienbetriebe beklagen zügellosen Strukturwandel

NFU-Präsident Rob Larew resümierte in einer Stellungnahme zur Abwahl von Trump: „Die letzten vier Jahre waren nicht allzu freundlich zu den Familienbetrieben.“ Überproduktion, ein zügelloser Strukturwandel durch Agrarkonzerne, Handelstreitigkeiten und der Klimawandel hätten die Rohstoffpreise hartnäckig niedrig gehalten, wodurch die Verschuldung der landwirtschaftlichen Betriebe in die Höhe geschnellt sei und die Zahl der landwirtschaftlichen Konkurse zugenommen habe.
Larew erinnerte an frühere Aussagen Bidens, sich für die Wiederbelebung der ländlichen Wirtschaft, die Durchsetzung des Kartellrechts, den Ausbau ländlicher Breitbandnetze und die Förderung einheimischer Biokraftstoffe einsetzen zu wollen.
Biokraftstoffpolitik wird zum frühen Prüfstein
Die Biokraftstoffpolitik dürfte tatsächlich zu einem frühen Prüfstein für Bidens Agrar- und Energiepolitik werden. Die Ölindustrie ist in den USA durch jährlich festgelegte Quoten zur Beimischung von Bioethanol und anderen Biokraftstoffen gezwungen. Nur kleinere Raffinerien sind davon ausgenommen. Trump hatte diese Ausnahmen zum Entsetzen der Landwirte großzügig ausgeweitet.
Für 2021 wurden noch keine Quoten festgelegt, obwohl die Frist dafür am 30. November endet. Die Ölindustrie würde es am liebsten sehen, wenn der teure Beimischungszwang gelockert würde, weil der Kraftstoffbedarf in den USA aufgrund der Corona-Pandemie eingebrochen ist. Jede Verringerung der Beimischung würde aber den US-amerikanischen Maisanbau hart treffen. Biden wird sich für eines der beiden Lager entscheiden müssen.
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