EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski hat sich dafür ausgesprochen, die zollfreien Einfuhren von bestimmten Agrarprodukten aus der Ukraine einzuschränken. Das berichtet die europäische Wochenzeitung „Politico“.
Damit positionierte sich Wojciechowski klar gegen die offizielle Haltung der EU-Kommission, die Ukraine bei der Verteidigung gegen die russische Invasion durch erleichterte Einfuhren auf den Binnenmarkt wirtschaftlich tatkräftig zu unterstützen.
Kommission hält an offizieller Linie fest

Laut dem Zeitungsbericht sagte Wojciechowski in einer Videobotschaft vor Abgeordneten des polnischen Parlaments, er werde sich für die Einführung von Importrestriktionen einsetzen.
Eine Sprecherin der EU-Kommission stellte hingegen gegenüber der Redaktion agrarheute auf Nachfrage klar, die Kommission sei fest entschlossen, die Ukraine in diesen schwierigen Zeiten weiterhin durch Maßnahmen zur Handelsliberalisierung zu unterstützen. Konkrete Nachfragen von agrarheute, welche Agrarimporte aus der Ukraine nach Auffassung von Kommissar Wojciechowski in welcher Form reglementiert werden sollten, ließ das Sprecherbüro unbeantwortet.
Einfuhren an Mais und Geflügel aus der Ukraine steigen extrem
Hintergrund der Aussagen Wojciechowskis sind die extrem angestiegenen Einfuhren zum Beispiel von Mais und Geflügel aus der Ukraine – und der polnische Wahlkampf. Die Einfuhrstatistik der EU-Kommission zeigt, dass die Importe von Mais aus der Ukraine auf den Binnenmarkt von Juli bis Oktober 2022 bereits 3,75 Mio. t erreichten. Das entspricht einer Verdreifachung gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum.
Die Einfuhren von Sonnenblumen wuchsen zugleich von 22.048 t auf 779.460 t. Der Rapsimport blieb mit 1,4 Mio. t annähernd stabil. An Geflügel wurden von Januar bis Oktober 114.774 t aus der Ukraine in die EU eingeführt, während es im gesamten Vorjahr nur 86.007 t waren.
PiS-Partei fürchtet um ihre Wähler
Die zusätzlichen Mengen drängen vor allem in den grenznahen Gebieten in Polen, Rumänien und Bulgarien auf den EU-Markt. Die Landwirte in diesen Regionen leiden unter dem Preisdruck durch das hohe Angebot.
Wojciechowski nimmt diese Sorgen ernst. In Polen finden voraussichtlich im Herbst 2023 Parlamentswahlen statt. Wojciechowski gehört der regierenden rechtspopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) an, die in der ländlichen Bevölkerung viele Anhänger hat.
Wojciechowski will für Einfuhrbeschränkungen eintreten
Rückblick: Die Europäische Union hatte Anfang Juni den Außenschutz gegenüber ukrainischen Agrareinfuhren in die Gemeinschaft aufgehoben. Ziel ist, die ukrainische Wirtschaft in der durch den Krieg angespannten Lage durch Exporterlöse zu unterstützen. Die Regelung ist allerdings auf ein Jahr befristet.
Wojciechowski vertrat nun vor den polnischen Abgeordneten die Meinung, die Freihandelspolitik müsse für einige Produkte überdacht werden. Konkret erwähnte der Pole Mais, Raps und Geflügel. Wojciechowski räumte ein, die Entscheidung über eine Wiedereinführung von Zöllen hänge von vielen Kommissionsmitgliedern ab. Er werde sich jedoch für Importrestriktionen für Produkte einsetzen, deren Einfuhr eindeutig zugenommen habe.
Sprecherbüro des Agrarkommissars relativiert dessen Aussagen
Mit seiner Haltung scheint Wojciechowski – einmal mehr - in der EU-Kommission isoliert dazustehen. Als Mitglied der umstrittenen rechtspopulistischen PiS-Partei hat der Politiker es schwer, im Kollegium für seine Positionen Unterstützung zu finden. Schon die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), eigentlich die Kernkompetenz des Agrarkommissars, wurde wesentlich stärker vom EU-Kommissionsvize und niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans geprägt.
Nun stärkt selbst Wojciechowskis Pressebüro nicht die Thesen, die der PiS-Politiker in Polen vertritt. Seine Sprecherin beteuerte gegenüber agrarheute, die Kommission werde „die Ukraine und ihre Landwirte weiterhin beim Anbau von Getreide und Ölsaaten unterstützen, die für sie selbst und für die Welt dringend benötigt werden“. Die EU werde die Ausfuhren der ukrainischen Landwirte erleichtern, insbesondere durch die „Solidarity Lanes“ und die Schwarzmeer-Getreide-Initiative.
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