Die Corona-Pandemie, internationale Konflikte und die Folgen des Klimawandels lassen das Hungerrisiko im laufenden Jahr weltweit ansteigen. Das zeigt der Index der globalen Ernährungssicherheit (GFSI). Seit zehn Jahren berechnet die Denkfabrik „Economist Impact“ den Index, gesponsert durch den Pflanzenschutz-Hersteller Corteva. Der GFSI misst für 113 Länder der Erde, wie sicher eine ausreichende, erschwingliche und gesunde Ernährung ihrer Bevölkerung ist.
Die jüngste Entwicklung des Index stimmt bedenklich: Nachdem sich die globale Versorgungssicherheit von 2012 bis 2019 von 57,2 auf 61,6 Indexpunkte stetig verbesserte, verschlechtert sich die Ernährungssicherheit 2021 im zweiten Jahr in Folge. Der Index sackt in diesem Jahr auf 60,9 Punkte ab.
Angesichts dieser bedrohlichen Lage haben Vertreter der europäischen Land- und Agrarwirtschaft wenig Verständnis für die Farm-to-Fork-Strategie der Europäischen Kommission, die nach verschiedenen wissenschaftlichen Studien zu einer deutlichen Verringerung der Lebensmittelproduktion in Europa führen wird.
Index der Ernährungssicherheit weltweit rückläufig

Der Rückgang des GFSI betrifft 2021 alle Regionen der Welt und Länder aller Entwicklungsstufen. Allerdings halten sich die reichen europäischen Länder seit einem Jahrzehnt an der Spitze der Ernährungssicherheit, während vor allem Menschen südlich der Sahara einem erhöhten Hungerrisiko ausgesetzt sind.
„Wir müssen in die Zukunftsfähigkeit unserer Lebensmittelversorgung investieren, indem wir in landwirtschaftliche Forschung, Entwicklung und Technologie investieren. Und wir müssen der Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel Priorität einräumen“, forderte GFSI-Projektmanagerin Pratima Singh bei der Präsentation der neuesten Zahlen gestern (14.10.) in einer Online-Diskussion mit Journalisten, zwei Tage vor dem Welternährungstag.
Ernährungssicherheit ist keine Selbstverständlichkeit - auch nicht in Europa
Brunno Menne von den EU-Organisationen der Bauernverbände (COPA) und Genossenschaften (Cogeca) wies in diesem Zusammenhang darauf hin, Ernährungssicherheit sei auch in der EU keineswegs eine Selbstverständlichkeit, das hätten die Covid-Pandemie und die Lieferkettenprobleme durch den Brexit gezeigt.
Menne kritisierte, dass die EU-Kommission mit der Farm-to-Fork-Strategie eine Vision für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) vorgelegt habe, die den Fokus allein auf wissenschaftlich nicht abgesicherte pauschale Reduktionsziele für die Düngung und den Pflanzenschutz lege. Verschiedene wissenschaftliche Studien aus Kiel, Wageningen und den USA zeigten, dass die Agrarproduktion und die landwirtschaftlichen Einkommen in der EU durch Farm to Fork deutlich zurückgehen würden. Die Last würden die Verbraucher tragen, die für einen Vier-Personen-Haushalt mit Mehrausgaben von jährlich 640 Euro rechnen müssten.
Europaparlament stimmt über Farm to Fork ab
Die im Mai 2020 präsentierte Farm-to-Fork-Strategie formuliert für die EU eine Reihe von konkreten Zielen bis 2030:
- Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln soll um 50 Prozent reduziert werden.
- Der Nährstoffverlust soll um 50 Prozent verringert werden, sodass der Einsatz von Düngemitteln einschließlich Wirtschaftsdünger um 20 Prozent zurückgeht.
- Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung soll um 50 Prozent zurückgehen.
- Der Flächenanteil der ökologischen Landwirtschaft soll EU-weit von jetzt rund 8 auf 25 Prozent steigen.
Das Europäische Parlament wird am kommenden Montag (18.10.) über das Paket debattieren. Am Dienstag wollen die Abgeordneten über ihre Stellungnahme abstimmen.
Ziele der Farm-to-Fork-Strategie überprüfen
Menne hob in der Diskussionsrunde zum Index für Ernährungssicherheit hervor, dass die EU-Bauernverbände den Ansatz der Strategie, die Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen, selbstverständlich nachdrücklich unterstützten. Entscheidend sei aber, Ziele und Maßnahmen festzulegen, die den Rückgang der Agrarproduktion minimierten und Lebensmittel nicht verteuerten.
„Was wir in Europa nicht produzieren, werden wir importieren können, aber diese Lebensmittel werden in anderen Ländern fehlen“, stellte Menne fest. Darum müssten die Ziele der Farm-to-Fork-Strategie überprüft werden.
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