Die Genehmigung der nationalen Strategiepläne durch die EU-Kommission droht für die Landwirte in Europa in einem Desaster zu enden. Das wurde jetzt in einer Sitzung des Agrarausschusses im Europaparlament deutlich.
Bei dem Treffen informierte ein Spitzenbeamter der EU-Kommission die Abgeordneten über das Verfahren. Dr. Mihail Dumitru, stellvertretender Generaldirektor in der Generaldirektion Landwirtschaft (DG Agri), erklärte, vor dem Sommer werde voraussichtlich kein einziger nationaler Strategieplan grünes Licht aus Brüssel erhalten.
Spätestens im Sommer legen Landwirte jedoch die Anbauplanung für das darauffolgende Jahr fest. Direkt nach der Ernte beginnen schließlich die Feldarbeiten für die nächste Saison. Ohne zu wissen, ob die Kommission die von der Bundesregierung geplanten Öko-Regelungen so überhaupt genehmigt, kann jedoch kein Bauer entscheiden, ob und gegebenenfalls welche Eco-Schemes er auf seinen Flächen umsetzt.
EU-Kommission will im Genehmigungsverfahren "die Uhr anhalten"
Bis Ende 2021 – und damit fristgerecht – hatten 18 der 27 Mitgliedstaaten ihre nationalen Strategiepläne bei der Europäischen Kommission eingereicht. Bis Ende Januar haben vier Länder nachgeliefert. Deutschland gehört weiterhin nicht dazu.
Die EU-Kommission nimmt sich für die Prüfung und Genehmigung der nationalen Strategiepläne mindestens sechs Monate Zeit. Das Verfahren ist jedoch gestaffelt und die Kommission will zwischendurch „die Uhr anhalten“.
Denn laut Dumitru hat die Kommission nach dem Eingang eines Plans zunächst drei Monate Zeit, ihre Stellungnahme abzugeben. Diese wird danach an den Mitgliedstaat überstellt und veröffentlicht. Dann hat der Mitgliedstaat Gelegenheit, seinen Plan nachzubessern.
Die endgültige Verabschiedung des Strategieplans muss zwar innerhalb von sechs Monaten nach der Einreichung erfolgen; in dieser Frist ist allerdings der Zeitraum zwischen dem Erhalt der Stellungnahme durch den Mitgliedstaat und der anschließenden Überarbeitung und Neueinreichung des Plans nicht enthalten. Somit zeichnet sich ab, dass selbst fristgerecht eingereichte Strategiepläne nicht vor der Sommerpause der Kommission, sondern frühestens im September genehmigt werden – zu spät für die Landwirte.
Agrarminister Cem Özdemir noch immer säumig
Hinzu kommt ein spezifisch deutsches Problem: Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat den deutschen Strategieplan noch immer nicht nach Brüssel übermittelt. Als Ziel wird jetzt „Mitte Februar“ genannt. Das heißt, für die deutschen Bauern kommt zu der langsamen Arbeitsweise der Kommission noch eine durch die Bundesregierung verschuldete zusätzliche Verzögerung hinzu. Denn der Bundesrat hat den deutschen Rechtsrahmen für die Eco-Schemes bereits Mitte Dezember beschlossen, sodass der Strategieplan eigentlich steht.
Der Berichterstatter für die EU-Verordnung der Strategiepläne, der CDU-Politiker Dr. Peter Jahr, sprach von einer „Blamage“ für Deutschland. Spätestens nach der Ernte der Hauptfrucht müssten die Landwirte wissen, wo die Reise hingehe, sagte der Europaabgeordnete in der Sitzung des EU-Agrarausschusses. Das Jahresende sei „viel zu spät“.
Ursprünglich sollten alle Strategiepläne gemeinsam verabschiedet werden
Wie der stellvertretende Generaldirektor Dumitru weiter erläuterte, wollte die Kommission ursprünglich alle Strategiepläne als Paket verabschieden. Das hätte den Vergleich vereinfacht und ein Gesamtbild ermöglicht.
Jetzt aber hätten bereits mehrere Mitgliedstaaten die Frist verpasst. Neben dem deutschen Beitrag fehlten unter anderem noch die Pläne aus der Slowakei sowie aus Belgien, wo auf regionaler Ebene daran gearbeitet werde. Die Einreichung aus Bratislava werde kurzfristig erwartet. Bei Belgien könnte es indes eine längere Verzögerung geben.
Bis zu 4.000 Seiten dicke Strategiepläne liegen in Brüssel
Dumitru zufolge umfassen die bislang eingereichten Strategiepläne je Mitgliedstaat 400 bis 4.000 Seiten. Noch nicht beurteilt werden könne, ob sie den Ambitionen der GAP-Reform gerecht würden. Zunächst gehe es darum, die rechtlichen Anforderungen zu überprüfen.
Insgesamt haben sich die Mitgliedstaaten laut dem Spitzenbeamten um einen strategischen und problemorientierten Ansatz bemüht. Fast die Hälfte der Pläne beinhalte einen vollständigen oder teilweisen Anhang mit Indikatoren und Zielvorgaben zur Umsetzung des Green Deal auf nationaler Ebene.
Insbesondere zum Ökolandbau würden umfangreiche Informationen geliefert. Bei den Öko-Regelungen ist nach Angaben des Kommissionsvertreters eine große Bandbreite zu beobachten. Das Instrument werde intensiv genutzt, eine Aussage über das Anspruchsniveau könne aber noch nicht getroffen werden.
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