Stand 28. Mai 2021, 08:10 Uhr: Ist der Trilog vorerst gescheitert? Aus Brüssel dringen widersprüchliche Signale.
Die österreichische Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger erklärt heute Morgen um kurz vor 8 Uhr: „Nach drei Jahren intensiver Verhandlungen an der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik sind diese leider an einem sehr entscheidenden Zeitpunkt gescheitert. ... Das EU-Parlament soll im Juni wieder konstruktiv an den Verhandlungstisch zurückkehren.“ Auch der finnische Agrarminister erklärt, die Verhandlungen würden im Juni fortgesetzt.
Im Gegensatz dazu twittert EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski fast zeitgleich, er hoffe weiter auf einen guten Kompromiss im Laufe des Tages. Nach drei Jahren der Diskussionen sei es an der Zeit, sie zu einem Ende zu bringen.
Stand 28. Mai 2021, 07:00 Uhr: Im Ringen um die EU-Agrarreform ist den Unterhändlern von Europaparlament und den EU-Agrarministern auch in der Nacht zu Freitag keine Einigung gelungen. Seit Dienstag streiten die Unterhändler intensiv über die letzten Detailfragen in dieser womöglich entscheidenden Verhandlungsphase. Heute (28.5.) soll ab 9.00 Uhr weiter beraten werden.
Diskutiert wird weiterhin vor allem darüber, welchen Anteil des Budgets künftig die Öko-Regelungen ausmachen sollen. Das Europaparlament will in den Verhandlungen einen deutlich höheren Prozentsatz durchsetzen als die nationalen Regierungen.
Die portugiesische Ratspräsidentschaft holt sich nun ein neues Verhandlungsmandat bei den Agrarministern ein, wie EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski am Abend auf Twitter mitteilte. Portugal hat derzeit turnusgemäß den Vorsitz unter den EU-Ländern inne. Wojciechowski zeigte sich optimistisch, dass die unterschiedlichen Positionen kein komplettes Verhandlungs-Aus bedeuten. «Es ist noch nicht vorbei», schrieb er.
Stand: Donnerstag, 27. Mai 2021, 14:00 Uhr: Dem Vernehmen nach stocken die Beratungen. Umstritten ist vor allem der Anteil der Öko-Regelungen an der ersten Säule. Der Kompromissvorschlag des Rates, sich auf 25 Prozent Öko-Regelungen zu einigen, stößt beim Parlament weiter auf Missfallen. Kritisiert wird von den Abgeordneten auch, dass der Rat weiter an einer zweijährigen Lernphase festhält.
Umstritten ist auch die Einführung einer „sozialen Konditionalität“, die unter anderem von Deutschland abgelehnt wird. Keine Annäherung soll es beim Thema Kappung gegeben haben.
Deutliche Kritik musste sich gestern Abend (26.5.) EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski von den Landwirtschaftsministern anhören. Wojciechowski hatte die Minister aufgerufen, sich den Kompromissvorschlägen des Europaparlaments zum Umwelt- und Klimaschutz zu nähern. Daraufhin erinnerte Spaniens Agrarminister Luis Planas den Polen in deutlichen Worten an die Rolle der EU-Kommission als Makler zwischen Parlament und Rat.
Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner beklagte, dass die Kommission ihre Rolle als ehrlicher Makler vernachlässige. Sie warf vor allem EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans vor, sich zu sehr auf die Seite des Europaparlaments zu schlagen.
Stand: Donnerstag, 27. Mai 2021, 10:30 Uhr: Die Verhandlungen am späten Mittwochabend haben noch keinen Durchbruch gebracht. Heute will der portugiesische Vorsitz am Vormittag zunächst bilaterale Gespräche mit allen Mitgliedstaaten führen. Im sogenannten "Beichtstuhl-Verfahren" wird dabei der Verhandlungsspielraum der Delegationen ausgelotet.
Ab 16 Uhr soll eine weitere große Runde im Trilog-Verfahren stattfinden, wie aus der österreichischen Delegation verlautete. Ein Verhandlungsergebnis ist somit offenbar frühestens am Abend zu erwarten.
Stand: Mittwoch, 26. Mai 2021, 17:30 Uhr: Wie mehrere Verhandlungsteilnehmer gegenüber dem Pressedienst Agra-Europe sagten, ist es wahrscheinlicher, dass eine politische Übereinkunft erst am Donnerstag oder auch erst am Freitag erzielt wird. Selbst ein vorläufiges Scheitern der Gespräche wird nicht gänzlich ausgeschlossen.
Als Knackpunkte gelten Kappung und Umverteilung der Direktzahlungen. Dem Vernehmen nach wird aktuell ein Kompromissvorschlag diskutiert, wonach die Mitgliedstaaten die Direktzahlungen an die Unternehmen pro Jahr auf 100.000 Euro begrenzen sollen, dabei jedoch verschiedene Kostenblöcke berücksichtigen dürfen. Alternativ dazu sollen die Mitgliedsländer auf eine Kappung verzichten, sofern 10 Prozent der Direktzahlungsmittel kleinen und mittleren Höfen zugutekommen.
Dieser Kompromiss käme in Teilen den Forderungen des EU-Parlaments nahe. Er soll allerdings auch beinhalten, dass die aus dem Haushaltskontrollausschuss eingebrachten Änderungsanträge, wonach für Agrarholdings die Zahlungen aus der Ersten Säule auf 500.000 Euro und die aus der Zweiten Säule auf 1 Mio. Euro im Jahr begrenzt werden sollen, komplett entfallen.
Grüne Architektur ist weiter umstritten
Größere Unstimmigkeiten gibt es allem Anschein nach weiterhin bei der „Grünen Architektur“. So stößt der Kompromissvorschlag des Rates, sich auf 25 Prozent Eco-Schemes zu einigen, beim Parlament auf Missfallen. Kritisiert wird von den Abgeordneten, dass der Rat an einer zweijährigen Lernphase, die in den Jahren 2023 und 2024 die Überführung ungenutzter Mittel in die Basishektarprämie erlauben soll, weiter festhält. Dies würde den Anteil der Eco-Schemes effektiv um einige Prozentpunkte reduzieren, kritisieren die Vertreter des Parlaments.
Beklagt wird von beiden Seiten, dass die Kommission eine Einkommenswirksamkeit der Eco-Schemes nicht erlauben will.
Nach wie vor scheinen auch die Konflikte rund um die Konditionalität respektive die Bestimmungen für gute landwirtschaftliche und ökologische Zustände (GLÖZ) nicht ausgeräumt zu sein. Die Forderung des Parlaments nach einer sozialen Konditionalität stößt bei der Mehrheit der Mitgliedstaaten weiterhin auf starke Ablehnung.
Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner steht der Einführung einer sozialen Konditionalität kritisch gegenüber. Agrarpolitik sei keine Sozialpolitik, sagte Klöckner. Als wichtig bezeichnete die Ministerin dagegen eine Anreizkomponente bei den Öko-Regelungen.
Die Woche der Entscheidung?
Erstmeldung vom 25. Mai 2021, 11:40 Uhr: Nach fast dreijährigen Verhandlungen wollen die EU-Institutionen in dieser Woche endlich einen Schlussstrich ziehen und die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) für die Jahre 2023 bis 2027 beschließen. Die portugiesische Präsidentschaft will die letzten Streitpunkte heute und morgen im Trilog klären.
Sofort im Anschluss sollen die EU-Agrarminister den Reformkompromiss final absegnen. Dazu haben sie ihre ursprünglich erst für kommende Woche geplante Sitzung um eine Woche vorgezogen.
Darüber streiten die EU-Institutionen noch
Darüber streiten Parlament, Rat und Kommission bisher noch:
- Wie hoch soll der verpflichtende Anteil der Öko-Regelungen an der ersten Säule ausfallen?
- Sollen die ersten Hektare verpflichtend oder freiwillig höher gefördert werden?
- Wieviel Spielraum erhalten die Mitgliedstaaten bei Kappung und Degression?
- In welchem Korridor bewegt sich die Umschichtung von der ersten in die zweite Säule?
- Welcher Anteil der Flächen muss nicht-produktiv genutzt werden (Brache)?
- Sollen Arbeitsbedingungen auf den Betrieben als „soziale Konditionalität“ berücksichtigt werden?
Die Unterhändler haben Nachtsitzungen schon einkalkuliert
Die Verhandlungen im Trilog sollen in Brüssel heute den ganzen Tag andauern. Am Mittwochmorgen (26.5.) sollen die EU-Agrarminister von der Ratspräsidentschaft über den Zwischenstand informiert werden, um gegebenenfalls das Verhandlungsmandat nachzubessern. Am Nachmittag wird der Trilog fortgesetzt.
Notfalls will die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft den auf zwei Tage angesetzten Trilog noch um den Donnerstag verlängern. Nachtsitzungen sind einkalkuliert.
Das erklärte Ziel ist, die Reformdebatte endlich abzuschließen, damit den Regierungen in den Mitgliedstaaten genug Zeit bleibt, um die neuen Maßnahmen in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland hat der Bundestag damit vorige Woche mit der ersten Lesung der entsprechenden Reformgesetzentwürfe begonnen.
Klöckner fordert Kompromissbereitschaft von allen Seiten
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner unterstützt eine Einigung im Trilog und damit über das gesamte GAP-Legislativpaket. „Um jetzt zügig einen Abschluss zu erreichen, braucht es die Kompromissbereitschaft aller Seiten", hob Klöckner heute (25.5.) hervor. Die Landwirte in Europa erwarteten klare EU-Vorgaben und vor allem Rechtssicherheit. Was sie nicht brauchen könnten, sei mehr Bürokratie und Verkomplizierung.
agrarheute wird über die Brüsseler Verhandlungen fortlaufend berichten. Was bisher schon feststeht und wie die Reform in Deutschland voraussichtlich umgesetzt wird, können Sie in unserem Top-Thema nachlesen.
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