Es geht um zig Milliarden und es geht um politische Weichenstellungen für Jahre, wenn sich die Staats- und Regierungschefs der EU heute in Brüssel zum Sondergipfel treffen. Sie wollen endlich den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der Gemeinschaft für die Jahre 2021 bis 2027 beschließen.
Ob der Durchbruch gelingt, muss aber angezweifelt werden. Der jüngste Kompromissvorschlag von EU-Ratspräsident Charles Michel ist bei Nettozahlern ebenso wie bei EU-Agrarpolitikern und Vertretern der Landwirtschaft auf viel Kritik gestoßen.
Die Sitzung heute wird von einer Bauerndemonstration begleitet. Milcherzeuger aus den Baltischen Republiken und das European Milk Board (EMB) haben zu einer Protestaktion im Europaviertel der belgischen Hauptstadt aufgerufen. Sie fordern gleiche Bedingungen bei den Direktzahlungen in allen EU-Ländern sowie ein effizientes Kriseninstrument im Milchsektor.
Ratspräsident Michel will mehr Geld für die Erste Säule
Der jüngste Kompromissvorschlag von Ratspräsident Michel sieht vor, mit rund 2,5 Mrd. Euro etwas mehr Geld für die Erste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und damit die Direktzahlungen bereit zu stellen.
Allerdings will Michel die noch von der finnischen Ratspräsidentschaft im Dezember vorgeschlagenen zusätzlichen 10 Mrd. Euro für die Zweite Säule auf 2,5 Mrd. Euro verringern. Die Differenz von 7,5 Mrd. Euro soll in den neuen „Fonds für einen gerechten Übergang“ (JTF) fließen.
Der Fonds ist Teil des Green Deal. Er soll vor allem dazu dienen, Gebiete und Regionen zu unterstützen, die durch den Übergang zur Klimaneutralität vor besondere Herausforderungen gestellt werden.
Agrarpolitiker weisen Einsparungen zurück
Strikt abgelehnt wurden die Pläne Michels vom Agrarsprecher der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) im Europaparlament, Prof. Paolo De Castro. Der frühere italienische Landwirtschaftsminister bezeichnete den Vorschlag als „inakzeptabel“. Er wies darauf hin, dass sich im Europaparlament nicht nur seine Fraktion, sondern auch die der Europäischen Volkspartei (EVP), der liberalen „Renew Europe“ (RE) sowie der Grünen/EFA einhellig für einen stabilen EU-Agrarhaushalt ausgesprochen hätten.
Auch EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski forderte wiederholt mehr Geld für die GAP, unter anderem im Interview mit agrarheute.
Agrarkommissar: Die EU-Agrarpolitik braucht mehr Geld
Finanzminister Scholz will Modernisierung unterstützen

Bundesfinanzminister Olaf Scholz ist zwar zu einer Aufstockung des deutschen EU-Beitrags bereit, ist aber auch der Auffassung, die EU müsse sich bei ihren Ausgaben mehr auf Zukunftsthemen konzentrieren. Ähnlich wie Scholz sprach sich auch der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra für einen Haushalt aus, der sich mehr auf Modernisierung konzentriere.
Spanien, Rumänien, Portugal und die baltischen Staaten drängen hingegen auf eine Fortsetzung der traditionellen Agrarhilfen und der Kohäsionspolitik, die vor allem den ärmeren Regionen zugute kommt.
Politische Beobachter rechnen nicht damit, dass der EU-Gipfel schon zum Erfolg führen wird. Für einen Beschluss ist Einstimmigkeit erforderlich. Anschließend bedarf der langfristige Finanzplan noch der Zustimmung des Europäischen Parlaments.
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