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Pflanzenschutzmittel

EU-Verbot von Pflanzenschutzmitteln: Ganz neue Gebiete im Visier?

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am Freitag, 03.03.2023 - 12:21 (Jetzt kommentieren)

In der sogenannten SUR-Richtlinie schildert die EU-Kommission, wie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 halbiert werden soll. Die Europaabgeordnete Sarah Wiener (Grüne) bereitet die offizielle Position des Europäischen Parlaments zum Thema vor. Ihr Textentwurf schlägt vor, einige Gebiete vom Pflanzenschutzverbot auszunehmen und andere neu hineinzubringen.

Sarah Wiener, Europaabgeordnete der Grünen, hat am 2. März einen Entwurf für die Position des EU-Parlaments zu den Plänen der EU-Kommission für die Beschränkung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln vorgestellt. In der "Sustainaible Use Regulation" (SUR) legt die Europäische Kommission dar, wie sie die Ziele der Farm-to-Fork-Strategie erreichen will, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Wieners Berichtsentwurf, den sie am Donnerstag im Umweltausschuss des EU-Parlaments vorgestellt hat, sieht einige wesentliche Änderungen gegenüber dem Vorschlag der EU-Kommission vor.

Wie könnte die Pflanzenschutzreduktion aussehen?

Sarah Wieners Berichtsentwurf schlägt vor, den Einsatz besonders gefährlicher Pflanzenschutzmittel bis 2030 um 80 % zu verringern. Alles in allem soll der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aber weiterhin halbiert werden.

Wo könnte der Einsatz von Pflanzenschutz erleichtert werden?

Die größten Änderungen schlägt die Grüne Europaabgeordnete bei der Gebietskulisse vor, in welcher der Einsatz von Pflanzenschutz verboten werden soll: Landschaftsschutzgebiete, in denen der Naturschutz keine ausdrückliche Rolle spielt, sollen genauso vom Verbot ausgenommen werden, wie nitratbelastete rote Gebiete, Naturdenkmäler und Einzelbäume. Außerdem schlägt sie vor, den Einsatz von Pflanzenschutzmittel, die im Bio-Landbau zugelassen sind, auch in sensiblen Gebieten zu erlauben.

Wie könnte der Einsatz von Pflanzenschutz erschwert werden?

Gleichzeitig sollen Grundwasserkörper, aus denen Trinkwasser entnommen wird, besser geschützt werden. Wieners Berichtsentwurf sieht vor, dass die EU-Mitgliedstaaten für Oberflächen- und Grundwasser, das für die Trinkwassergewinnung genutzt wird, Schutzzonen festlegen, in denen das Verwenden und Lagern von Pflanzenschutzmitteln verboten ist.

Werden Sarah Wieners Vorschläge umgesetzt?

Damit die Vorschläge von Sarah Wiener umgesetzt werden, müsste zunächst das Plenum des Europäischen Parlaments mit einer Mehrheit den Bericht annehmen. Damit wäre der Bericht offizielle Position des Abgeordnetenhauses und würde in dessen Verhandlungen mit der EU-Kommission und den EU-Staaten einfließen. Bei einer Einigung zwischen diesen drei Seiten werden erfahrungsgemäß niemals alle Forderungen einer Seite umgesetzt. Allerdings hatte die EU-Kommission bereits Ende vergangenen Jahres Lockerungen beim Pflanzenschutzverbot in sensiblen Gebieten angedeutet. Möglicherweise könnte sie dann die Position mittragen, die Wiener in ihrem Bericht umreißt.

Wer unterstützt Sarah Wieners Pflanzenschutz-Vorschlag?

Nach Auffassung von Karl Bär, grüner Bundestagsabgeordneter aus Bayern, wäre damit der größte Konflikt in der Debatte entschärft. Bär bezeichnet Wieners Berichtsentwurf „als intelligenten Vorschlag“. Aus Sicht des grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling verbessert Wieners Entwurf zudem die Bewertung des Risikos von Pflanzenschutzmitteln. Die Berechnungsweise im Kommissionsentwurf hätte aus seiner Sicht den Verlauf des Risikoindikators schön gerechnet und einige Mittel, die im Bio-Landbau zum Einsatz kommen, stark benachteiligt, weil diese oft aufgrund ihrer geringeren Wirksamkeit höhere Aufwandmengen benötigen. Zustimmung zum Vorstoß Wieners kommt außerdem von den Sozialdemokraten. Sie sehen aber Nachbesserungsbedarf bei der Berchnung der Einsparungen.

Wer ist gegen Sarah Wieners Pflanzenschutz-Vorschlag?

Joachim Rukwied, Präsiden des Deutschen Bauernverbands (DBV), sieht das ganz anders: „Der Berichtsentwurf von Sarah Wiener berücksichtigt nicht einmal die bereits bestehenden Lösungsansätze wie beispielsweise den baden-württembergischen Weg.“ Freiwillige Vereinbarungen wie im Biodiversitätsstärkungsgesetz in Baden-Württemberg, Bayern oder Niedersachsen würden damit weiter unterlaufen. Ähnlich wie der DBV sieht dies auch der Deutsche Raiffeisenverband. Für dessen Präsident, Franz-Josef Holzenkamp, entbehrt das geforderte Reduktionsziel von 80 Prozent beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit höherem Risiko „jeglicher Vernunft“. „Hier handelt es sich um einen rein politisch motivierten Überbietungswettbewerb bei den Einschränkungen.“

Der Schattenberichterstatter der Europäischen Volkspartei, Alexander Bernhuber aus Österreich, bekannte sich zu einer Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes. Allerdings findet er Wieners Entwurf und den Kommissionsvorschlag „nicht realistisch“. Nach Auffassung des Vorsitzenden des Agrarausschusses, Norbert Lins (CDU), hat Wiener die Chance verstreichen lassen, den Streitpunkt sensible Gebiete vom Tisch zu nehmen. Die liberale Fraktion Renew Europe vermisst in beiden Entwürfen zudem eine Garantie für alternative Lösungen zum Pflanzenschutzeinsatz.

Mit Material von Agra Europe

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