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Nutztierhaltung im Spiegel der Gesellschaft

Fachtagung zur Ethik der Tierhaltung

Schinkenstulle auf Frühstücksbrettchen
am Freitag, 27.10.2017 - 08:00 (Jetzt kommentieren)

Am 25. Oktober lud der Berliner Tagesspiegel ein zum Fachforum Landwirtschaft. Brisantes Thema: "Die Ethik der Schinkenstulle – Standpunkte zur Nutztierhaltung." Landwirte, Tierschützer, Ethiker und Journalisten lieferten sich eine emotionale, aber faire Diskussion.

Zwei Keynote-Sprecher und zwei Experten-Podien sollten am Mittwoch Nachmittag im Berliner Haus des Tagesspiegels klären, welche ethischen Prämissen sich die Nutztierhaltung setzen muss, soll und kann.

Zu den Rednern gehörten Vertreter aus Landwirtschaftsverbänden ebenso wie Tier-, Umwelt- und Verbraucherschützer, Ethiker und Journalisten. Im Publikum diskutierten unter anderem Landwirte und NGO-Vertreter. Der Disput war – dem Thema entsprechend – emotional, blieb aber dennoch sachbezogen und fair. Wir haben für Sie einige der spannendsten Zitate zusammengefasst.

Meinungen in der Diskussion

Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff stellte in seiner Tagungseröffnung klar, was aus seiner Sicht die Grundfrage einer Ethikdiskussion in der Nutztierhaltung sein müsste: "Ist ein Leben mit Einschränkungen besser oder schlechter als gar nicht gelebt zu haben?" Die bewusst provokante Frage wurde vor allem von den Ethikexperten zögerlich aufgegriffen. Danach aber bewegte sich die Diskussion rasch in eine praxisbezogenere Richtung.  

Prof. Dr. Peter Kunzmann von der Tierärztlichen Hochschule Hannover war in seiner Keynote überzeugt: "Tierwohl ist machbar, wenn es von den einen bezahlt und von den anderen umgesetzt wird." 

Diesen Gedanken griff DLG-Vorstandsmitglied Philipp Schulze-Esking auf: "Zukunftsfähige Nutztierhaltung muss von der Gesellschaft gewollt und bezahlt werden."

Dr. Claudia Salzborn vom Deutschen Tierschutzbund dagegen stellte eine Zukunft der Nutztierhaltung generell in Frage: "Die konsequenteste Art des Tierschutzes wäre, vegetarisch oder vegan zu leben." – Und beantwortete damit indirekt die Eingangsfrage von Tagesspiegel-Chef Casdorff, indem sie Nichtexistenz über suboptimale Lebensbedingungen stellte. Die große Mehrheit der Nutztiere hierzulande werde in wenig oder nicht tiergerechten Systemen gehalten, das sei inakzeptabel, untermauerte Salzborn ihre Meinung.

Dennoch befassten sich die Folgeredner mit der Frage der Umsetzbarkeit von mehr Tierwohl.

Bauernverbandsvizepräsident Werner Schwarz stellte aus Sicht der Landwirte klar: "Veränderungen erfordern Akzeptanz und Perspektive."

Planungssicherheit sei dafür unverzichtbar, bestätigte auch Sophie Herr von der Verbraucherzentrale.

Aus politischer und volkswirtschaftlicher Sicht näherte sich Prof. Dr. Folkhard Isermeyer vom Thünen-Institut der Diskrepanz aus gesellschaftlichen Forderungen und der zugehörigen Zahlungsbereitschaft. Das notwendige finanzielle Volumen, um beispielsweise die Ziele der Initiative Tierwohl auf breiter Basis vollständig umzusetzen, sei nicht durch freiwillige Zahlungen zusammenzutreiben.
Deshalb müsse Deutschland sich die Frage stellen: "Wollen wir überhaupt die Tierhaltung wegführen von dem Pfad, den uns der globale Kapitalismus vorgibt?" Falls ja, sei hier die Politik mit einer entsprechenden Abgabe auf Fleischprodukte gefragt.
Sein Fazit klang wenig optimistisch: "Der Markt wird das Problem nicht lösen. Die Politik könnte das Problem lösen, solange sie aber den großen Wurf scheut, bleiben nur Zwischenschritte."

 

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